Nur kurze Atempause für Goodyear – Kann Gibara noch helfen?
Mit nicht weniger als 36 Banken verhandelt der US-Reifenhersteller um eine Aufschiebung kurzfristig fällig werdender Kredite. Wie es scheint, hat CEO Keegan die ersten Hürden nehmen können; jedenfalls erst einmal bis zum Jahresende 2003 und dies auch nur dann, wenn der Konzern wenigstens sein ohnehin schon jetzt miserables Kredit-Rating nicht noch einmal verschlechtert. Durch seinen Brief an die Mitarbeiter hatte Keegan in der vorigen Woche eher ungewollt erkennen lassen wie angespannt die finanzielle Lage des Konzerns tatsächlich ist. Goodyear hat selbst die Forderungen an Kunden bereits zum größten Teil beliehen. Analysten erwarten, dass sich der Reifenhersteller blanker Not folgend auf das Kerngeschäft besinnt und alles andere meistbietend verkaufen wird, so die Sparten Engineered Products und Chemicals, deren Verkauf etwa 700 bis 800 Millionen US-Dollar bringen könnte. Aber auch das wäre noch viel zu wenig. Um weitere Kosten einsparen zu können, wird Goodyear in den USA einige Fabriken schließen müssen; Beobachter meinen sogar, dass noch in diesem Jahr vier Fabriken dicht gemacht werden. Auch auf ihrem Händlertreffen in Orlando äußerte sich Keegan ziemlich deutlich, konnte oder wollte aber keinen “großen Wurf” in Form eines großartigen Turnaround-Plan präsentieren. Keegan und Rich, President für das notleidende Reifengeschäft der Goodyear in Nordamerika, appellierten an die Händler, Goodyear jetzt nicht im Stich zu lassen. Die Bereitschaft im Handel zur Zusammenarbeit mit Goodyear scheint immer noch vorhanden zu sein, allerdings gibt es auch viel Skepsis, denn die nun so hofierten Händler hatten in der Vergangenheit nicht mehr den Eindruck, für den Reifenhersteller wichtig zu sein. Vor allem aber haben sie, so sagen es jedenfalls sehr viele bis dahin treue Goodyear-Kunden, immer wieder erleben müssen, dass Goodyear gerne und schnell Versprechungen abgab, die vermutlich nicht mal ernst gemeint gewesen seien. Allerdings sind diese Händler dennoch bereit, Keegan & Co. eine Chance einzuräumen, allerdings befürchten sie den weiteren Einfluss von Chairman Sam Gibara, der Keegan hemmen könnte, die richtigen Maßnahmen konsequent genug durchzusetzen. Die Kolumnistin Diane Evans hat neuerdings wiederum an Gibara appelliert, endlich zurückzutreten, damit Goodyear verlorenes Vertrauen der Investoren neu gewinnen könne. Ob ein solcher Rücktritt mit Blick auf die potenziellen Investoren erforderlich ist, lässt sich schwer bewerten. Fragt man allerdings im Management oder in der Kundschaft nach, so wird klar, dass keiner mehr an Gibara glaubt. Im Gegenteil: Gibara werden schwerste Fehler vorgehalten. Und selbst dann, wenn ihn nur das Glück verlassen haben sollte, wird doch sehr deutlich wie einsam Sam Gibara geworden sein muss. Wer, außer ihm selbst, glaubt noch, dass er Goodyear in der jetzigen dramatischen Lage von Nutzen sein kann? Vermutlich wird man sich in wenigen Jahren an Sam Gibara nur noch wegen dessen unbestrittener Überlebenskünste erinnern. Keine Frage, dass die Zukunft von Goodyear am seidenen Faden hängt. Es wird interessant sein zu beobachten, was Keegan zum Monatsende der Finanzwelt zu bieten hat. Keegan weiß, dass Goodyear auf Jahre hinweg noch darunter zu leiden haben wird, dass Gibara Wall Street viel versprochen und wenig gehalten hat.
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