Goodyear Deutschland: In allen Kanälen und in voller Breite
Die Verkaufsstrukturen wurden im Vorjahr unter der Führung von Dr. Rainer Schieben bereits geändert. "Weit weg vom Territorialprinzip", hieß es in Köln. Und inzwischen ist der Goodyear-Außendienst auch in allen Verkaufskanälen präsent. Im Gespräch mit der Neue Reifenzeitung berichtete Schieben Anfang Februar über erste vorhandene Erfolge, so besonders deutlich zu sehen im Winterreifensortiment.Worum geht es? Wer im Markt wachsen oder auch nur bereits errungene Marktanteile halten will, muss in allen Verkaufskanälen gleichermaßen mitmischen, anderenfalls entwickeln sich die Geschäfte zwangsläufig in die falsche Richtung. Das hat Goodyear in Deutschland eigentlich ziemlich schmerzvoll erfahren müssen. Der Aufbau eines Retailnetzes geschah vor anderthalb Jahrzehnten unter Bedingungen, die heute so im Markt nicht mehr gegeben sind. Zu lange hat die Reifenmarke Goodyear daher auf die eigene Retailkette – bestehend aus Kooperationen oder Franchising wie Premio, Quick, HMI – Rücksicht genommen bzw. zu stark allein auf diese Schiene gesetzt. Auch wenn inzwischen mit der Handelskette Holert ein weiterer großer Vermarkter unter dem Dach der Goodyear Handelssysteme (GHS) gelandet ist, reicht es für Marken, die wachsen wollen und wachsen müssen, nicht aus. Vielleicht aber ist Goodyear in Köln gegenüber der hier beschriebenen Retailorganisation in gewisser Weise nach der vorgenommenen Restrukturierung innerhalb der Goodyear Dunlop-Holding einfach auch nur freier geworden, denn die GHS untersteht den Verantwortlichen für die Reifenmarke Goodyear in Köln nicht länger, sondern sie berichtet direkt an die Managementebene, an die auch die Geschäftsführer der Goodyear, der Fulda und der Dunlop berichten. Das kann zur Folge haben, dass die Verbindung zwischen Goodyear und GHS ein Stück "normaler" wird und sich die Reifenmarke Goodyear dann "nur" noch zu einem fairen Interessensausgleich zwischen sich und den GHS-Partnern verpflichtet sieht.Aus der Sicht von Goodyear-Geschäftsführer Rainer Schieben jedenfalls ist die Marke in vielerlei Hinsicht unterbewertet und er sieht sie auch als stärker, was Image, Bekanntheitsgrad, Qualität etc. anbelangt, als dies im Moment zum Ausdruck kommt. Hoffnung macht man sich in Köln jetzt auch für das fast 20 Jahre links liegen gebliebene Geschäft mit Autohäusern. Und mit dem Tempo, in welchem Verbesserungen in diesem Kanal (Schieben: "Im Autohaus kommen wir schneller voran als bei anderen.") erfolgen, zeigt man sich in Köln nicht unzufrieden.Stärker als je zuvor bemüht sich die Marke Goodyear auch bei den Kooperationen point S und Team. Dabei ist es ja nicht so, als hätten dort bisher keine Geschäfte mit Goodyear stattgefunden, aber die Marke Goodyear war und ist jedenfalls bis heute nicht Kernmarke gewesen, die von den meisten Kooperationsmitgliedern bzw. Gesellschaftern vermarktet worden ist. Vielmehr gab es stets schon Betriebe, die Goodyear überproportional stark vermarkteten und auch Kooperationskollegen mit der Marke versorgten. Ohne diese Unternehmen weniger stark beliefern zu wollen, wird sich Goodyear dennoch um "die volle Breite" bemühen und alles daran setzen, um jedenfalls längerfristig nicht mehr wegzudenkendes Kernfabrikat zu werden. Bei Team ist Goodyear letztlich erst als Sponsor eines RTC-Events in Erscheinung getreten und bemüht sich, hier mehr als nur Flagge zu zeigen. Vielleicht ist dies ja schon so etwas wie ein neuer Anfang. Schieben: "Es liegt jetzt an uns, Theorie in Praxis umzusetzen. Die bisherige Geschäftsentwicklung lässt uns jedenfalls Hoffnung."Goodyear ist, glaubt man dem Management in Köln, jedenfalls im Aufbruch. Es reicht nicht mehr, so Schieben, "in einer Schema-F-Kundenliste geführt zu sein, wir schauen in alle Absatzkanäle und nicht nur auf Produktlinien. Wir schätzen die für uns ungenutzten Potenziale realistisch ein und sind mit weitaus mehr Interesse und auch mit höherem Druck damit beschäftigt, diese Potenziale auszuschöpfen. Das ist auch nicht zum Nachteil unserer bisherigen so treuen Kunden. Je besser die Reifenmarke Goodyear sich schlägt, je besser sie im Markt verankert ist, je besser man über sie spricht, umso besser ist es auch für