Alcar: Verschiebung von Stahl- zu Alurädern hält an
Nein, größere Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (vgl. NEUE REIFENZEITUNG 6/2008 unter dem Titel „Die Alcar-Gruppe ist „Your Wheel Partner“) habe es in der Unternehmensgruppe im letzten Jahr nicht gegeben, sagt General Manager Norbert Frohner (44) am Stammsitz in Hirtenberg vor den Toren der österreichischen Hauptstadt Wien. 2008 war stabil, die Unternehmensstruktur ist geblieben wie sie war, der Umsatz des Geschäftsjahres dürfte – endgültige Zahlen liegen noch nicht vor – in etwa gleich geblieben sein, die Mitarbeiterzahl auch.
Auf den Einwand, dass es in den letzten Monaten bei einem Unternehmen dieser Größenordnung und das schließlich europäischer Marktführer im Ersatzgeschäft mit Pkw-Rädern ist einige heraushebenswerte Neuigkeiten gegeben haben müsse,, fällt Frohner dann doch immerhin ein, dass das kleine Pkw-Stahlräderwerk Consud S.r.l. bei Neapel im November 2008 geschlossen worden ist. Einerseits dürfte die erst im Herbst 2004 übernommene Fabrik aufgrund ihrer geringen Kapazität eher unrentabel geworden sein, andererseits hat Alcar (Hirtenberg/Niederösterreich) damit auch Kapazitäten vom Markt genommen, die die Branche an sich nicht benötigt und die alleine durch das zweite Alcar-Stahlräderwerk in Manno (Lugano/Schweizer Kanton Tessin) aufgefangen werden könnten. In Italien hatte Alcar zuletzt etwa 300.000 Räder jährlich gefertigt, in der Schweiz bei der Ambrosetti Ruote SA ca. zwei Millionen Einheiten.
Alcar ist Produzent und Händler von Pkw-Rädern gleichermaßen, eine historisch bedingte Ausnahme im Unternehmensportfolio sind Stahlmöbelsysteme. Alcar ist in Europa flächendeckend vertreten, mit einem Dutzend eigener Vertriebsgesellschaften – wie hierzulande der Alcar Deutschland GmbH (Siegburg) – in den wichtigsten Ländern und über Importeure in den anderen. Außereuropäisch legt man sich Zurückhaltung auf, wenn man von manchem Markt nicht genug versteht, dann sollte man besser davon die Finger lassen. Die Unternehmensgruppe ist „marktgetrieben“, was für den englischen Markt richtig sein kann, mag für den deutschen falsch sein. Weil gerade das deutsche Vertriebsteam stark reifenhandelsorientiert ist, kommt zum Beispiel die Idee des Komplettrades nicht in Betracht.
Dass sich alles Denken ums Fahrzeugrad dreht, beweist Frohner dem Besucher im „Allerheiligsten“: in der Entwicklungsabteilung. Das Team ist vier Personen stark, jeder hat seine Aufgabe. Wer der „Künstler“ in der Mannschaft ist, ist unstrittig, wer als Spielführer fungiert, auch. Ohne die Techniker wären beide ziemlich aufgeschmissen. Sie arbeiten Hand in Hand, Ergebnis ihres Tuns sind die Kollektionen der vier Aluminiumräder-Eigenmarken AEZ, Dotz, Dezent und Enzo. Die Positionierungen der vier Marken sind auf Langfristigkeit angelegt, und das heißt nach heutigem Stand wenigstens bis 2010, sagt Frohner.
Die Entwürfe neuer Kreationen orientieren sich an diesen Positionierungen der Marken. AEZ ist die exklusive „Lifestylemarke“, der auch am ehesten besondere Technologien – wie das Schmiedeverfahren oder Mehrteiligkeit – zuteil werden. Dotz ist die polarisierende Tuningmarke für automobile Freaks, deren Designs man entweder innig liebt oder verständnislos ablehnt. Dezent ist die Mainstreammarke, nichts Spektakuläres, aber mit eleganter Anmutung. Und weil der Markt nun mal auch das Billigsegment verlangt und Alcar einen Vollsortimenteranspruch hat, gibt es auch Enzo.
Befragt nach den aktuellen Trends nennt Alcars Kreativabteilung die Bicolor-Oberflächen, Alternativfarbgebungen und überhaupt Individualisierungsmöglichkeit über das Standardrad hinaus in Form von beispielsweise Mittenkappen usw. Da wird immer wieder nach neuen Ideen gefahndet, es sollen Trends gesetzt werden, man will ihnen nicht hinterherhecheln. Weil das so ist, geht Alcar auch mit allen juristischen Mitteln, die zur Verfügung stehen, gegen Nachahmer vor. Weitere Entwicklungen? 13 und 14 Zoll ist im Minus, wird aber nicht aufgegeben. 15 Zoll ist stabil, ab 16 Zoll beginnt der Wachstumsbereich: Je größer das Rad dimensioniert ist, desto größer sind auch die Wachstumsraten, allerdings natürlich von eher niedrigem Niveau aus. Welche Räder realisiert werden, ist bei Alcar keine Entscheidung einzelner Personen: Es wird die Meinung von den Vertriebspartnern eingeholt, Frohner verweist aber auch darauf, dass es sich selbst die Gesellschafter, die ansonsten nicht voll ins Tagesgeschäft involviert sind, nicht nehmen lassen, an solchen Entscheidungsprozessen aktiv mitzuwirken.
