Bridgestone Bandag setzt jetzt auf Zwei-Marken-Strategie

Das Geschäft auf dem europäischen Runderneuerungsmarkt unterliegt zentrifugalen Kräften. Während einerseits gerade Neureifenhersteller mit ihren Angeboten an heißrunderneuerten Reifen als Ergänzung zum Sortiment ihrer Neureifen das obere, das wachsende Premiumsegment mehr und mehr in Beschlag nehmen, konzentriert sich ein weiterer großer Nachfrageanteil zunehmend auf das vermeintliche Budgetsegment des Marktes. In beiden Segmenten ist der Wettbewerb groß, während auch Anbieter aus dem mittleren Qualitätssegment zunehmend unter Druck geraten und versuchen, sich ebenfalls neu zu positionieren und – gerade an den Flanken ihres Marktes – breiter aufzustellen. Das neueste Unternehmen, das nun ganz klar eine Multi-Brand-Strategie einführt, ist Bridgestone Bandag. Während man mit der „Premiumrunderneuerungsmarke Bandag“ natürlich die starke Position am oberen Ende des Marktes halten und gerne sogar ausbauen möchte, hat man nun eine neue Produktlinie für den Budgetmarkt aufgelegt: „Protread by Bandag“. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutern die Verantwortlichen ihre Pläne und Beweggründe.

button_retreading-special-schriftzug-jpg Dieser Text ist im März 2014 in unserer zweisprachigen Redaktionsbeilage “Retreading Special” erschienen, die Abonnenten auch hier als E-Paper lesen können.

Nachdem Bridgestone Bandag in Europa in den vergangenen Jahren schon mehrfach an seiner Markenstruktur gearbeitet hat, habe man nun diesen Prozess abgeschlossen. Bekanntermaßen hatte Bridgestone 2007 zur Überraschung vieler im Markt Bandag gekauft und war damit zuallererst seiner Interessenpolitik in Nordamerika gefolgt. Die Aufgabe für die Verantwortlichen in Europa in den Folgejahren war klar, aber überaus kompliziert: Man musste die Marke, das Produktsortiment, das Netzwerk an Franchisepartnern sowie zuletzt auch die Produktionsstätte im belgischen Lanklaar in die eigene Organisation integrieren, so dass dadurch eine nachhaltige und beiderseits erfolgversprechende Entwicklung möglich wäre.

An dieser Stelle haben wir in den vergangenen Jahren bereits mehrfach über die Versuche von Bridgestone Bandag berichtet, die Integration zu vollziehen und eine marktgerechte und zu den Zielen des Unternehmens passende Markenstrategie zu etablieren. Nun melden die Verantwortlich in Brüssel bei Bridgestone Bandag Vollzug, wie Steven Janssens gegenüber dieser Zeitschrift erklärt. Der Manager Retread in der Europazentrale des japanischen Reifenherstellers ist überzeugt, dass die aktuell verfolgte Zwei-Marken-Strategie mit „Bandag“ und „Protread by Bandag“ dem Unternehmen eine feste Verankerung in beiden wichtigen Wachstumssegmenten des europäischen Runderneuerungsmarktes erlaubt.

Die Heißrunderneuerung spielt für Bridgestone aktuell keine große Rolle; im Wesentlich setzt der japanische Reifenkonzern auf das Verfahren der Kaltrunderneuerung

Die Heißrunderneuerung spielt für Bridgestone aktuell keine große Rolle; im Wesentlich setzt der japanische Reifenkonzern auf das Verfahren der Kaltrunderneuerung

Für Bandag sei die Entscheidung, sich auch ganz gezielt dem Budgetmarkt zuzuwenden, keine einfache gewesen, betont Janssens. Seit jeher gilt die Marke unter Runderneuerern und auf dem Markt als das Premiumprodukt der (Kalt-)Runderneuerung schlechthin. Entsprechend musste man befürchten, der Marke Schaden zuzufügen, wenn man ihr eine vermeintlich geringerwertige Marke an die Seite stellen würde, ohne dies richtig anzustellen. Seit der Übernahme von Bandag durch Bridgestone vor mittlerweile acht Jahren hat man in der Europazentrale schon den einen oder anderen Versuch unternommen, das Markensortiment auszuweiten. Zuletzt bot Bandag eine eigene „ValueLine“ an, die man im Übrigen bereits 2006 eingeführt hatte.

Ohne Frage ist im Kreis der Bandag-Partner in Europa über die Jahre aber eine Struktur gewachsen, die maximal als „industrienah“ betrachtet werden darf, richtigerweise aber wohl als „von der Industrie unabhängig“ gelten muss. Da die Polarisierung des Marktes in den vergangenen Jahren aber deutlich gewesen ist und die Professionalisierung unter den Flottenbetreibern ebenfalls vorangeschritten ist, wozu eben auch immer die zunehmende Nähe zu den Neureifenherstellern gehört, sind vermeintlich industrieunabhängige Runderneuerer bereit gewesen, sich entsprechend anzupassen und den Wandel nach der Bandag-Übernahme in großen Teilen mitzumachen. Dass sie dabei den weltgrößten Reifenhersteller an ihrer Seite haben, bedeutet nicht zuletzt großes Wachstumspotenzial – auch in der Runderneuerung.

