Euromaster übernimmt die Viborg Gruppe

Euromaster, eine hundertprozentige Tochter des Michelin-Konzerns, will die gesamte Viborg Gruppe in Europa übernehmen, sofern die Wettbewerbsbehörde in Brüssel die Genehmigung erteilt. Eine entsprechende Vereinbarung wurde am 18. Dezember 2002 unterzeichnet. Euromaster ist bereits jetzt mit 1200 Verkaufsstellen, einem Umsatz von 1,45 Milliarden Euro und 9800 Belegschaftsmitgliedern Europas größter Reifenhändler mit starken Marktpositionen in Frankreich, Großbritannien, Schweden, Finnland, Spanien und den Niederlanden. Viborg betreibt europaweit 465 Verkaufsstellen, setzte im Vorjahr gut 550 Millionen Euro um und beschäftigt 3400 Leute. Die Kosten der Transaktion wurden von Michelin mit etwa 300 Millionen Euro beziffert. Eine Sensation ist es eigentlich nicht mehr, ein Paukenschlag dennoch. Jetzt bewahrheitet sich, was viele führende Reifenhändler in Deutschland bereits immer gewusst haben wollen: Der Däne Bent Nielsen, Gesellschafter der Viborg Gruppe, sei von Anfang an nur so etwas wie das Trojanische Pferd für den Reifenhersteller Michelin gewesen. Er habe die notwendigen harten Restrukturierungen durchführen sollen, so zum Beispiel viele nicht in die Gewinnzone zu bringende Filialen sowie auch die Zentrale von Gummi Mayer in Landau schließen sollen, weil sich der Michelin-Konzern schon aus Imagegründen solche scharfen Einschnitte selbst habe ersparen wollen. Diese und ähnliche Argumente klingen plausibel, irgendwelche Nachweise für deren Richtigkeit gibt es dennoch nicht. Die Neue Reifenzeitung hat in ihrer in den kommenden Tagen erscheinenden letzten Ausgabe des Jahres 2002 eine sechsseitige Story über die Viborg Gruppe ("Die Handelskette Viborg glaubt an die Überlegenheit ihres "Circle Concept. Sie bleibt in Deutschland auf Restrukturierungskurs"), die auch über Internet (www.reifenpresse.de und dann Infopool/Reportagen/Reifenhandel) in voller Länge abrufbar ist, veröffentlicht. Darin wird die schwierige Lage des Unternehmens nicht verschwiegen. Berichtet wird von schleppenden Zahlungen mit größeren zeitlichen Verzögerungen sowie von dem schwierig gewordenen Verhältnis der Viborg Gruppe mit den Kreditversicherern. Es wird darin auch darauf hingewiesen, dass der Chef der Gruppe, Bent Nielsen (59), wegen seiner schlechten Geschäfte in Deutschland mit dem Rücken zur Wand steht. Aber es ist auch richtig, dass in dem Beitrag die Rolle von Nielsen durchaus mit Respekt und auch mit Anerkennung dessen unternehmerischer Leistung beschrieben wird, dessen Geschäftsmodell mehr als nur Charme hat nach Ansicht dieser Zeitschrift; allerdings hat es -das war offenbar geworden- in dieser von Nielsen beschriebenen und gewollten Form nicht, oder noch nicht funktioniert. Möglicherweise war die finanzielle Grundausstattung von Anfang an aber zu schwach. Es gab deutliche Anzeichen einer sich abzeichnenden grundlegenden Veränderung. Nielsen, der bis dahin 51 Prozent der Anteile hielt, hatte seine Partner Legal & General Ventures Ltd. vor einigen Wochen voll ausgekauft und sich und Michelin damit freie Hand verschafft für den nun geplanten Deal. Nach Ansicht dieser Zeitschrift ist Nielsen das so bezeichnete Trojanische Pferd in Diensten der Michelin allerdings nicht gewesen. Man muss daran erinnern, in welchem wirtschaftlichen Umfeld der Einkaufsfeldzug gestartet worden ist. Viele Capital Ventures hatten Geld zur Verfügung oder konnten es doch über Kredite besorgen. Das sollte genutzt werden, um die Reifenhandelsketten Stinnes, Gummi-Mayer und noch ein paar weitere aufzukaufen, um das so entstehende größere Gebilde dann an die Börse bringen zu können. In diesem Moment gehen die Capital Ventures mit einem Gewinn von nicht wenigen Millionen Euro normalerweise wieder aus dem Geschäft heraus. Wie leicht es war, auch ohne Nachweis einer guten geschäftlichen Basis an anderer Leute Geld kommen zu können, machten die ehemaligen Vergölst-Geschäftsführer Prüfer und Binder, denen der Abschied vom seinerzeitigen Continental-Chef Dr. Kessel dringend nahegelegt worden war, sehr deutlich. Für zehn Prozent einer da erst fast ausschließlich auf dem Papier äußerst geringe Geschäfte abwickelnden Internetfirma bekamen die beiden Herren von einer Tochter der Deutschen Bank mal eben sechs Millionen Mark. Es gehört nicht viel Phantasie dazu festzuhalten, dass im Geschäft mit Reifenvermarktung über das Internet von diesem Unternehmen nichts verdient wurde bisher und auch die Umsätze so bescheiden geblieben sind, dass vermutlich nur die Tochtergesellschaft der Deutschen Bank weiß bis heute wofür sie Geld gegeben hat. Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass bei vielen "Start Ups" Geld einfach "verbrannt" worden ist, während das vorliegend nicht geschehen sein soll. Nachdem sich die wirtschaftliche Rahmenverhältnissen total verändert haben, die Börsen zusammengebrochen sind und seitdem klar ist, dass eine Reifenhandelsgesellschaft jedenfalls derzeit nun wirklich nicht mit großer Aussicht auf Erfolg einen Börsengang starten kann, war das ursprüngliche Ausstiegsszenario für die Legal & General Ventures Ltd. nicht mehr gegeben. Gegen die Annahme, der Michelin-Konzern habe von Anfang an die nun angestrebte Übernahme geplant, spricht auch das teilweise chaotische Vorgehen der Viborg-Gruppe in Deutschland in den letzten Monaten. Nahezu jedermann innerhalb, aber auch außerhalb der Gruppe spürte die finanzielle Schieflage und die erheblichen Liquiditätsprobleme waren mit den Händen zu greifen. Diese hohen Restrukturierungskosten waren insbesondere durch die von Gummi Mayer erworbenen Betriebe verursacht worden. Die Stunde der Wahrheit schlägt dann aber ganz schnell, wenn man in eine Abschwungphase stolpert. Hiervon konnte sich die Gruppe nur sehr schwer erholen. Nach einer Schätzung dieser Zeitschrift dürfte die Viborg-Gruppe in Deutschland in den Geschäftsjahren 2000 und 2001 insgesamt mindestens 20 Millionen Euro verloren und auch für dieses Jahr weitere erhebliche Verlust zu verkraften haben. Die Geschäfte in Österreich lassen ebenfalls sehr zu wünschen übrig, während die Gruppe in Dänemark, Frankreich und vor allem den Niederlanden sehr erfolgreich agiert. Obwohl das Due Diligence-Verfahren noch gar nicht abgeschlossen sein kann, ist doch heute bereits klar, dass Bent Nielsen nicht als gescheiterter Unternehmer zurückbleibt. Die beiden sehr modernen Recyclingfabriken in Dänemark und Oranienburg (nicht aber die Runderneuerungsaktivitäten der Gruppe) bleiben in seinem Besitz und man kann annehmen, dass ihm nicht wenige Millionen Euro bleiben werden aus dem Verkauf seiner Anteile an Michelin. Zuletzt hatte es sogar vereinzelte Gerüchte gegeben, dass der Bridgestone-Konzern, der sich nunmehr voll und ganz auf den Ausbau seiner Marktpositionen in Europa konzentrieren will und zu diesem Zweck hohe dreistellige Millionenbeträge in Euro zu investieren gedenkt, auch an einer Übernahme interessiert sein könne. Das aber ist für Michelin ein regelrechtes Horrorszenario. Da ist es den Franzosen vielleicht noch etwas leichter gefallen die Transaktion zu starten, für die sie immerhin eigenen Angaben zufolge 300 Millionen Euro aufzubringen haben. Diese Summe dürfte dann sämtliche Verbindlichkeiten plus den Preis für die Anteile an der Unternehmensgruppe abdecken. Viborg reklamiert europaweit einen Marktanteil für Pkw-Reifen von zwei Prozent, während dieser bei Lkw-Reifen immerhin rund vier Prozent beträgt; bezogen allein auf Deutschland hält Viborg einen Marktanteil von circa 12 Prozent bei Lkw- und knapp fünf Prozent bei Pkw-Reifen. Euromaster ist als Vermarkter von Nutzfahrzeugreifen sehr stark und kommt europaweit auf einen Anteil von knapp zehn Prozent, während es bei Pkw-Reifen rund sechs Prozent sein dürften. Insgesamt könnte Michelin somit, sobald die Übernahme genehmigt ist, über die eigene Handelskette einen Marktanteil im europäischen Ersatzgeschäft von 14 Prozent (Lkw-Reifen) bzw. von sieben bis acht Prozent (Pkw-Reifen) kommen. Unklar ist bis zur Stunden noch, ob der Name Viborg im Markt erhalten bleibt oder ob die Viborg-Betriebe unter das Euromaster-Dach geführt werden, so dass es europaweit nur einen einzigen einheitlichen Auftritt, eine einheitliche Corporate Identity, geben wird. Erst Ende November war Vincent Rousset-Rouvière (38), bis dahin Verkaufs- und Marketingdirektor für die europäischen Ersatzmärkte des Michelin-Konzerns, zum neuen Chef von Euromaster ernannt worden. Sollte die Übernahme durch die europäischen Wettbewerbsbehörde genehmigt werden, und dagegen sprechende Gründe rechtlicher Art sind nicht zu sehen, entsteht bei Michelin eine Handelsgruppe mit einem Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro, die in dann 1665 Betrieben 13.200 Menschen beschäftigt. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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