Fragezeichen im Insolvenzverfahren der Reifen Mayer KG
Wer hätte schon für möglich gehalten, dass die als grundsolide geltende, 1945 gegründete Reifenhandelsgesellschaft einfach so und fast ohne Voranmeldung im Mai diesen Jahres zusammenbrechen würde? Und mit ihr sodann auch die beiden Mitsubishi- und Rover-Autohäuser sowie das Suzuki-Motorrad-Geschäft! Die Eheleute Gallus galten als kompetente Geschäftsleute, ihre Seriosität war stets unbestritten. Mit einem seit Jahren bereits deutlich die 40 Millionen Grenze überschreitenden Umsatz, davon wohl rund 35 Millionen Mark im Großhandelsgeschäft, zählte die Reifen Mayer KG mit knapp 60 Mitarbeitern zu den bedeutenden Groß- und Einzelhändlern der Branche. Als wesentliche Ursache für den Zusammenbruch reichen rückschauend die relativ schlechten Wintergeschäfte der Saison 1999/2000 und 2000/2001 als Erklärung allein kaum aus, sondern es hat auch am Management gelegen. So hat es, wie den Gläubigern mitgeteilt wurde, ein gutes Warenwirtschaftssystem, das für Betriebe dieser Größenordnung unerlässlich ist, nicht gegeben, und da der Versuch, die vielen Außenläger aufzulösen und sich stattdessen auf ein Zentrallager zu beschränken, letztlich scheiterte, konnten die logistischen Anforderungen nie beherrscht werden. Zum Teil hätten sich Lagerbestände aufgebaut, die über fünf Jahre alt und damit nicht mehr absatzfähig gewesen seien. Hier wird ohne weitere Fortführung oder ohne sonstige Erwähnung auf einen Wandel im Verbraucherverhalten angespielt, denn auch fünf Jahre alte Reifen sind nach übereinstimmender Ansicht der Reifenhersteller durchaus ohne Einschränkung absatzfähig, doch steht dem die gelegentlich wiederholte Verbraucherempfehlung des ADAC entgegen, beim Neureifenkauf auf das Herstellungsdatum zu achten auch und Reifen, die älter als zwei Jahre sind, abzulehnen. Insofern fällt auch die Bewertung über die Qualität der Geschäftsführung unverhohlen deutlich aus. Es heißt, diese habe zu keinem Zeitpunkt einen ausreichenden Überblick über das vorhandene Vorratsvermögen gehabt und damit auch nicht über die Gewinn- und Verlustsituation des Unternehmens. Für einen Mangel an Wahrnehmung spricht wohl auch der noch zum Jahresanfang 2001 vorgenommene, wegen der tatsächlich vorliegenden Gegebenheiten und sich abzeichnenden Probleme gänzlich unverständliche Rechtsformwechsel. War bis dahin nämlich die Mayer GmbH persönlich haftende Gesellschafterin, so trat Ursula Gallus per 1.1.2001 als persönlich haftende Gesellschafterin ein, was haftungsrechtlich nunmehr zu fatalen Folgen führte. Wie sehr es an effizientem Controlling mangelte, zeigt auch das vorgehaltene Warenlager, das sich in “Fünfer-Sprüngen” entwickelte. Von 15 Millionen Mark (1997) auf 20 Millionen Mark (1998) und dann auf 25 Millionen Mark (1999). Bergab ging es dann im letzten vollen Geschäftsjahr, 15 Millionen Mark (2000). Aus Gründen kaufmännischer Vorsicht ist diese – zunächst niedrig erscheinende – Summe für den vorläufigen Jahresabschluss Ende April 2001 angesetzt worden. Im Zeitpunkt des Zusammenbruchs sollen sich Waren im Wert von etwa zehn Millionen Mark am Lager befunden haben. Heute geht man davon aus, fünf Millionen Mark bekommen zu können. Da stellen Beobachter dann schon die Frage, ob man zur Realisierung eines Umsatzes von 40 Millionen Mark tatsächlich ein Warenlager von 25 Millionen Mark vorhalten muss. Eine möglicherweise zu positive Bewertung des Vorratsvermögens in der Vergangenheit lässt sich kaum