Fulda blickt trotz Jubiläum lieber nach vorn
Reifenfachhändler, die in der vernetzten Welt von heute noch erfolgreich Reifen vermarkten möchten, tun sicherlich gut daran, sich auf die Herausforderungen des Internets einzustellen und Antworten auf die Fragen zu finden, die heutzutage von informierten Kunden gestellt werden. Es ist gerade die Preistransparenz des Internets und der Discounter, die sich dort hauptsächlich tummeln, die einen für viele Händler unsäglichen Preiskampf befördert. Preise, die von Onlinehändlern geboten werden, gelten im stationären, kostenintensiven Fachhandel oftmals als ruinös. Folglich, so das Bekenntnis der Fulda-Händlertagung, die Mitte März in München stattfand, müsse der stationäre Handel seine Kompetenz als Fachhandel nutzen, um sich positiv abzusetzen, und sich trotzdem die Vorteile des Internets zunutze machen. Das Internet böte zwar Risiken, gleichzeitig aber auch viele Chancen, denn immerhin kauften über 90 Prozent aller Kunden weiterhin ihre Reifen beim etablierten Handel vor Ort, auch wenn die anderen, die Online-Käufer die öffentliche Wahrnehmung bestimmen. Die Losung der Tagung hätte folglich gut lauten können: „Nehmen Sie einen neuen Blickwinkel ein und denken Sie das Undenkbare.“
Fulda-Händlertagungen gibt es seit einem Vierteljahrhundert. Diese Tatsache wird vom Team um Geschäftsführer Michael K. Kuhn, Verkaufsleiter Markus Schultheis und Marketingleiterin Kerstin Völck aber bewusst nicht großartig betont während der 25. Tagung dieser Art, die nun Mitte März in München stattfand. Bereits im vergangenen Jahr, als die Fulda-Händler in Dresden zusammen kamen, hatte man den Inhalt der Veranstaltung ganz bewusst entrümpelt. Dem nicht als Selbstdarsteller bekannten Kuhn ist es beinahe schon unangenehm, auf das Jubiläum angesprochen zu werden: Anstelle des Jubiläumstamtams, dessen Versuchungen sich wohl viele Veranstaltungsplaner im Land in einer ähnlichen Situation hingegeben hätten, hatte der Reifenhersteller Fulda ganz bewusst zu einer „nutzenstiftenden“ Konferenz geladen getreu dem Motto: „Die Zeit drängt und wir fangen lieber sofort an, uns mit den dringenden Herausforderungen der Branche zu befassen.“ Zeit für Nabelschau oder Selbstbeweihräucherung bleibt da nicht. Folglich beschränkten sich auch die Ausführungen von Verkaufsleiter Markus Schultheis zu den Marktentwicklungen im vergangenen Jahr und den Prognosen für 2008 sowie die von Marketingleiterin Kerstin Völck zu den aktuellen Marketing-Highlights auf das Wesentliche. Kuhn dazu: „Es soll nicht mehr jede Maßnahme en detail beschrieben werden.“ Einer dieser wesentlichen Punkte, auf die Markus Schultheis hinwies: Fulda Reifen sei einer von zwei Reifenherstellern gewesen, die es im vergangenen Jahr verstanden hatten, die Sell-out-Preise für ihre Marke zu steigern. Fulda hatte eine komplett neue Preisstruktur eingeführt und biete – so Geschäftsführer Kuhn – „das beste Preis-Leistungs-Verhältnis im mittleren Marktsegment“.
Die Herausforderung, die derzeit ganz oben auf der Prioritätenliste der Value-Marke aus dem Goodyear-Dunlop-Konzern steht, ist das Internet und dessen marktverändernde Preistransparenz und Absatzwege. Bei der Fulda Reifen GmbH & Co. KG ist man der Ansicht, dass es möglich ist, dem allgemeinen Preisdruck durch das Internet etwas entgegenzusetzen, und zwar die Fachkompetenz der Händlerschaft. Gleichzeitig, so der Rat des Reifenherstellers an die rund 150 in München anwesenden Händler, müsse man sich das Internet als Absatzkanal aber zunutze machen, da es schließlich eh nicht aufzuhalten ist. Es ist nicht die Frage, ob das Internet das Kaufverhalten der Endverbraucher beeinflusst, sondern allein die Frage nach dem „Wie“ macht heutzutage Sinn.
