Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier; „Michelin hat die maximale Reifenbreite nie überschritten“
Während sich fast alle Formel 1-Teams in Monza mit groß angelegten Tests auf den bevorstehenden Grand Prix von Italien vorbereiten, nahm Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier am Michelin-Stammsitz Clermont-Ferrand Stellung zu der von Ferrari angestoßenen Diskussion um die Breite der Vorderreifen.
Die Medien berichten über einen bei der FIA eingelegten Protest, bei dem es um die Breite der Formel 1-Reifen von Michelin geht. Worum handelt es sich dabei?
Pierre Dupasquier: „Es gab in der Tat Gerüchte über einen Protest. Daraufhin hat die FIA beschlossen, die Breite der Reifen am Ende eines Rennens zu messen, und nicht etwa vor dem Rennen, wie es bisher immer der Fall war. Im umfangreichen und komplexen Regelwerk der FIA für die Formel 1 gibt es einen Paragraphen (Anm.: Artikel 77c der Sporting Regulations), der besagt, dass ‚die Breite der Lauffläche der vorderen Reifen nicht größer als 270 mm sein darf’.“
Und hat Michelin diesen Höchstwert je überschritten?
PD: „Natürlich nicht! Unsere Reifen haben wir der FIA ab unserem Einstieg im Jahr 2001 und danach regelmäßig vorgestellt – auch vor dem Grand Prix von Ungarn. Der Weltverband hat unsere Reifen stets zum Rennen zugelassen. Die Geometrie unserer Reifen hat sich seit 2001 nicht verändert. Im Neuzustand ist die Lauffläche unserer Vorderreifen nicht breiter als 270 mm.“
Was hat sich also verändert?
PD: „Nach dem Grand Prix in Ungarn hat die FIA ihr Regelwerk neu ausgelegt: Ab sofort soll gelten, dass die Laufflächenbreite der Vorderreifen 270 mm nicht überschreiten darf – und zwar im Neuzustand wie zu jedem anderen Zeitpunkt.“
Und was meinen Sie dazu?
PD: „Sie werden mir sicher beipflichten, wenn ich sage, dass das Renngeschehen in der Formel 1 nicht durch zwei, drei oder vier Millimeter Reifenbreite mehr oder weniger beeinflusst wird. Meines Erachtens ist es nahezu unmöglich, eine objektiv ein-wandfreie Methode zur Messung der Laufflächenbreite eines Reifens nach dem Rennen festzulegen. Im Verlauf des Grand Prix verformt sich der Pneu, außerdem sammelt er Schmutz und Gummi-Abrieb auf, der auf der Strecke liegt… “
Warum ist gerade jetzt dieses Problem aufgekommen?
PD: „Das ist eine sehr gute Frage! Wir haben noch drei Rennen bis zum Ende dieser Saison, und der Kampf um die Weltmeistertitel ist so knapp und aufregend wie seit Jahren nicht. Gerade erst hat die Führung in der Konstrukteurswertung gewechselt. Man muss sich also fragen: Wer profitiert am meisten von einer solchen Aktion?“
Welche Vorteile bringt ein ‚breiter’ Reifen mit sich?
PD: „Ein Rennreifen stellt stets einen Kompromiss dar. Zum Beispiel sagte Hisao Suganuma, Technischer Direktor bei Bridgestone, kürzlich in einem Internet-Beitrag: ‚Eine breitere Aufstandsfläche verbessert den Grip an der Vorderachse. Der Bremsvorgang ist effektiver, das Handling in engen Kurven ist besser, und die Neigung zum Untersteuern nimmt ab.‘ Unser Wettbewerber hat offensichtlich eine Option mit einem breiteren Reifen getestet. Doch scheinbar hat sich Ferrari nicht für diese Lösung entschlossen. Sie sind offenbar bei der schmaleren Version geblieben, die die Aerodynamik des Fahrzeugs begünstigt.“
Was ist Ihrer Meinung nach die beste Lösung?
PD: „Wir wissen, dass schmalere Reifen für ein Auto wie den Ferrari, der bis ins kleinste Detail auf effiziente Aerodynamik hin optimiert wurde, notwendig sind. Aber wir wissen auch, dass es nicht die beste Lösung ist, die Performance der Reifen zu opfern, um das Paket aus Chassis, Aerodynamik und Pneus zu optimieren. Was Michelin betrifft, so arbeiten wir natürlich sehr eng mit unseren Partnern zusammen, um ihnen die jeweils beste Reifenlösung zu bieten. Ich denke, dass unsere Ergebnisse durchaus zeigen, dass dies die richtige Entscheidung ist.“
Und wie werden Sie angesichts dieser Situation weiter verfahren?
PD: „Die neue Auslegung der Regeln durch die FIA hat uns gezwungen zu reagieren. Sie glauben doch nicht, dass Michelin diese Herausforderung nicht annimmt? Unsere Leute haben seit Mittwoch vergangener Woche rund um die Uhr gearbeitet, so dass neue Reifen bereits jetzt in Monza getestet werden. Für jeden, der sich ein wenig in der Welt der Reifenproduktion auskennt, ist klar: Was wir da geleistet haben, ist eine enorme Kraftanstrengung, die einzig und allein dank der harten Arbeit und der schnellen Reaktionsfähigkeit unserer Teams hier in Clermont-Ferrand möglich war.“
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