Reifengeräuschmessfahrzeug der TÜV Automotive GmbH vorgestellt
Das Abrollgeräusch ist ein immer wichtiger werdendes Kriterium, wenn es um das Thema Fahrkomfort geht. Denn durch leisere Motoren, Getriebe und Nebenaggregate tritt das Reifen-/Fahrbahngeräusch zunehmend in den Vordergrund. Aus diesem Grund hat die TÜV Automotive GmbH mit dem Institut für Kraftfahrwesen Aachen (ika) der RWTH Aachen und in Zusammenarbeit mit der BMW AG ein spezielles Reifengeräuschmessfahrzeug aufgebaut, das quasi als „mobiler Reifenprüfstand“ fungiert. Durch Kapselung des Motors und weitere Maßnahmen ist es dem TÜV-Akustikmesszentrum gelungen, die vom Antrieb herrührenden Geräuschemissionen des Autos im Vergleich zu einem Serienfahrzeug deutlich abzusenken, sodass die Reifengeräusche unter verschiedenen Fahrbedingungen noch genauer und schneller gemessen werden können sollen.
Seit Oktober 1995 betreibt die TÜV Automotive GmbH in München Allach ein Messzentrum mit einer ISO-Geräuschmessstrecke, beheizbarem Asphalt und einer 500-Meter-Beschleunigungsstrecke. Für die Durchführung der Messungen stehen wetterfeste Mikrofone, Radar und eine Sechskanaltelemetrieempfangseinheit zur Verfügung. Der richtige Ort also zur Präsentation des neuen „mobilen Akustikreifenprüfstandes“ Mitte September, mit dem noch genauere Messungen des Reifengeräusches unter verschiedenen Fahr- bzw. Lastzuständen möglich sein sollen. „Ab heute steht dieses Fahrzeug der Industrie zur Verfügung – auch an anderen Standorten und nicht nur in Allach“, begrüßte Rudolf Meier, Leiter des Arbeitsgebietes Akustik beim TÜV Automotive, die rund 50 angereisten Vertreter führender Fahrzeug- und Reifenhersteller sowie der Fachpresse. Dabei vergaß er jedoch nicht, sich bei den Partnern des Projektes für eine gute Zusammenarbeit zu bedanken. „Vor allem BMW und das ika haben uns sehr stark unterstützt“, hob Meier hervor, wenngleich eine ganze weitere Reihe weiterer Unternehmen – stellvertretend seien Arvin Meritor oder Bosch genannt – bei der einen oder anderen Komponente mit ihren Erfahrungen mit Rat und Tat einen Beitrag geleistet haben.
Dr. Herbert Finsterhölzl von der BMW AG erläuterte im Anschluss, welche Bedeutung das Reifen-/Fahrbahngeräusch bei der Produktionseinsatzplanung des bayerischen Fahrzeugherstellers spielt. „Seit 1980 ist uns eine deutliche Reduktion der von den bislang größten Teilschallquellen Ansaugmündung, Motor/Getriebe und Schalldämpfermündung ausgehenden Geräuschemissionen gelungen. Durch diese Erfolge wird das Reifen-/Fahrbahngeräusch mittlerweile zur dominierenden Quelle“, so Dr. Finsterhölzl. Wenn nicht gar zu einem limitierenden Faktor, denn seinen Worten zufolge verhindere derzeit diese Dominanz des Reifen-/Fahrbahngeräusches insbesondere im Frequenzbereich von knapp unter einem Kilohertz bis etwa zweieinhalb Kilohertz weitere Pegelreduzierungen. Bei Fahrzeugakustikuntersuchungen kann demnach der Anteil des Reifen-/Fahrbahngeräusches bis zu 50 Prozent des Gesamtschallpegels eines modernen Pkw ausmachen, „Nebengeräusche“ von Motor und Antrieb seien bei solchen Messungen jedoch nicht erwünscht, aber auch nicht auszuschließen. Vor diesem Hintergrund ist das Engagement des Münchner Herstellers bei dem Projekt durchaus nachvollziehbar.