Dass die stetig zunehmende Nähe zu Bridgestone und zum Bridgestone-Lkw-Reifensortiment mit Bandag aber auch als Überlebensstrategie eingeordnet werden kann, steht außer Frage. Natürlich: Bandag zählt immer noch zu den Marktführern auf dem Runderneuerungsmarkt – in Europa sowieso, aber auch weltweit. Allein in Europa nehmen die Verantwortlichen bei Bridgestone Bandag für sich einen Marktanteil von aktuell 16 Prozent in Anspruch, wobei der Gesamtmarkt aktuell auf rund sechs Millionen runderneuerte Reifen geschätzt wird. Der Marktanteil, den Bridgestone Bandag danach auf dem Markt für Kaltrunderneuerungen einnimmt, sollte folglich mehr also doppelt so hoch sein. Die Bridgestone-eigene Heißrunderneuerung in Großbritannien und Frankreich (Bulldog resp. SLBR) macht bekanntermaßen nur einen minimalen Anteil aus.

Dennoch muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass Bandag in den vergangenen rund 15 Jahren einiges an Marktanteilen eingebüßt hat, schleichend zwar, doch immerhin. Die Position als Branchenprimus – mit Ausnahme von Michelin, die mit Remix, Recamic und Pneu Laurent immer noch in einer eigenen Liga spielt – kam dabei einerseits ‚von oben’ durch Neureifenhersteller unter Druck, die sich durch das zunehmende Flottengeschäft und das darin verankerte Angebotspaket Neureifen-Runderneuerung-Service ein immer größeres Stück vom Kuchen abschneiden konnten und damit auch die Bedürfnisse vieler, gerade international operierender Flottenbetreiber bediente. Allerdings habe sich der Trend gerade in den vergangenen drei bis vier Jahren wieder ins Positive gewandt, gerade weil es Bridgestone Bandag gelungen sei, seine Händlerbasis europaweit auszuweiten, und weil man Synergien mit Bridgestone habe erzielen können.

Andererseits machten gerade in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten auch Importeure zunehmend in Europa von sich reden. Namen wie Vipal, Galgo, Goodway oder Elgitread spielten bis dahin in Europa kaum eine Rolle, was sich dann aber änderte. Marktanteilszuwächse der Importeure seien zwar seit einiger Zeit weitestgehend gestoppt, betont Janssens, was nicht zuletzt auch an der Reaktion hiesiger Materialhersteller liegt, ebenfalls Produkte mit einem entsprechenden Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten.

Dennoch darf man heute wohl davon ausgehen, dass immer noch ein beträchtlicher Anteil des Budgetsegments von den Importeuren bedient wird. Dem Manager Retread zufolge umfasse das Budgetsegment des europäischen Runderneuerungsmarktes gut und gerne 25 Prozent, während er das Premiumsegment aktuell auf 45 Prozent schätzt und das Qualitätssegment ebenfalls auf 30 Prozent.

Der Wandel im Flottengeschäft und die zunehmende Präsenz der Neureifenhersteller in der Runderneuerung hat demnach eben auch Bandag und die Bandag-Partner weiter fest im oberen Marktsegment verankert – dank Bridgestone. Während aber einerseits dieses Premiumsegment mehr und mehr zum Spielfeld der großen Neureifenkonzerne geworden ist und gleichzeitig die Polarisierung des Marktes voranschreitet, entwickelte sich der Markt ‚darunter’ eben zum Markt für vermeintlich unabhängige Runderneuerer und ihre Kunden – das angestammte Territorium der Bandag-Franchisepartner.

Steven Janssens bestätigt demnach auch, die Einführung von „Protread by Bandag“ habe nicht zuletzt auch auf Wunsch der Runderneuerungspartner als Alternative zu Bandag stattgefunden. Der Manager Retread bei Bridgestone Bandag ist zwar nicht der Ansicht, viele Bandag-Partner hätten – entgegen ihrem Vertrag – auf Fremdfabrikate zurückgegriffen, um ihren ‚eigenen’ Kunden ein Alternativangebot für das Segment unterhalb des oberen Marktsegmentes machen zu können. So oder so, für entsprechende Bedürfnisse nach einer weiteren Marke hat Bridgestone Bandag jetzt „Protread by Bandag“ eingeführt.

