Marangoni profitiert von differenzierter Struktur – Interview
Die gegenwärtigen Zeiten sind. Für einige sind sie sogar zu hart. Während der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise müssen zahlreiche Schritte unternommen werden, wenn ein Unternehmen die besonderen Umstände überstehen will. In einem exklusiven Interview mit der NEUE REIFEZEITUNG erläutert Massimo De Alessandri, CEO der Marangoni-Gruppe, wie sein Unternehmen mit der aktuellen Situation umgeht und dass die Aussichten durchaus gut sind, ohne nennenswerten langfristigen Schaden daraus hervorzugehen.
NEUE REIFENZEITUNG:
Das wirtschaftliche Umfeld in Europa war in den vergangenen Monaten – gelinde gesagt – schwierig. Wir wurde die Marangoni-Gruppe davon beeinträchtigt?
Massimo De Alessandri:
Das gesamte Jahr 2008 war ein schwieriges Jahr für die Reifenindustrie, insbesondere im Nutzfahrzeugreifen- und Industriereifenbereich. Konsequenterweise wurde dadurch auch das Runderneuerungsgeschäft, ob direkt oder indirekt, beeinträchtigt, besonders natürlich im letzten Quartal.
Was die anderen Aktivitäten der Gruppe betrifft: Neureifen (Pkw- und Llkw-Reifen) lagen trotz eines Nachfragerückgangs stabil; Reifenvertrieb war Ende 2008 befriedigend, insbesondere dank eines guten Winters (mit schlechtem Wetter); und Technologie hat dank eines beachtlichen Auftragsbestands bisher den Rückgang noch nicht zu spüren bekommen.
Was unser Runderneuerungsgeschäft außerhalb Europas betrifft so kann ich sagen, dass wir in Nordamerika trotz der Krise auf dem Nutzfahrzeugreifenmarkt den Trend zu Wachstum bestätigen konnten. Und in Südamerika haben wird die Krise erst im letzten Teil des Jahres gefühlt.
NEUE REIFENZEITUNG:
Wie sind denn insbesondere die Geschäftseinheiten „Retreading Business“ und „Tyre Retreading“ von der aktuellen Wirtschaftssituation betroffen?
Massimo De Alessandri:
Natürlich muss sich die Gruppe an das neue Nachfrageniveau anpassen, sowohl bei Retreading Systems als auch bei Tyre Retreading. Wir tun dies in dem wir die Dynamik der Lagerbestände managen und sie an die verschiedenen Märkte und Marktsegmente anpassen.
NEUE REIFENZEITUNG:
Kann die Marangoni-Gruppe in diesem Zusammenhang von ihrer differenzierten Struktur profitieren?
Massimo De Alessandri:
Wie bereits angedeutet kann ich bestätigen, dass die Gruppe von ihrer differenzierten Produkt- und Marktstruktur profitieren konnte. Dennoch sollte ich betonen, dass wir gegenwärtig vor einer globalen, strukturellen Krise stehen, die die Nachfrage nach zahlreichen Gütern beeinflusst; es geht dabei nicht nur um Reifen. Zuallererst ist dies eine Krise der Liquidität und des Marktvertrauens und führt dazu, dass wir gleichzeitig einen Nachfragerückgang in der Erstausrüstung und auf dem Ersatzmarkt weltweit sehen.
NEUE REIFENZEITUNG:
Können Sie bereits Auskunft geben über die Geschäftszahlen der Marangoni-Gruppe aus dem vergangenen Jahr?
Massimo De Alessandri:
Die Daten wurden bisher dem Aufsichtsrat weder vorgelegt noch von ihm genehmigt. Hier kann ich also keine speziellen Aussagen machen. All unsere wirtschaftlichen und finanziellen Indikatoren werden aber durch die negativen Entwicklungen des Geschäftsumfeldes im letzten Quartal beeinflusst sein.
NEUE REIFENZEITUNG:
Wie hat die Gruppe auf die Herausforderungen der Märkte reagiert?