Laut Dr. Jan-Welm Biermann vom ika, das vor allem für die Kapselung des Antriebstrang des Messfahrzeugs verantwortlich zeichnet, ging von BMW sogar die Initiative zur Entwicklung des „mobilen Akustikreifenprüfstandes“ aus. Was liegt da näher als auch gleich ein Auto aus der Produktion dieses Herstellers entsprechend umzurüsten? Von außen ist das Reifengeräuschmessfahrzeug auf Basis eines BMW 520i (Baureihe E39) ein ganz normales Fahrzeug geblieben, allerdings wurde der Motor durch den eines M3 mit einer Leistung von 252 kW ausgetauscht. „Damit wollten wir sicherstellen, dass auch Fahr- und Lastzustände höher motorisierter Autos mit dem Testfahrzeug abgedeckt werden können“, erklärt Dr. Biermann diesen Umbau, der zwangläufig weitere Modifikationen und Anpassungen im Antriebsstrang – Getriebe, Kardanwelle etc. – nach sich zog. „Dabei sind jede Menge Einzelanfertigungen nötig gewesen. Aber wir hatten schließlich von Anfang an gewusst, worauf wir uns bei diesem Projekt einließen“, schmunzelt Dr. Biermann. Seinen Worten zufolge ist der nun vorgestellte Fünfer nicht das erste vom ika zum Reifengeräuschmessfahrzeug umgebaute Serienauto.
Deshalb war das Institut wohl auch – wie er selbst sagt – von Anfang an in das Projekt mit eingebunden. „Ende 2002 erhielten wir den Auftrag. Anfang diesen Jahres begann der eigentliche Um- bzw. Aufbau des Fahrzeugs, der damit rund ein halbes Jahr gedauert hat“, so Biermann weiter. Die Aachener haben sich vorrangig um die Kapselung des Motors bzw. Antriebsstrangs gekümmert. „Wir haben uns für eine motornahe Kapselung entschieden“, führt Dr. Biermann weiter aus. Die Kühlung des vollständig umschlossenen Motors bzw. Getriebes erfolgt über Luft, die mittels eines Lüfters nahe der Hinterachse angesaugt wird. Sofern nicht gerade eine Messung ansteht, gelangt die Zuluft über eine elektrische Drosselklappe in die bis dorthin reichende Kapselung der Kardanwelle und vor dort weiter bis zum Getriebe und Motor, um dann als mittlerweile erwärmte Abluft mit Hilfe von zwei ebenfalls mit elektrischen Drosselklappen versehenen Lüftern wieder in die Umgebung zu gelangen.
Um die Geräusche beim Ansaugen der für den Verbrennungsprozess im Motor benötigten Frischluft zu minimieren, wurde der Kraftstofftank des Autos halbiert und in die eine Hälfte des Volumens ein Luftfilter integriert sowie diese Tankhälfte dann über einen Vor- und Hauptschalldämpfer mit dem Luftsammler des Motors verbunden. „Mit einem solchen Reifengeräuschmessfahrzeug werden nicht so weite Strecken gefahren, als dass man wirklich das ganze Tankvolumen für Kraftstoff benötigen würde“, erklärt Dr. Biermann diesen Ansatz. Ein ähnlich hoher Aufwand wurde bei der Auspuffanlage getrieben, damit der pulsierende Ausstoß der Abgase die Messungen so wenig wie möglich verfälscht. Vor-, Mittel- und Endschalldämpfer kommen den ika-Aussagen zufolge zusammen auf ein effektives Volumen von knapp 3.900 Litern. Außerdem sind die Aachener für die komplette Steuerung des Messablaufes – Belüftung aus-/einschalten während/nach einer Messung, Motor definiert aus-/einschalten bei/nach Messung des Rollgeräusches ohne Antriebsaggregat usw. – und dessen weitgehende Automation verantwortlich. Sämtliche Eingaben erfolgen über nur vier Bedientasten unterhalb des Displays im Fahrzeuginnenraum, das gleichzeitig den aktuellen Betriebszustand – Messmodus, Geschwindigkeiten, Temperaturen etc. – visualisiert.
Angesichts dieses Aufwandes ist man fast schon ein weinig enttäuscht, wenn man einen Blick in den Motorraum wirft. Zum Vorschein kommt „nur“ die Kapsel, dafür ist nach Anlassen des Motors nicht viel von diesem zu hören, sondern nur das Summen der Elektromotoren, die für die Belüftung der Motorkapselung zuständig sind. Bei der praktischen Demonstration des Messfahrzeugs vor Ort in Allach erzielte der umgebaute Fünfer-BWM bei einer beschleunigten Vorbeifahrt einen im Vergleich zum Serien-Fünfer um immerhin elf Dezibel niedrigeren Geräuschpegel. „Die Vorteile für den Kunden liegen klar auf der Hand“, so Rudolf Meier. „Durch den engen Toleranzbereich, in dem sich die Messwerte bewegen, sind die Messungen zu jeder Zeit sehr detailliert und nachvollziehbar. Die automatisierte Messablaufsteuerung reduziert die Leerfahrten auf ein Minimum, dadurch sparen die TÜV-Kunden Zeit und Kosten“, zeigt sich Meier von dem Reifengeräuschmessfahrzeug überzeugt, das ab sofort beim TÜV-Automotive-Team im Akustikmesszentrum Allach „gemietet“ werden kann.
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