Ursprünglich ist „Protread“ eine Runderneuerungsmarke, die der Konzern in Thailand nutzt. Die Entscheidung, neben der Marke Bandag eine weitere Marke einzuführen, die das untere Marktsegment mit Anschluss an das Qualitätssegment abdecken soll, sei bereits 2012 gefallen und werde nun eben schrittweise umgesetzt. Aktuell bietet das Unternehmen zehn Designs unter dem Protread-by-Bandag-Label an, während dies bei Bandag selbst gleich sechs Mal mehr sind. Es seien insbesondere Produkte etwa für den Regionalverkehr, den gemischten On-Off-Einsatz oder für die Baustelle, die als Protread angeboten werden, während Bandag das Produkt für die Langstrecke sowie für etliche spezielle Nischen sowie den Wintereinsatz ist, wo es auf Effizienz und Qualität ankommt. Protread-Laufstreifen seien dabei samt und sonders Eigenentwicklungen; mitunter sind dies Firestone-Profile oder manchmal auch vormalige Bandag-Profile, die man gerne weiterhin anbieten möchte. Das Pricing zwischen Bandag und Protread weicht dabei klar voneinander ab. Setzt man Bandag auf 100, sollte Protread produktabhängig wenigstens 25, maximal sogar 35 Prozent darunter liegen, so Janssens zu den Sell-out-Preisen.

Der Preisunterschied korreliert dabei auch mit dem Kosteneintrag. Da der Bridgestone-Konzern das Bandag-Sortiment seit Jahren zunehmend an dem Sortiment für Neureifen ausrichtet, kommen dort natürlich auch Mischungen und Produktionstechnologien aus der Neureifenfertigung zum Einsatz. Dies hat seinen Preis. Janssens betont unterdessen, dass „das Preis-Leistungs-Verhältnis von Protread sehr stimmig“ sei und die Laufstreifen dabei stets von Bandag-Partnern mit der gängigen Bandag-Premiumtechnologie verarbeitet werden. Von den aktuell 142 europäischen Bandag-Franchisepartnern kommen 20 aus Deutschland, neun aus Großbritannien und 21 aus Italien.

„Mit Protread stärken wir unsere Bandag-Franchiser“, sagt der Manager Retread, stehen diesen doch nun Produkte aus dem Hause Bridgestone Bandag für die beiden wichtigsten Segmente des europäischen Runderneuerungsmarktes zur Verfügung. „Unsere Partner haben jetzt die Möglichkeit, sich auf einem größeren Markt dem Wettbewerb mit unseren Produkten zu stellen; die Wettbewerbsfähigkeit steigt.“ Gleichzeitig stärke man mit Protread aber auch die Marke Bandag als solche – zumindest indirekt. Insbesondere erfahre Bandag natürlich weiterhin eine Aufwertung durch die zunehmende Nähe des Produktsortiments zum Sortiment des Neureifenherstellers Bridgestone. Dadurch, dass man nun aber auf Produkte wie etwa die Bandag-„ValueLine“ verzichten kann, mit der Bandag sich im Wettbewerb mit Anbietern aus dem mittleren und unteren Marktsegment sozusagen ‚von oben herab’ wehren wollte, und stattdessen diese Marktsegmente mit einer eigenen Marke quasi ‚von unten’ in Angriff nehmen kann, stehe die Marke Bandag ohne Abstriche als Premiumprodukt da und kann auch als solches weiter ausgebaut werden. Durch eine klare Abgrenzung beider Produkte halte man das Markensortiment „sauber“, findet Janssens, eine Kannibalisierung beider Produkte sei ausgeschlossen. Außerdem binde man die Partner langfristig an sich und könne auch potenziellen neuen Partnern ein gewisses Einstiegsangebot machen, über das sich – so die Hoffnung – eine langfristige Zusammenarbeit als Bandag-Franchisepartner entwickeln könne.

Nach der Einweihung der neuen Lkw-Reifenfabrik im polnischen Stargard 2009 nimmt Bridgestone dort aktuell auch eine neue Produktionsstätte für Laufstreifen in Betrieb

Nach der Einweihung der neuen Lkw-Reifenfabrik im polnischen Stargard 2009 nimmt Bridgestone dort aktuell auch eine neue Produktionsstätte für Laufstreifen in Betrieb

Mit der zunehmenden Nähe zwischen Bandag-Laufstreifen und Bridgestone-Neureifen und der zunehmend integrierten Vermarktung stellt sich auch die Frage nach der Produktion der Laufstreifen und insbesondere nach dem Produktionsstandort. Nach der Einweihung der neuen Lkw-Reifenfabrik im polnischen Stargard 2009 nimmt Bridgestone dort aktuell auch eine neue Produktionsstätte für Laufstreifen in Betrieb. Die Nähe zum Mischsaal der Neureifenfabrik gewährt hier höchste Standards. Im Laufe dieses Sommers sollte die Laufstreifenproduktion in Stargard dann ihren Regelbetrieb aufnehmen. Wie Steven Janssens betont, gehe es bei der Investition in Polen nicht darum, das bestehende Bandag-Werk im belgischen Lanklaar über kurz oder lang zu ersetzen, wo man immerhin über eine Jahreskapazität von 25.500 Tonnen verfügt. Man dürfe aber durchaus erwarten, dass die Highend-Bandag-Produkte in Zukunft vornehmlich aus Stargard kommen, während Lanklaar diese und auch alle anderen Laufstreifen fertige; Lanklaar solle mitnichten durch die Inbetriebnahme der Stargard-Produktion auf Budgetlaufstreifen aus dem Protread-Sortiment beschränkt sein. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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