Goodyear restrukturiert den Vertrieb in Deutschland
Bisher war Goodyear eigentlich in großen Teilen des Handels zumindest unterrepräsentiert. Der Hersteller hat sich über seine Handelstochter GHS (Goodyear Handelssysteme) eine relativ breite Basis schaffen können be-stehend aus HMI-Händlern (Handels/Marketing/Initiative), Premio und Quick. Seit Abschluss des Jointventures mit Dunlop haben Goodyear-Reifen auch einen besseren Zugang zur Handelskette Holert. Doch alles das reicht eigentlich nicht, um die Ansprüche eines Reifenherstellers erfüllen zu können, der für sich die Nr.1-Position in der Welt reklamiert. Denn die zur Verfügung stehende Produktpalette macht natürlich Lust auf mehr, vor allem aber muss das Produktmix spürbar verbessert werden. Da aber befinden sich nicht allein mit Dunlop und Fulda zwei Schwestermarken im Markt, die dasselbe wollen, sondern mit Bridgestone und Michelin auch zwei Anbie-ter, die sich an jedem zweiten Wochenende millionenfach in Erinnerung bringen und die auch ansonsten sehr stark in ihren Marketingbemühungen sind. Mit weniger als derzeit 10 Prozent Marktanteil im deutschen Reifen-ersatzgeschäft kann sich das Duo Dr. Rainer Schieben und Frank Titz nicht zufrieden geben. Das Marktpotenzial jedenfalls sollte vorhanden sein, fraglich nur, ob und wie es gehoben werden kann.Goodyear hat in den letzten zehn Jahren einerseits bestimmt einen sehr herausragenden Job gemacht, indem man sich auf Geschäftsbeziehungen mit Händlern eingelassen hat, die nicht nur am Rande die Marke Goodyear be-rücksichtigen, sondern diese Marke als ihre Führungsmarke in quantitativer und qualitativer Hinsicht betrachten. Doch dürfte dieses Potenzial nur noch sehr schwer und auch nur sehr langsam zu erhöhen sein. Gleichzeitig aber steht auch fest, dass Goodyear in weiten Teilen des Handels unterrepräsentiert ist. "Bei den Kooperationen sind wir eher schlecht vertreten", räumt Dr. Schieben im Gespräch mit der Neue Reifenzeitung in aller Offenheit selbst ein. So sei man bei point-s im Grunde gar nicht gelistet und auch das auszuschöpfende Potenzial lasse bei Team und VRG schon deshalb mächtig zu wünschen übrig, weil längst nicht alle Kooperationspartner sich für Goodyear entscheiden hätten, sondern dies eher vereinzelt der Fall sei. Dieses Potenzial aber, dazu das bei regio-nalen Händlern, Tunern, Großhändlern und last but not least dem Autohaus, muss erst einmal erschlossen wer-den, wenn sich der Marktanteil signifikant nach oben bewegen soll.Mit Hilfe der nun neuen Vertriebsstruktur soll das auch gelingen. Für Verkaufsdirektor Frank Titz ist so viel klar: "Veränderungen müssen immer auch im Kopf stattfinden und dass wir den harten und schweren Weg gehen müssen, ist nun mal so. Die Abkehr vom Territorialgebiet hin zum Absatzkanal, wenn man so will also zur Channel-Orientierung, wird uns dabei schon deshalb helfen, weil Verkäufer, die sich um ein bestimmtes Territo-rium bisher kümmern mussten, sich natürlich schon aus wohl verstandenem eigenen Interesse immer dort am stärksten einsetzen, wo sie am meisten verlieren können."Goodyear versteht sich somit heute mehr denn je als eine Führungsmarke, die an weitaus mehr Plätzen ver-marktet werden soll als es bisher der Fall war. Die besten Produkte helfen wenig ohne gleichzeitig auch starke Distributionsbasis und ein Marktanteil unterhalb des zweistelligen Bereichs ist schon aus Gründen des Selbstver-ständnisses nicht akzeptabel und so lange nicht an nahezu allen wichtigen Points of Sale Goodyear-Reifen mon-tiert werden, lässt sich der Anteil im Ersatzmarkt nicht schnell und markant genug verbessern.Ein wenig anders verhält es sich im Geschäft mit Autohäusern, das von Goodyear lange, viel zu lange, nicht konsequent genug bearbeitet worden ist. Vielleicht ist man da im Bemühen, es den vertraglich gebundenen Part-nern von Premio, HMI und Quick allzu recht zu machen, lange Zeit zu zaghaft geblieben. Eine Änderung ist aber im Autohausgeschäft mit Sicherheit nicht über Nacht zu erzielen. Das liegt nicht allein an Versäumnissen (ei-gentlich sind es keine Versäumnisse, denn es war eben Teil einer Strategie, sich nicht allzu stark ins Autohaus treiben zu lassen) innerhalb des Vertriebs, sondern wohl auch daran, dass die Reifenmarke Goodyear in Deutschland jedenfalls über eine -im Vergleich zu Continental, Pirelli, Dunlop, Michelin & Co.