Wo es sich anbietet, legt Alcar eine Räderserie auch mal zugeschnitten auf ein Automodell auf, auch Mischbereifungen (unterschiedlich große Räder für Vorder- und Hinterachse) sind immer mal wieder ein Thema. Grundsätzlich schließt man keine Nische aus, wirtschaftlich darstellbar sollte solch ein Projekt aber schon sein. Reine „Show“-Räder allerdings haben es eher schwerer realisiert zu werden. Je höherwertiger das Rad, desto eher produziert man die Räder in der hauseigenen Fabrik in Neuenrade. Ausnahmen sind Chrom- und Schmiederäder, die zwar auch in Hirtenberg entworfen werden, die aber extern bei den entsprechenden Spezialisten gefertigt werden. Gussräder mit dem Label AEZ werden allesamt in Neuenrade gefertigt. Bei den Designs der anderen Marken ist immer wenigstens eine Kokille in Neuenrade.
Der hausinterne Anteil von Stahl- zu Aluminiumfelgen hat sich in den letzten Jahren hin zum Leichtmetall verschoben, räumt Manfred Wiedhalm ein wenig bedauernd ein, denn er ist der Geschäftsführer der Abteilung „Kfz-Räder“, und damit sind die aus Stahl genannt. Der Aluminiumräderbedarf ist also gestiegen und kann trotz weiterer Investitionen in das Neuenrader Werk nicht hausintern zur Gänze befriedigt werden. Im letzten Jahr hatte die Alcar-Gruppe daher Räder aus Fernost bezogen (von Nisshinbo/Indonesien, Wanfeng/China und China Wheel), aber dieses Offtake-Verfahren ist wie bei anderen immer im Fluss: Ist man zufrieden, bleibt man da, ist man unzufrieden, sieht man sich andere potenzielle Produktionspartner an.
Absolute Zahlen möchte Frohner nicht nennen. Insgesamt dürfte Alcar aber europaweit so um die 1,7 bis 1,8 Millionen Aluminiumräder im letzten Jahr abgesetzt haben, davon sicherlich deutlich mehr als zwei Drittel aus Eigenfertigung. Und damit ist immerhin der Anteil höher als beim Stahlrad, bei dem wir auf 4,5 Millionen Einheiten schätzen. Denn die Hälfte davon wurden bei Hayes Lemmerz hergestellt: Seit dem Jahre 1995 ist Alcar der offizielle Vertriebspartner des weltgrößten Stahlradherstellers weltweit für die Ersatzmärkte außer Nordamerika. Alcars Stahlradeigenfertigung findet bei Ambrosetti im Schweizer Kanton Tessin (bei Lugano) statt; darüber hinaus ist es seit Jahren Usus im doch übersichtlichen Kreis der Stahlradanbieter, dass sie untereinander Austausch betreiben, weil es sich gewiss nicht amortisieren würde, wenn jeder der Hersteller in jede Kleinserie investiert.
Da die Alcar-Gruppe mehr Räder vermarktet als sie selber herstellt, ist die Frage nach einer möglichen Akquisition einer Räderfabrik – ob für Alu oder Stahl – oder nach dem Neubau solch einer Fabrik durchaus legitim, räumt Norbert Frohner ein, und man werde ja auch immer wieder genannt im Zusammenhang mit zum Verkauf stehenden Projekten. Das mag man als Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Gruppe werten, mittelfristig allerdings sei solch ein Schritt eher wenig wahrscheinlich.
Investitionen gehen bei Alcar vornehmlich ins Marketing und kommen vor allem den beiden Marken AEZ und Dotz zugute. Als Premiummarke positioniert, gilt es bei AEZ eine besonders hochwertige Qualitätsanmutung sicherzustellen. Dass Motorsport nicht unbedingt ein Garant dafür ist, hat man erkannt und sich darum sehr weitgehend von dieser Spielwiese anderer Räderanbieter verabschiedet. AEZ steht für besondere Eleganz, für Design und für High-end-Technologie; AEZ ist als Innovationsträger positioniert. Ganz anders Dotz: Für diese Marke ist im deutschen, österreichischen und Schweizer Zeitschriftenhandel sogar ein eigenes Magazin (für 3,90 Euro) erhältlich, Kunden bekommen es natürlich auch; zwar wird mit dem Katalog die autoaffine Tuningklientel angesprochen, auf die von anderen Unternehmen gepflegte Verknüpfung mit erotischen und gar sexistischen Bildstrecken wird allerdings konsequent verzichtet: Mit entsprechenden Magazinen wolle man nicht konkurrieren, auch selbstbewusste Frauen sollen das Magazin mögen, kurz: Es soll seriös sein. General Manager Frohner ist es wichtig, dass das Magazin Inhalte bietet, so zum Beispiel alle Einzelheiten rund ums Driften ohne Effekthascherei beleuchtet werden. Das Dotz-Magazin trägt damit im Übrigen auch einer Marktentwicklung Rechnung: Das „Schrille“ am Tuning mit auffälligen Spoilern, die das Fahrverhalten nicht verbessern, sondern verschlechtern, ist out. Daher geht es um technisches Tuning, das das Auto verschönert, möglichst sogar in seinen Fahreigenschaften optimiert. Vielleicht hat sich im Unternehmen Alcar nicht so viel geändert, das der Schlagzeilen wert wäre, zu sagen haben die Experten von Europas Nummer Eins in Sachen Kraftfahrzeugräder aber eine Menge.
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