unsere Kunden."Alles das gilt in erster Linie für die Vermarktung von Pkw-Reifen. Und hier setzt Schieben nicht allein auf die Standardreifen, sondern in starkem Maße auf UHP-Reifen. Mit der Bewertung der Reifen in allen nur denkbaren Reifentests kann die Marke ja auch ganz zufrieden sein und sie gilt immer noch als profilierte Premium-Marke, wenngleich die Investitionen in die Marke in der Vergangenheit eher unzureichend gewesen sein dürften. Das ficht Schieben aber nicht allzu sehr an, sondern er verweist lieber auf "das Immunsystem der Marke Goodyear". Wenn auch nicht in großen, so geschieht doch zumindest einiges in kleineren Schritten. Der abrupte Rückzug aus der Formel 1 soll wenigstens teilweise durch die Teilnahme am V8-Star-Zirkus egalisiert werden. Schieben verweist auf das Co-Sponsoring mit Adidas sowie auf das Goodyear/SAT 1-Automagazin. All diese Maßnahmen sollen nicht allein genutzt werden, um verlorenes Terrain zurückzuerobern, sondern es geht gleichzeitig auch darum, etwas anderes zu heben: die Bereitschaft von Endverbrauchern, für Goodyear-Reifen etwas mehr Geld zu bezahlen als bisher. Glaubt man Marktuntersuchungen, so ist die Möglichkeit durchaus vorhanden, wird aber vom Handel nicht optimal genutzt. Weiterhin soll der Marke eine stärkere Verankerung im Erstausrüstungsgeschäft helfen und es überrascht nicht, dass der Fokus auf "Nobelmarken" bzw. auf Autos der Oberklasse gesetzt ist. So sei das Geschäft mit Mercedes (E-Klasse) recht ordentlich und die – berechtigte – Hoffnung besteht offenbar, dass Goodyear für den neuen 5er BMW EMT-Reifen liefern könnte. Last, but not least soll zum Beispiel eine EMT-Bereifung auf dem Rolls-Royce auch für etwas Glanz auf die Marke sorgen.Einem weitaus größeren Nachholbedarf sieht sich Goodyear allerdings im Geschäft mit Nutzfahrzeugreifen ausgesetzt. Mit EMT-Reifen mag das Geschäft Spaß machen, weil es mit Kunden abgewickelt wird, die an einer beständigen Geschäftsbeziehung vorrangig interessiert sind; und nachdem die technischen Probleme (Höhenschläge) beseitigt sind, bereitet auch das Geschäft mit Landwirtschaftsreifen keine größeren Sorgen mehr. Das ist anders mit dem Lkw-Reifengeschäft.Goodyears Marktanteil liegt relativ weit unten und das liegt auch daran, dass man sich ganz bewusst von vielen nicht die Kosten deckenden Geschäften getrennt hat, um so eine Basis zu errichten, von der aus der Neuaufbau gelingen soll. Dr. Schieben zitiert mehrfach aus einer internen GfK-Studie, die im Kern wohl besagt, dass die Marke Goodyear im Markt weitaus besser gesehen und gewertet wird als es durch die derzeitige Vermarktung zum Ausdruck kommt. Letztlich will Goodyear mit vier so bezeichneten Key Accountern, die gemeinsam mit dem Handel das Geschäft betreiben sollen, im Markt vorankommen. Anders als große Wettbewerber es derzeit bereits machen, zumindest aber angekündigt haben, will man in Köln aber nicht die Geschäftsbeziehung mit Flotten und Großverbrauchern direkt gestalten und den Handel als Service-Provider einsetzen. Der Goodyear-Ansatz ist anders. Die Verbindung mit Flotten und Großverbrauchern soll intensiviert werden, so aber auch die Verbindung mit den Vermarktern von Nutzfahrzeugreifen, und mit diesen zusammen gilt es dann das für möglich gehaltene Potenzial auszuschöpfen. Dass dies angesichts der Stärke einiger Wettbewerbsmarken besser und schneller gesagt als getan ist, darüber macht man sich bei Goodyear in Köln allerdings wenig Illusionen. Auch die starke Stellung insbesondere des Markt- und Preisführers Michelin im Erstausrüstungsgeschäft mit Lkw-Reifen gibt Anlass zur Sorge. Die Verkaufspolitik für diese Reifen kann als sehr bewusste Gegenbewegung zu dem, was der Marktführer tut, gesehen werden.Für das Jahr 2003 ist Schieben jedenfalls nach wie vor optimistisch. Die Planung sei ehrgeizig, aber auch realistisch und somit darstellbar. Allerdings müsse sich die gesamte Mannschaft dennoch mächtig anstrengen und Steigerungen dort holen, wo sie möglich seien. "Wir müssen es" – so Schieben – "nur richtig und professionell machen, denn es gibt noch genug Reserven, die wir hervorholen werden im Verlaufe des Jahres." klaus.haddenbrock@reifenpresse.de
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