ausschließen. Erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, ist die endgültige Inventarbewertung per Jahresende 2000, weil es Mitte Januar zu einem EDV-Fehler und damit zu einem Datenverlust gekommen ist. Die bisher nur zum Teil gelungene Rekonstruktion von Daten durch einen EDV-Experten führte zur Entdeckung einer bis dahin unbekannten Bestandsposition mit einem Inventurwert von rund sieben Millionen Mark, die tatsächlich und zeitlich noch nicht eingeordnet werden konnte. Weiter aufklärungsbedürftig ist die Rolle der Firma IRD GmbH, deren Alleingesellschafter Rolf Gallus ist. Die IRD GmbH gilt als eine der Reifen Mayer KG zwar “nahe stehende” Gesellschaft, nimmt am Insolvenzverfahren jedoch nicht teil. Das mag schon mal grundsätzlich beim Insolvenzverwalter Begehrlichkeiten wecken. Es kommt hinzu, dass Rolf Gallus bei der Reifen Mayer KG zwar nur als “Betriebsleiter” geführt wurde, er aber dennoch der dominierende Mann gewesen sein dürfte. Dafür sprechen die Höhe seiner Bezüge, die um ein Vielfaches über denen der Geschäftsführerin und Ehefrau liegen, sowie auch von der Reifen Mayer KG an ihn zu zahlende Mieten, die sich stets in der Gegend eines siebenstelligen Betrages zum Jahresende summierten und die aus Sicht des Insolvenzverwalters jedenfalls zu hoch waren und zur Kündigung führten. Über die Firma IRD wurden im letzten Geschäftsjahr bei einem Großhandelsumsatz von 35 Millionen Mark immerhin 16 Millionen Mark abgewickelt. Nur lässt sich nicht mehr nachvollziehen, um welche Geschäfte es sich dabei gehandelt haben mag. Die IRD wird als Gesellschaft beschrieben, die schwer verkäufliche Ware der Mayer KG im Wesentlichen über Großhandelsgeschäfte abgesetzt habe. Es habe im Interesse der Mayer KG gestanden, solche Sondergeschäfte über eine andere Gesellschaft, eben die IRD, abzuwickeln. Man sei so verfahren, dass man auf die Preise der Reifen Mayer KG an die IRD nochmals pauschal pro Stück fünf Mark aufgeschlagen habe und dies dann der IRD-Verkaufspreis an Kunden gewesen sei. Allerdings enthalten die Ausgangsrechnungen der Mayer KG an die IRD nur einen Gesamtbetrag, so dass nicht mehr feststellbar ist, welche Reifen zu welchen Preisen geliefert worden sind. Gegen Großhandelsgeschäfte spreche auch, dass sich die Ausgangsrechnungen an die IRD überwiegend im Bereich von 1.000 bis 2.000 Mark bewegten. Auf IRD-Ausgangsrechnungen, die mit den Mayer-Ausgangsrechnungen korrespondieren könnten, hat der Insolvenzverwalter keinen Zugriff. So besteht die Vermutung, dass Vertriebsaktivitäten und Administration der IRD durch Mayer-Bedienstete geleistet worden sind, so dass von daher noch Ansprüche geltend gemacht werden könnten. Nach Einschaltung eines EDV-Sachverständigen wurden Schnittstellen zu anderen, allerdings nicht aufgefundenen, Rechnern im vorhandenen EDV-System festgestellt, Aus heutiger Sicht dürfte sich die Abwicklung bis zum Ende kommenden Jahres hinziehen. Ob alle Fragen geklärt werden können, bleibt abzuwarten. Möglicherweise finden sich aber auch durchaus plausible Erklärungen. Und last but not least dürfte Rolf Gallus auch gegenüber dem Kreditinstitut, dessen Weigerung, die Kreditlinien aufrechtzuerhalten bzw. kurzfristig auszudehnen den Zusammenbruch des Unternehmens auslöste, voll in der Haftung stehen, so dass es sich letztlich ohnehin nur um eine Frage der Verteilung unter den Gläubigern handeln dürfte; sofern denn tatsächlich etwas gefunden würde.
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