Fulda möchte dabei allerdings nicht nur beraten, sondern will seinen Händlern auch mit aktiven Handlungsempfehlungen weiterhelfen. Der Hersteller schlägt seinen anwensenden Kunden sogar ein ganz konkretes Projekt vor, bei dem Fulda zwar Ideengeber, nicht aber Träger sein wird. Es soll künftig – von Fulda Reifen angestoßen und betreut – eine neue Reifenhandelsplattform geben, die unter www.reifen-clever-kaufen.de online geht. Die näheren Details dieses Portals und die Abgrenzungspunkte zu anderen, ähnlichen Plattformen stehen noch nicht fest, wollte man in München doch zunächst die „Grundbereitschaft“ der wichtigsten Fulda-Händler abfragen, sich bei einem entsprechenden Projekt einzubinden. Zentraler Zweck dieser Portals wird es sein, so Fulda-Geschäftsführer Kuhn im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG, „das Internet zu instrumentalisieren und Käufer zum Fachhandel zu kanalisieren“. Unter der Domain www.reifen-clever-kaufen.de soll vor allem eines geschehen: Händler sollen dort ihre Reifen „zu adäquaten Preisen“ verkaufen können; ein Versandhandel werde nicht stattfinden, sondern Reifen sind direkt beim verkaufenden Fachhandel zu montieren. Dabei müsse auf der Website ständig die Fachhandelskompetenz des jeweiligen Händlers kommuniziert werden, um gegenüber dem preislich bestens informierten Endverbraucher etwaige Preisunterschiede zu Angeboten bekannter Online-Portale zu rechtfertigen. Das Verkaufsargument dürfe nicht der Preis sein, sondern die Leistung.
„Die Fachhandelsleistung muss immer im Vordergrund stehen“, betont Michael Kuhn. Der Endverbraucher, der die neue Plattform – so die Vorgabe der Initiatoren von www.reifen-clever-kaufen.de – auf der ersten Seite der Google-Suchergebnisse bei der Eingabe entsprechender Suchbegriffe finden wird, soll ständig vor Augen haben, dass er nicht beim Discounter kauft, sondern beim Fachhandel. Der Preis, so Kuhn weiter, müsse mit den Leistungen des jeweiligen Händlers gerechfertigt werden. Die Website dürfe kein reines Preisabfrage-Tool sein, sondern müsse dem Endverbraucher plausibel machen: Wenn er kauft, kauft er eine Kombination aus Produkt und Service. Endverbraucher seien, trotz aller Preistransparenz, weiterhin stark an der Dienstleistung und deren Qualität interessiert, ist man in Fulda überzeugt. Mit den richtigen Argumenten könne www.reifen-clever-kaufen.de ein gutes Vermarktungsinstrument für den stationären Reifenfachhandel werden, ist Kuhn überzeugt.
In München ging es nun darum, ein grundsätzliches Meinungsbild zu einer vom Reifenhersteller initiierten, neutral gehaltenen Plattform abzugeben. Die Ergebnisse einer in diesem Zusammenhang abgehaltenen Befragung unter den anwesenden Händlern sollen dazu dienen, eine möglichst große Händlerbasis zur Unterstützung der geplanten Vermarktungsplattform hinter sich zu scharen.
Eine der zentralen Fragen, die ein Reifenhandelsportal beantworten muss, ist die nach der Preisgestaltung. Natürlich könne man dem teilnehmenden Reifenfachhändler nicht vorschreiben, welchen Preis er für welches Produkt nimmt, so Kuhn; und Preisabsprachen seien eh illegal. Aber insbesondere bei der Preisgestaltung bietet das weitestgehend transparente Medium Internet ausnahmslos negative Auswirkungen, denn – selbst wenn sich alle teilnehmenden Händler an eine „unverbindliche Preisempfehlung“ hielten – es braucht nur einen einzigen Preisbrecher, um das System zu Fall zu bringen. Wie dieses Problem gelöst werden kann? – Kuhn dazu: „Darauf habe ich noch keine konkrete Antwort.“
Will der Hersteller seinen Händler allerdings ein Medium bieten, bei dem sie einen besseren Schnitt machen als bei all den anderen Plattformen, die derzeit online sind, muss dem Thema Preisgestaltung höchste Priorität eingeräumt werden. Ansonsten wird es nur ein weiteres Portal geben, auf dem sich die Anbieter gegenseitig unterbieten, um ganz oben in der Liste der nach Preisen sortierten Suchergebnisse zu landen, unabhängig davon, mit welch hehren Vorstellungen der Ideengeber einmal an den Start gegangen ist. Discountpreise und Fachhandelsleistungen – das geht in den seltensten Fällen zusammen.
Dass Reifenfachhändler im Internet in der Regel nur durch eine Verbundlösung erfolgreich präsent sein können und Einzellösungen einfach zu kostspielig sind, erläuterte Martin Rommel. Wie der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens EcoPlan aus Fulda sagt, wisse der Kunde heute relativ genau, was er will: „Er kennt den niedrigsten Preis.“ Dennoch sei der „Reifenkauf ein lokaler Vorgang“. Die „vermeintlliche Preistransparenz sollte durch Argumente durchbrochen werden“, sagt auch Rommel, denn viele Endverbraucher kämen mit Preisen aus dem Internet zum stationären Reifenfachhandel, ohne dass diese Preise für ihre Bedürfnisse wirklich maßgeblich seien. So wüssten rund 70 Prozent aller Kaufinteressenten nicht, welchen Load- und Speedindex ihre neuen Reifen haben müssen. Dies sei Ansatzpunkt für den Reifenfachhändler, seine entsprechende Fachkompetenz auszuspielen und dem potenziellen Kunden zu erklären, warum er mehr für einen neuen Satz Reifen ausgeben sollte, als das vermeintlich günstige Internet-Angebot anbiete.
