Schwere Stunden für Ford und Firestone beim Kongress-Hearing
Die Ford- und Bridgestone/Firestone-Chefs Jacques Nasser und John Lampe mussten sich einige unangenehme Fragen beim Kongress-Hearing zum Konflikt um Firestone-Reifen auf dem Ford Explorer gefallen lassen. Nasser beschrieb den Explorer als eines der sichersten Fahrzeuge des SUV-Segmentes und führte aus, dass im Rahmen des neuerlichen Rückrufes von weiteren 13 Millionen Firestone-Reifen bereits eine Million ausgetauscht worden sei. Der Vorsitzende des Ausschusses für Energie und Handel sowie Verkehr "Billy" Tauzin (Louisiana) enthüllte, dass ihm Daten vorliegen, nach denen eine der alternativ angebotenen Reifenmarken, die im Rahmen des Rückrufes montiert werden, eine fast 25-fach höhere Ausfallquote (124 Reifen pro Million) gehabt habe als die zuvor montierten Firestone-Reifen vom Typ Wilderness (fünf von einer Million Reifen) und stellte die Frage in den Raum, ob nicht gute gegen schlechte Reifen gewechselt werden. Tauzin erklärte, Untersuchungsbeamte des Kongresses würden den Verlauf des Reifenaustausches genau prüfen und Ergebnisse in einem Monat präsentieren. Nasser führte aus, dass der Rückruf zwar sehr extensiv sei, aber auf Sicherheitsaspekten basiere und der Wiedererlangung des öffentlichen Vertrauens diene. Sollten sich irgendwelche Probleme mit den gewählten Austauschreifen ergeben, werde Ford darauf reagieren. In welcher Form, sagte er nicht. Er habe jetzt das erste Mal von solchen Zahlen gehört, werde darauf aber sofort und nicht erst nach dreißig Tagen handeln – sofern die Tauzin vorliegenden Daten korrekt seien. Und er fügte einen Seitenhieb hinzu, dass das Komitee früher Ford (beim ersten Rückruf von 6,5 Millionen Reifen im letzten Sommer) getadelt habe, weil man zu langsam handle, und jetzt (beim Rückruf weiterer 13 Millionen Reifen) zu schnell. Tauzin kritisierte aber auch Bridgestone/Firestone für den Versuch Ford anzuklagen und die Sicherheit des Explorer in Zweifel zu ziehen, um von Reifenproblemen abzulenken. Schließlich gehe es um Laufflächenablösungen bei den Reifen, erinnerte er, die das Fahrzeug in gefährliche Situationen bringen. Für sein Unternehmen erklärte John Lampe erneut, dass Ford dem Reifenhersteller niemals Datenmaterial über fehlerhafte Reifen überlassen habe und Untersuchungen seiner Firma ergeben hätten, dass Reifenprobleme nur aufgetaucht seien, wenn die Reifen auf dem Explorer montiert gewesen seien. Der stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses Michael Jackson erklärte, die Untersuchungen zum aktuellen Rückruf bis Ende nächster Woche abzuschließen und die Ergebnisse in einem Monat vorlegen zu wollen. Die Untersuchungsbehörde würde auch überprüfen, ob der Explorer zu weitergehenden offiziellen Untersuchungen herangezogen werden sollte. Presseberichten zufolge habe Nasser nach der Anhörung seinem Widerpart Lampe die Hand geschüttelt und sei dann mit einem Ford Explorer davon gefahren – auf Goodyear-Reifen. Statement von John Lampe, CEO Bridgestone/Firestone USA [7/2001]Bridgestone/Firestone-Chef John Lampe sagte gestern vor dem Congress zum Reifenrückruf von Ford aus. Sein Unternehmen habe seit einem Jahr mächtig kämpfen müssen und sei dadurch noch empfänglicher hinsichtlich Verbraucheranforderungen geworden als es ohnehin bereits gewesen sei. Er und die 45.000 Mitarbeiter in den USA täten alles, was nötig und richtig sei. Das Unternehmen baue sichere Reifen von hoher Qualität und sei voll damit beschäftigt, verlorenes Vertrauen für die Marke Firestone zurückzugewinnen. Und obwohl man hart getroffen sei, werde man das Ziel dennoch erreichen.Lampe: "Lassen Sie mich zuerst über Reifen reden. Ich versichere Ihnen, dass alle Firestone-Reifen auf den Straßen vollkommen sicher sind. Und die aus dem täglichen Einsatz gewonnenen Daten bestätigen das. Die 13 Millionen Firestone-Reifen, die Ford nun austauscht, haben eine Reklamationsrate von 0,009 Prozent, das sind neun Reifen pro eine Million Reifen. Und die meisten dieser reklamierten (Laufflächenablösungen) Reifen liefen auf dem Ford Explorer. Der identische Reifen ist auch auf dem Ford Ranger, hier allerdings sind die Reklamationen acht Mal niedriger als auf dem Explorer. Damit nicht genug. Wilderness AT-Reifen auf GM-Fahrzeugen haben lediglich zwei Reklamationen (Laufflächenablösungen) gehabt, obwohl 3,1 Millionen Reifen an GM geliefert worden sind. Und in beiden Fällen ist es zudem nicht zu Unfällen gekommen. Ferner haben ganze Reifenlinien, die Ford nun ersetzt, nicht einen einzigen Ausfall gehabt. Klar ist, dass der Ersatz guter Reifen durch andere lediglich ein Ablenkungsmanöver von Ford ist und mit Erhöhung von Kundensicherheit nichts zu tun hat."Lampe berichtete sodann von verschiedenen Tests, die alle gezeigt hätten, dass die Reifen sich innerhalb der Industrienorm verhalten