Österreichische Investoren übernehmen BBS
Ein österreichisches Unternehmen war als potenzieller Investor für den traditionsreichen deutschen Aluminiumräderhersteller BBS (Schiltach/Schwarzwald) in der Branche immer wieder kolportiert worden. Doch nicht die Alcar-Gruppe mit den Brüdern Riklin an der Spitze kommt jetzt zum Zuge, sondern die österreichische Industrieholding Tyrol Equity AG (Innsbruck) erwirbt zusammen mit dem Co-Investor und als Branchenexperten bezeichneten Udo Wendland 90 Prozent des Geschäftsbereichs Leichtmetallräder für den Highend-OEM- und Tuning-/Aftermarket der BBS mit Sitz in Schiltach (Schwarzwald) vom Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Thomas Oberle (Heidelberg). Die übrigen zehn Prozent am Unternehmen werden vom „Transaktionsinitiator“ und sogenannten Turnaround-Investor Lafayette Capital Partners (LCP) gehalten.
Tyrol Equity und Wendland haben u. a. bei der SUSPA, einem der weltweit führenden Hersteller von Gasfedern und der RSN Sihn GmbH – ebenfalls ein deutscher Automobilzulieferer – bereits kooperiert und gemeinsam investiert. Durch die Übernahme von BBS wird das Portfolio der österreichischen Industrieholding passend ergänzt und werde „der Expansionskurs erfolgreich fortgesetzt“, heißt es bei Tyrol.
Das Erwerberkonzept sieht einen Ausstieg aus dem Massengeschäft von Aluminiumgussrädern und die Konzentration auf die Kernkompetenz, sprich die Entwicklung und Herstellung von hochtechnologischen Leichtmetallrädern für den Highend-OEM- und Tuning-/Aftermarket vor. Das ist auch genau die Zielrichtung gewesen, die zwei andere Kandidaten, die namentlich genannt werden wollen, aber sich für eine BBS-Übernahme interessiert hatten, gegenüber dieser Zeitschrift geäußert haben. Ob das auch die beiden Unternehmen sind, die nach Informationen des Schwarzwälder Boten in der vergangenen Zeit trotz „weit fortgeschrittenem“ Verhandlungsstadium abgesprungen waren, entzieht sich allerdings der Kenntnis der NEUE REIFENZEITUNG. Wohl aber ist bekannt, dass ein Deal bereits im Herbst 2011 unterschriftsreif gewesen ist, als ein Erstausrüstungskunde völlig überraschend seine Bereitschaft, das erarbeitete Konzept mitzutragen, zurückgezogen hatte und damit wochenlange Vorbereitungen zur Makulatur hatte werden lassen.
Jetzt erhält BBS also nach einer ersten Insolvenz im Jahre 2007, der zweiten Insolvenz vom 1. März 2011 (beantragt bereits am 30.12.2010) die dritte Chance: „Bei den Kunden steht der Name BBS weiterhin für höchste Qualität. Dementsprechend ist Potenzial vorhanden, das Unternehmen in eine eigenständige und erfolgreiche Zukunft mit alter Stärke zurückzuführen. Um eine langfristige Stabilisierung zu erreichen, die Premium-OEM-Kunden bestens zu bedienen und die Marke im anspruchsvollen Tuning-/Aftermarket ideal zu positionieren, werden Investitionen in der Höhe von rund sieben bis acht Millionen Euro zur Optimierung der Produktionslinien und des Produktionsprozesses getätigt“, so die neuen BBS-Eigentümer Dr. Stefan Hamm und Dietmar Gstrein, Vorstände Tyrol Equity, sowie Udo Wendland. Um den Reformprozess zu unterstützen, wird Sanierungsexperte Hamm von den Eigentümern in die Geschäftsführung der neuen BBS GmbH entsandt.
Nachdem der Bereich Motorsport bereits zum 1. Januar 2012 an die japanische Ono-Gruppe bzw. Washi Kosan verkauft und übertragen worden war, sei mit der jetzigen Transaktion auch die Zukunft der Standorte Schiltach und Herbolzheim in der bestehenden Struktur sowie der Erhalt von 340 Arbeitsplätzen gesichert, heißt es. Genau diese beiden Aspekte haben allerdings die beiden abgesprungenen Kandidaten als Begründungen gegenüber dieser Zeitschrift genannt, warum sie letzten Endes abgewunken hätten.
Einerseits seien zwar die beiden Standorte Schiltach und Herbolzheim produktionstechnisch aneinandergekettet, andererseits hätten sich an beiden Standorten aber über die Jahre Kulturen herausgebildet, die einfach unterschiedlich und kaum noch unter einem Dach vereinbar seien. Mit dem Verlust der Motorsportsparte habe BBS andererseits auch seine „Gene“ nach Japan verkauft, was sich irgendwann auf das bislang so überragend gute Image der Marke BBS negativ auswirken werde. Ob und wie lange es den neuen Gesellschaftern gelingt, das Image von BBS hochzuhalten, dürfte demnach ein wichtiger Aspekt sein, der über den langfristigen Erfolg des Geschäftsmodells entscheiden wird.
„Der Verkauf stellt einen wichtigen Schritt zur dauerhaften Sicherung aller Unternehmensteile der BBS dar und ist als großer Erfolg zu werten“, unterstreicht jedenfalls Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Thomas Oberle von der Heidelberger Kanzlei Wellensiek. Der Abschluss der Transaktion steht unter den branchenüblichen Zustimmungserfordernissen, die voraussichtlich bis Mitte März vollzogen sind.
Oberles Bilanz jedenfalls ist vorzeigbar: Mit Wirkung 1. März vom Insolvenzgericht Rottweil über das Vermögen der BBS International GmbH zum Insolvenzverwalter bestellt, wurde der Geschäftsbetrieb mit Unterstützung der Hauptkunden der BBS aus der Automobilindustrie im Insolvenzverfahren in vollem Umfang und ohne Unterbrechung an den Standorten in Schiltach und Herbolzheim fortgeführt und sind durchaus Schritte zu einer nachhaltigen Sanierung eingeleitet worden. Was nach der Episode unter dem belgischen Investor Guido Dumarey wohl des Wendepunktes bedurfte, war doch unter dessen Ägide der BBS-Umsatz nach 60 Millionen Euro im Jahre 2009 in 2010 auf den Tiefpunkt von 56 Millionen Euro – so die von Baden online publizierten Zahlen – gesunken. Oberle sei es schließlich im letzten Jahr gelungen, die Produktion um 43 Prozent zu steigern und einen Umsatz von 80 Millionen Euro (davon dürften etwa 20 Millionen auf den Bereich Motorsport entfallen sein) zu generieren.
Die Tyrol Equity, hinter der laut Baden online der österreichische Wirtschaftsclan Swarovski und namentlich Christoph-Gerin Svarovski stehen soll, ist eine österreichische Industrieholding mit Sitz in Innsbruck. Das Unternehmen investiert in mittelständische Produktionsunternehmen mit einem Umsatz zwischen zehn und 150 Millionen Euro. Der Fokus liegt dabei auf zukunftsträchtigen Unternehmen in attraktiven Märkten. Tyrol Equity bietet langfristiges Unternehmerkapital bei Nachfolgelösungen, Wachstumsfinanzierungen und Konzernausgliederungen. Derzeit arbeiten in der Unternehmensgruppe rund 2.500 Personen weltweit. Unter anderen werden Gasfedern, Dämpfer, fluidische Verbindungselemente für die Automobilindustrie und elektrische Verstellsysteme hergestellt. detlef.vogt@reifenpresse.de
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