Wo Aluminiumfelgen auf Hochglanz poliert werden
Auf Hochglanz polierte Räder sind nicht gerade eine Rarität im Aluminiumfelgenmarkt, aber über das gesamte Volumen gesehen doch eine Nische. Das Polieren mag zwar keine „Geheimwissenschaft“ sein, aber so einige Details mussten erst über eine lange Zeit erlernt werden, man habe auch „Lehrgeld bezahlt“, räumt W.-Dieter Rätz, geschäftsführender Gesellschafter der R2 Felgenveredelung GmbH in Oranienburg vor den Toren Berlins, beim Gang durch seine Betriebsstätte ein. Wobei: Genau genommen führt er durch die Räume des Gleitschliffzentrums Oranienburg, aus dem der Fachbereich Felgenveredelung im Jahre 2000 als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert worden war oder mit anderen Worten: Formal ist die R2 Felgenveredelung Kunde des Gleitschliffzentrums. Die R2 Felgenveredelung ist ein Lohndienstleister für eigentlich alle renommierten Aluminiumfelgenhersteller, ob die Räder im Gussverfahren (ATS, BBS, Borbet, Fundo Wheels, Ronal etc.) hergestellt werden oder geschmiedet (Fuchs), ob für Erstausrüstungslieferanten der Automobilindustrie (von Audi über Porsche bis Volvo) oder Teilnehmer des Ersatzmarktes (inklusive Tuner). Die R2 Felgenveredelung hat Prozesssicherheit und Serientauglichkeit in der Vergangenheit bereits unter Beweis gestellt, erfüllt also die gestrengen Anforderungen der Automobilindustrie.
Der Umsatz (im einstelligen Millionenbereich) der R2 Felgenveredelung ist nicht mit einem Produzenten und auch nicht mit einem Distributeur vergleichbar. Das Unternehmen hat eine Marktnische gefunden, stellt nicht her und verkauft das Endprodukt auch nicht, sondern übernimmt eine Stufe im Räderwerdungsprozess ganz bestimmter Felgentypen. Für die ungleich größeren Räderhersteller rechnen sich bei den realisierten Stückzahlen – ca. 27.000 Einheiten durchliefen R2 in 2005 – einerseits die Investitionen in diesen Produktionsschritt kaum, andererseits verfügt das Gleitschliffzentrum über ein Know-how, das den Räderfirmen fehlt.
„Wir sind keine Räder-Leute“, bekennt der Maschinenbau-Ingenieur und Verfahrenstechniker Rätz freimütig. Und tatsächlich finden sich beim Durchgang durch die Anlagen die verschiedensten Produkte vom Brillengestell bis eben zur Leichtmetallfelge und die verschiedensten Materialien. Ob Holz, Kunststoffe oder welche Metalle auch immer, das Gleitschliffzentrum sorgt für eine völlig glatte Oberfläche und schafft damit die Basis für perfekten Hochglanz. Denn – bezogen auf Räder – mit dem Arbeitsschritt bei der Firma R2 ist das Rad ja noch nicht fertig, sondern wird an anderer Stelle noch durch eine Lackieranlage geschickt. Das Polieren der Räder erfolgt zwischen der Bearbeitung und der Endlackierung.
Womit sich auch schon das einzige (gelegentliche) technische Problem für W.-Dieter Rätz und sein Team – derzeit inklusive Verwaltung ca. 30 Mitarbeiter – auftut: Sollte es dem Oberflächenglanz einmal an der Perfektion mangeln, so Rätz, dann war zumeist die angelieferte Felgenoberfläche nicht frei von Makel. Ein perfekt poliertes Rad kann nur die Hallen in Oranienburg verlassen, wenn schon beim Guss oder Schmieden die Voraussetzungen dafür gelegt sind. Was dem R2-Geschäftsführer gefällt, ist der rege Austausch mit den Technikern der Räderindustrie: Er hat hinsichtlich der wirtschaftlichen Darstellung des Polierens gelernt, seine Auftraggeber/Kunden produzieren inzwischen nach ihrem Lernprozess einige Radtypen gezielt so, dass sie „polierbar“ sind. Denn das ist keineswegs jedes Design, so kann der Speichenabstand (bzw. können die Speichenzwischenräume) durchaus das Ergebnis des Prozesses bei R2 beeinflussen. Und klar ist auch, dass ein poliertes Rad wegen des zusätzlichen Arbeitsschrittes im Allgemeinen teurer sein muss als ein konventionell silber lackiertes. Das heißt auch, dass kleinere Größen kaum für das Polieren in Frage kommen. Die Palette im Oranienburger Betrieb beginnt derzeit bei 16 und endet bei 22 Zoll, auch 23 Zoll ist möglich.