hätten und oftmals besser abgeschnitten hätten als die der Wettbewerber. Alle Tests zeigten, dass Firestone-Reifen sicher seien, und man habe das notwendige Material verfügbar, um dies auch beweisen zu können.Schwere Anschuldigungen gegen Ford erhob Lampe sodann. Er warf dem Automobilhersteller vor, im besten Fall unprofessionell, im schlimmsten Fall irreführend getestet zu haben. Lampe: "Ford nahm neue Goodyear-Reifen und verglich die Resultate mit alten Firestone-Reifen, von denen einige schon neun Jahre alt waren. Wenn man aber Reifen gleichen Alters miteinander vergleicht, dann zeigen selbst die Ford-Untersuchungen, dass Firestone-Reifen keinesfalls schlechter, in vielen Fällen gar besser als Goodyear-Reifen abgeschnitten haben."Nachdem Lampe die Methode der Temperaturmessungen durch Ford als falsch klassifiziert hatte, bezog er sich auf einen Bericht im Wall Street Journal, das herausgefunden hatte, dass Reifen unterschiedlicher Tragfähigkeit und mit unterschiedlichen Luftdrücken gegeneinander getestet worden seien, doch man müsse wohl verlangen dürfen, dass Äpfel mit Äpfeln verglichen würden.Lampe: "Herr Vorsitzender, ich muss auch dieses sagen: Es ist etwas nicht in Ordnung mit dem Explorer. Unsere Testdaten und die uns zur Verfügung stehenden Unfalldaten beweisen das. Als ich letztes Jahr hier war, habe ich bereits gesagt, man könne alle unsere Reifen vom Explorer nehmen und dennoch würden die schweren Überschlagunfälle weiterhin geschehen. Und unglücklicherweise geschieht ja genau das. Aber es hätte nicht so kommen müssen. Wir von Firestone baten Ford um Zusammenarbeit, so dass wir gemeinsam das Auto und die Reifen untersuchen konnten. Aber Ford lehnte das ab. So hatten wir letztlich gar keine andere Wahl als unseren Weg allein zu gehen. Und so, Mister Chairman, sehen die Fakten aus: Luftdruckverlust oder Laufflächenablösungen sollten nicht dazu führen, dass die Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren. Der Fahrer sollte an den Straßenrand fahren können statt sich zu überschlagen. Selbst Fords eigene Experten, Car Engineering, sind da mit uns einer Meinung.Dr. Dennis Guenther, einer der anerkanntesten Fahrwerk-Experten des Landes, der schon oft mit der Behörde zusammengearbeitet habe, habe Übersteuerungsprobleme nachgewiesen, die zum Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug selbst bei normalen Geschwindigkeiten auf den Autobahnen nach einer Laufflächenlösung führten. Im übrigen seien die Ergebnisse von Guenther auch durch offizielle Statistiken belegt. So habe die Florida Traffic Crash Database schon 1994 gezeigt, dass sich Explorer doppelt so oft überschlagen haben bei Unfällen (die nicht auf Reifenschäden zurückgehen) als die Fahrzeuge von Wettbewerbern. Lampe bezog sich ferner auf neueste Berichte der Verbraucherschutzbehörde in Venezuela. Seit Mai letzten Jahres habe es weitere 43 gerichtlich erfasste Unfälle mit Explorer-Überschlägen gegeben und immer seien auf der Reifenseite nur Wettbewerber von Firestone involviert gewesen.Lampe: "Niemand kümmert sich mehr um die Sicherheit der Menschen, die auf Firestone-Reifen fahren, als wir. Wir übernehmen die volle Verantwortung für unsere Produkte. Wir nahmen einen massiven Reifenrückruf im letzten Jahr vor und nun nehmen wir uns das Recht, harte Fragen bezüglich der Sicherheit des Explorer zu stellen. Einer unserer größten Industriepioniere sagte: "Finde keine Fehler, bringe die Dinge in Ordnung. Von Anfang an hat Ford aber nur Fehler finden wollen und uns als Reifenhersteller bezichtigt. Andererseits haben wir immer wieder betont, dass es sich keinesfalls um eine Reifensache allein handeln kann, sondern um ein Zusammenspiel zwischen Fahrzeug und Reifen, das gründlich untersucht werden muss, wenn es denn Lösungen geben soll. Übrigens, der Mann, der Lösungen und eben nicht Fehler suchen wollte, war Henry Ford. Ich würde gern sagen können, dass Ford einer unserer besten Kunden ist und ich hoffe sehr, dass dies eines Tages auch wieder möglich sein wird. Aber dieser Tag wird nicht kommen, bevor Ford alle harten Fragen bezüglich des Explorer beantwortet hat. Und diese Fragen bedürfen einer Antwort: Warum neigt der Explorer zu Überschlägen nach Reifenpannen? Warum ist der Explorer nach Laufflächenablösungen viel schlechter zu kontrollieren als andere vergleichbare Fahrzeuge? Wenn es denn bloß eine Reifensache wäre, warum ereignen sich Explorer-Überschläge in großer Zahl, selbst nachdem Firestone-Reifen durch Wettbewerbsreifen ersetzt worden sind? Warum laufen unsere Reifen auf allen anderen Fahrzeugen problemlos? Firestone wird mit der Regierung zusammenarbeiten und alle Fragen beantworten und ich rufe Herrn Nasser und Ford auf, NHTSA-Untersuchungen, die das Fahrzeug betreffen, ebenso zu unterstützen.
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