Massimo De Alessandri:
Als Reaktion auf die geringe Nachfrage, wie sie für 2009 und 2010 allgemein erwartet wird, haben wir beschlossen, unser Produktionsniveaus anzupassen und unseren Reorganisationsprozess, mit dem wir Anfang vergangenen Jahres beganne, zu beschleunigen. Um unsere Produktionskapazitäten auf die aktuelle und künftig erwartete wirtschaftliche Situation anzupassen, unter Berücksichtigung des zunehmenden Preiswettbewerbs am unteren Ende des Marktes, waren wir gezwungen, die Pkw-Reifenrunderneuerungsfabrik in Feltre zu schließen. Was das Nutzfahrzeugreifensegment betrifft, so mussten wir hier unsere Produktionsprogramme sowohl bei der direkten wie auch indirekten Runderneuerung zurückfahren, auch wenn wir für die kommenden Monate allmählich eine Erholung erwarten. Die Verlagerung der Vollgummireifenproduktion nach Sri Lanka, wie sie im vergangenen Sommer begonnen wurde, soll nun beschleunigt werden. Und wir sehen uns im Stande kurz- und mittelfristig weitere Initiativen zu ergreifen, je nach dem, wie sich die Marktnachfrage in Zukunft verändern wird.
NEUE REIFENZEITUNG:
Bestätigen Ihre Marktinformationen, dass auch anderen Unternehmen aus der Runderneuerungsbranche ähnlich getroffen wurden?
Massimo De Alessandri:
Die meisten Akteure auf dem Nutzfahrzeugreifen- und Runderneuerungsmarkt leiden seit einigen Monaten. Wenn man sich die aktuellen Markttrends anschaut, kann ich mir nicht vorstellen, dass es viele Unternehmen gibt, die durch die Krise nicht betroffen wurden.
NEUE REIFENZEITUNG:
Glauben Sie, es wird eine Konsolidierung unter den Materialherstellern und Runderneuerern geben?
Massimo De Alessandri:
Es ist klar, dass diese Krise den Markt verändern wird und dass die meisten Unternehmen sich entsprechend ihrer Perspektiven verändern müssen. The schwächeren und verletzlicheren Marktteilnehmer werden entweder aufgeben oder sich in neuen Organisationen zusammenfinden müssen. Dies ist das Ergebnis einer natürlichen Auslese.
NEUE REIFENZEITUNG:
Was werden Ihre nächsten Schritte sein, um der aktuellen Krise zu begegnen?
Massimo De Alessandri:
Um die aktuelle Situation auf den reifen Märkten zu kompensieren, muss die Marangoni-Gruppe erneut auf Märkte außerhalb ihrer etablierten Märkte schauen, etwa auf die so genannten BRIC-Staaten oder den Fernen Osten, die heute nur marginal bedient werden, aber ein großes Entwicklungspotenzial im Runderneuerungssektor bieten. Mit Blick auf unser Know-how und unsere Fähigkeiten in den verschiedenen Produkten und Prozesstechnologien (Reifenrunderneuerung, Material-/Laufstreifenfertigung, Anlagenbau) wird die Gruppe ihre Präsenz in Nord- und Südamerika weiter ausbauen und dort ihre Marktdurchdringung beschleunigen, wo wir Möglichkeiten für ein schnelles und profitables Wachstum sehen.
NEUE REIFENZEITUNG:
Wird die Marangoni-Gruppe auch künftig noch Runderneuerungsmaterialien in Ferentino und in Hamburg produzieren?
Massimo De Alessandri:
Absolut. Wir werden auch weiterhin Flach- und Ringlaufstreifen in Hamburg und in Ferentino herstellern. Die möglichen Nachteile durch die Größe zweier Betriebe wird hauptsächlich durch die Nähe der beiden Fabriken zu Nordeuropa bzw. zu Südeuropa, zum Mittelmeer und zum nördlichen Afrika wettgemacht.
NEUE REIFENZEITUNG:
Wie wird der Markt in zwölf Monaten aussehen?
Massimo De Alessandri:
Es ist schwer eine Vorhersage zu machen denn soweit kann noch niemand die Reichweite und die Konsequenzen der Krise in den verschiedenen Marktsegmenten voll abschätzen. Wie ich bereits betont habe, werden einige Produkte und Marktsegmente besonders stark betroffen sein, andere weniger. Viel wird dabei von der Fähigkeit unserer politischen und wirtschaftlichen Institutionen abhängen, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und Vertrauen und wirtschaftliche Vernunft auf allen Ebene wiederzuerlangen.
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