Einige Hersteller in der Räderbranche hatten vor Jahren versucht, den Effekt des polierten Rades durch das so genannte „Spattern“ zu erreichen, was aber aufgrund von technologischen Schwierigkeiten (so Haftungsprobleme) jedenfalls bislang den Status der Prozesssicherheit nicht so recht erreichen konnte. Auch die Verchromung sieht Rätz nicht als Wettbewerb, sondern eher als einen alternativen Markttrend. Das R2-Verfahren lässt sich vielmehr durchaus gut mit einer anschließenden Verchromung kombinieren, mit dem räderverchromenden Unternehmen MWG Galvano (Wernigerode) kooperativ zusammengearbeitet wird. Das manuelle Polieren lässt sich am Standort Deutschland und wohl selbst in kostengünstigeren europäischen Ländern wirtschaftlich kaum darstellen. Beim mechanischen Bearbeiten à la R2 Felgenveredelung werden zwei Polierverfahren eingesetzt – einmal mittels Edelstahlkugeln, zum anderen mittels Keramik- sowie speziell entwickelten Kunststoffschleifkörpern. Bei der Verwendung von Edelstahlkugeln ist die Oberfläche zwar auch auf Hochglanz poliert, sie hat aber für den Betrachter etwas „Hammerschlagähnliches“, bei der Verwendung von Keramikkugeln fehlt dieser Effekt, für den Ästheten ist das Rad damit dichter an der Perfektion, es hat gewissermaßen eine „ruhigere“ Oberfläche. Aber: Das mag Geschmackssache sein.
Angesprochen auf den etwas ungewöhnlichen Firmennamen muss W.-Dieter Rätz (dem diese Frage bestimmt schon häufiger gestellt worden ist) schmunzeln und sagt „Räder-Rätz“, aber das entspricht nicht der Geschichte seiner Firma, die er vor einigen Jahren noch gemeinschaftlich mit Stephan Rösler (daher das zweite „R“), Geschäftsführer der „Rösler Oberflächentechnik GmbH“ (bei Bamberg) gegründet hatte. Mit der Firma Rösler ist der R2-Geschäftsführer sehr eng verbunden. Als Hersteller der Anlagentechnik liefert Rösler das gesamte Equipment, R2 bietet der Felgenindustrie die Gesamttechnologie als Dienstleistung oder zum Kauf an.
Die erwartete Investitionsbereitschaft auf Seiten der Felgenhersteller blieb aber weitgehend aus, weil die Anzahl potenzieller Räder pro einzelnem Kunden eben zu gering war und sich herauskristallisiert hatte: Die Felgenhersteller verfügen gewiss über reichlich Gieß- und Schmiede-Know-how, in der Bearbeitung treten noch am seltensten Probleme auf und beim Lackieren haben sie Partner beim Anlagenbau bzw. in der Lackindustrie, die schon ein ureigenes Interesse haben, dass der Anschluss an die (übrigens sehr schnelle) Entwicklung in diesem Bereich nicht verloren geht. Also ist dem erklärten „Nicht-Räder-Mann“ Rätz die Rolle des Dienstleisters in den Schoß gefallen. Wobei sich in seinem Metier des Gleitschleifens auch andere Unternehmen tummeln, aber keines, das sich bislang so intensiv des Produktes Aluminiumfelge angenommen hat. So weiß man heute bei der R2 Felgenveredelung schon sehr genau, welche Geometrien von Schleifkörpern in welchem Mischungsverhältnis am ehesten zu befriedigenden Erfolgen führen, das heißt, das die Oberflächen der Aluminiumräder besonders gleichmäßig, eben und von besonderem Glanz sind. Der : „Eine Anforderung unserer Kunden ist, dass die Räder nicht nur alle wunderbar glänzen, sondern auch die Sicherstellung einer hundertprozentig reproduzierbaren Qualität.“
Die R2 Felgenveredelung ist in diese Nische gewissermaßen „reingerutscht“, weil Felgenhersteller Bedarf angemeldet hatten und in diesem Marktsegment bislang niemand strategisch ausgerichtete Industrieentwicklungen durchgeführt hatte. Aus der Anfangskapazität von 700 bis 800 Rädern wöchentlich (je größer die Dimensionen, desto geringer wird die Kapazität) sind aufgrund einer in 2004 begonnenen Ausbaustufe rund 70.000 geworden (in 2006 wurden – Stichtag 31.7. – bislang 30.000 Räder „poliert), rund 3,5 Millionen Euro wurden dazu in den letzten zwei, drei Jahren investiert. Und Automobil- sowie Räderhersteller ermutigen Rätz und sein Team, eine weitere Ausbaustufe folgen zu lassen. Der allerdings zögert, weil er sich nicht in die Abhängigkeit von wenigen Großaufträgen bringen lassen möchte und sucht daher bei Unternehmen des Ersatzmarktes und besonders bei Tunern nach einer überhaupt noch nicht erschlossenen Kundenklientel. Diversen Kleinserienaufträgen wäre er vielleicht sogar eher zugeneigt, als das immer gleiche Rad für ein Fahrzeugmodell zu polieren. Wie das Polieren von exklusiven Erstausrüstungsrädern (zum Beispiel für Bugatti) oder für „Showcars“ in der Vergangenheit gezeigt hat, liegen bei Kleinserien genügend Chancen, jetzt hat R2 sogar ein Projekt mit einem Reifenhersteller gestartet, der den Tuningmarkt mit seinen Ideen befruchten möchte. Möglich dass aus dem Projekt ein gemeinsames Tuning-Komplettrad wird, das R2 auch als etwas „Eigenes“ betrachten kann. Dann würde das Unternehmen aus der Ecke des Lohndienstleisters ausbrechen.
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