Da es eben auch im Internet „eine qualitäts- sowie eine preisorientierte Zielgruppe“ gebe, so der EcoPlan-Geschäftsführer weiter, könne sich der Reifenfachhandel auch über das Medium Internet erfolgreich an eine nicht ausschließlich preissensible Kundschaft wenden. Dies müsse aber aus Wirtschaftlichkeitsgründen wie auch unter Marketinggesichtspunkten als „Verbundlösung“ stattfinden. Einzelaktionen seien zwar löblich, findet auch Fulda-Geschäftsführer Michael K. Kuhn, sie scheiterten aber in der Regel an den hohen Investitionskosten und der fehlenden Kontinuität bei der Datenbestandspflege. Stattdessen sei „die Bündelung der Kräfte“ des Reifenfachhandels notwendig, so Martin Rommel weiter. Dies könne eine gute Positionierung in den wichtigsten Suchmaschinen garantieren (Rommel: „Vieles geht eben über Suchmaschinen.“), zu denen natürlich zu allererst Google zählt. Außerdem sei eine kontinuierliche Pflege der Daten nur bei einer Verbundlösung möglich, die diesbezüglich zentral geführt werden müsste.
Chancen und Risiken
Um die teilnehmenden Händler der Fulda-Tagung in der BMW-Welt in München zu dem dominierenden Thema „Chancen und Risiken des Internets“ zu sensibilisieren, hatte Fulda ein durchaus gut ausgedachtes Konferenzprogramm für die 150 Händler parat. Während Markus Hinz, Industry Head Automotive bei Google Deutschland, das Nutzungsverhalten von Endverbrauchern im Internet umschrieb und dabei den hohen Stellenwert von Suchmaschinen und die Funktionalität des Internets zur Informationsbeschaffung darstellte, erklärte Jens Kreklau, Pressesprecher von Globetrotter Ausrüstung, wie ein Fachhandelsbetrieb (in diesem Fall für Outdoor-Ausrüstung) die Internet-Vermarktung von Qualitätsprodukten erfolgreich betreiben könne. Reifenfachhändler sollten sich vor Augen führen, dass das Internet heute kein „Thema mehr nur für Kids“ sei, so Markus Hinz von Google. Analysen zum Nutzungsverhalten hätten gezeigt, dass die digitale Revolution durch das Internet an kaum jemandem vorbeigegangen ist. Dabei steht die Informationsbeschaffung bei der Nutzung des Internets an oberster Stelle, wobei das so genannten „Web 2.0“ – also das moderne, interaktive Internet – mit seinen Schwerpunkten „Community“ und „Entertainment“ stark an Bedeutung gewinnt. Dennoch: Das Internet und hier insbesondere die Suchmaschine Google dienen Nutzern zur Informationssuche. Im vergangenen Jahr habe die größte und erfolgreichste Suchmaschine der Welt 47 Prozent mehr automobilbezogene Anfragen aus Deutschland beantwortet als im Jahr 2006 sowie 39 Prozent mehr reifenbezogene Anfragen. Der Wachstumstrend, so die Annahme vieler, dürfte mit zunehmender Marktdurchdringung der Suchmaschine Google eher rückläufig sein, ohne dass sie allerdings ihre dominierende Stellung verlieren dürfte.
Um die Reifenfachhändler auf die notwenigen „Gewohnheitsveränderungen“ einzustellen, hatten Fuldas Konferenzplaner noch einen Joker im Ärmel: Diplom-Psychologe Klaus Rempe. Der Motivator redete den anwesenden Reifenfachhändlern ins Gewissen, neue Herausforderungen anzunehmen und Veränderungen – die man eh kaum beeinflussen kann – zu akzeptieren.
Die Veranstaltungsplaner hatten für die anwesenden Reifenfachhändler nicht nur umfangreiche Informationen zum Thema „Chancen und Risiken des Internets“ parat, sondern boten darüber hinaus auch einen durchaus kurzweiligen Rahmen. Nicht nur, dass die Fulda Reifen GmbH & Co. KG ihre besten Händler nach München ins Hotel „Bayerischer Hof“ geladen hatte – landläufig als erstes Haus am Platz bekannt. Sondern zum abendlichen Galadinner im Ballsaal des Hotels wartete eine ganz besondere Bühenshow auf die Gäste des Reifenherstellers: Die Band „No Angels“, die gerade einen Tag zuvor in Hamburg den deutschen Vorentscheid zur Teilnahme am „Eurovision Song Contest“ gewonnen hatten, spielten einige ihrer Titel für die Fulda-Gäste, die es nicht allzu lange auf ihren Stühlen hielt.
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