Goodyear im tiefen Tal – Hoffnung auf Keegan
Seit 1. Oktober ist es offiziell: Der vor zwei Jahren von Kodak als President und Chief Operating Officer zur Goodyear gewechselte Robert ("Bob") J. Keegan (55) löst Samir ("Sam") Gibara (63) zum 1. Januar 2003, damit ein knappes Jahr früher als gedacht, als Chief Executive Officer ab. Gibara bleibt Chairman, vergleichbar dem Aufsichtsratsvorsitzenden einer europäischen Aktiengesellschaft, und führt ein Executive Committee, das Keegan beraten und zur Seite stehen soll. Offiziellen Statements lässt sich entnehmen, dass dieses Committee nicht lediglich Aufsicht führen soll und will, sondern verstärkt mit Ratschlägen in die Konzernführung aktiv einzugreifen gedenkt. Wenn das so geschieht, ist dieses Committee nicht etwa nur vergleichbar mit dem in europäischen Aktiengesellschaften anzutreffenden Präsidium des Aufsichtsrates, das im Grunde alle Entscheidungen bereits vorbereitet hat, bevor der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit lediglich noch formell die Zustimmung erteilt, sondern wäre als zweites Lenkungsinstrument zu verstehen, das nötigenfalls aktiv in die Geschicke des Konzerns eingreifen und die nahezu unbegrenzte Macht begrenzen kann, die CEOs amerikanischer Kapitalgesellschaften haben. Der Wechsel an der Spitze wurde bereits jetzt für erforderlich gehalten, weil sich das Unternehmen in einer außerordentlich schwierigen Phase befindet und das Vertrauen von Wall Street einstweilen nicht mehr besitzt, weil – so jedenfalls die Meinung von Analysten – Gibara in den letzten Jahren zu viel versprochen und zu wenig gehalten habe. Andererseits dürfte der jetzt angekündigte Wechsel aber auch im Interesse Gibaras gelegen haben, denn vom ersten Tag des kommenden Jahres an wäre er, da sein Rücktritt zum Oktober 2003 ohnehin erwartet worden war, nur noch ein CEO auf Abruf gewesen und möglicherweise zu einer "lame duck" geworden. Das Timing liegt ebenso im Interesse von Robert Keegan, weil nun Klarheit herrscht in der gesamten Führungsriege, die bisher immer noch vorsichtig abgewartet hatte, wie die Entscheidung letztlich lauten würde. Taktische Spielereien und vorsichtiges Abwarten auf allen Ebenen des Goodyear-Managements machen keinen Sinn mehr. Im Folgenden sollen ein paar Wege des Noch-CEO Samir Gibara nachgezeichnet und es soll festgestellt werden, wo der Konzern heute steht, ob sich die Strategie ausgezahlt hat, ob wirklich Shareholder Value geschaffen wurde und was es dem Unternehmen genutzt hätte, was an die Stelle einer nicht erfolgreich umgesetzten Wachstumsstrategie tritt, welche Aufgaben auf Keegan warten und welche Probleme er lösen muss und wie gut der Konzern strategisch ausgerichtet ist. Doch dem Konzern bleibt jetzt gar keine Zeit für eine langfristige Vorausschau, denn kurzfristig zu lösende Probleme beanspruchen alle Aufmerksamkeit. Goodyear hat im kommenden Jahr einige hundert Millionen US-Dollar für zurückliegende Käufe zu zahlen und das Problem mit der Unterdeckung des Pension Fund in Höhe von etwa einer Milliarde US-Dollar brennt von Monat zu Monat heißer auf den Nägeln. Auf dem Heimatmarkt USA ist Goodyear in einer deutlichen Schieflage, die den ganzen Konzern noch in allerheftigste Schwierigkeiten reißen kann, denn ein weiterer Verlust von Marktanteilen ist etwas, was dieser Konzern in seiner momentanen Verfassung gar nicht gebrauchen kann.
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