- nur sehr über-schaubare Anzahl technischer Freigaben verfügt und eben nicht die Stellung als "Entwicklungspartner der Au-tomobilindustrie" für sich beanspruchen kann. Richtig ist zwar, dass neuerdings eine Freigabe für die neue E-Klasse vorliegt und ein Anfang gemacht ist, aber der Weg ist dennoch sehr lang.Aber man kann auch Versäumnisse der Vergangenheit in Vorteile umdeuten. Wo man wenig hat, kann man kaum etwas verlieren, im Gegenteil: richtig gemacht, erwarten den Hersteller dort die höchsten Zuwachsraten. Ob es zu Reibereien mit der bisher bevorzugten Klientel von HMI, Premio und Quick kommt, wir man abwarten müssen. Jedenfalls werden sich diese "Blöcke" oder auch Kundengruppen gegenseitig aufmerksam beobachten.Wenn man bei Goodyear vom "kundenwertorientierten Kunden-Management" spricht bzw. von einer Änderung weg vom "geographischen zum absatzorientierten Vertrieb" so hört sich dies schon etwas kompliziert an. Da-hinter steckt aber eigentlich nur dieses:Für die Bereiche Retail gibt es jetzt zwei Verkaufsleiter, die ihre Geschäfte sowie die ihnen unterstellten Ver-kaufsberater von Hannover aus steuern. Jens Thiel hat die Verantwortung für Premio und Holert, während Jens Krüger die volle Verantwortung für den Kunden HMI übernimmt. Und volle Verantwortung beinhaltet die Aus-schöpfung des Vermarktungspotenzial beim Kunden, den entsprechenden Goodyear-Anteil sowie auch, beson-ders wichtig, den erforderlichen Rohertrag. "Was verdienen wir bei dem Kunden?" Diese Frage stellt Dr. Schie-ben seinen Leuten permanent. Wenn die Antwort "nichts" oder "zu wenig" lautet, hat es wenig Sinn, dem Kun-den nachzujagen.Der Goodyear-Kunde Team wird von Verkaufsleiter Werner Heinrich betreut, ebenfalls von Hannover aus, wäh-rend der Kanal Autohaus vom ehemaligen Conti-/Vergölst-Mitarbeiter Andreas Scheiba gemanagt werden soll, der seinen Sitz in Berlin hat. Von Stuttgart aus werden die Verkaufsleiter Ralf Schicke (regionale Händler) und von Verkaufsleiter Martin Schröder die namentlich nicht genannten Kooperationen betreut werden. Und auch dies muss noch einmal festgehalten werden: Es geht nur um die Marke Goodyear; sogenannte Associated Brands (Debica/Sava z.B.) werden separat vermarktet.Zusammenfassend wird man zu beobachten haben wie nicht nur der Markt, sondern auch die eigenen, allen vor-an die betroffenen Mitarbeiter, die Restrukturierung aufnehmen. Es ist durchaus richtig, so wie es Frank Titz ausdrückte, dass alle Verkäufer dieser Welt sich in ihrem Bezirk/Gebiet in erster Linie um die Kunden kümmern, bei denen sie auch am meisten verlieren können. Da fällt es dann auch schwer, sich um andere Absatzstellen zu kümmern, weil immer die Angst mitfährt, den großen Kunden behindern und verärgern zu können, selbst wenn Ängste dieser Art in den allermeisten Fällen unbegründet sein sollten. Man kann aber auch nicht übersehen, dass Gebietsvertreter im Laufe der Jahre viele persönliche Kontakte aufgebaut haben, die bei einer Restrukturierung wie der vorliegenden dann nicht mehr zum Tragen kommen. Es wird also wesentlich sein, durch die neue Struktur mehr zu gewinnen als man andererseits eigentlich ganz zwangsläufig auch verlieren wird. Die Verant-wortlichen bei Goodyear werden nicht nur nach außen hin, sondern auch innerhalb der eigenen Organisation zunächst noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten haben.
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