Toyo Tires will in Europa bis 2020 Reifenfabrik in Betrieb nehmen
Auch für Toyo Tires war der europäische Reifenmarkt – hier insbesondere Deutschland – in den vergangenen Jahren ein durchaus schwieriges Wettbewerbsumfeld. Nachdem der Hersteller vor gut fünf Jahren den Vertrieb von Lkw-Reifen einstellte, geriet auch das Pkw-Reifengeschäft zunehmend unter Druck. Allgemein schwache Märkte in Europa, hohe Erträge in Nordamerika und Japan als Heimatmarkt – all dies führte dazu, dass Europa und darin Deutschland als zentraler Markt etwas aus dem Fokus der Japaner verschwanden. Dies habe sich nun aber wieder deutlich geändert, wie Kenta Kuribayashi, seit vergangenem Jahr President und CEO von Toyo Tire Europe, im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG bestätigte. Die Veränderungen seien dermaßen nachhaltig, dass das Management von Toyo Tires sogar die Errichtung seiner ersten Reifenfabrik in Europa mit Produktionsstart 2020 plant.
Dieser Beitrag ist in der April-Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG erschienen, die Abonnenten hier auch als E-Paper lesen können. Sie sind noch kein NRZ-Abonnent? Das können Sie hier ändern.
Toyo Tires erlebt turbulente Zeiten. 2011 hatte das große Japan-Erdbeben (Stichwort: Fukushima) zu einem mehrwöchigen Produktionsstopp im Werk in Sendai geführt, wo Pkw- und Lkw-Reifen produziert werden, auch für den hiesigen Markt. Anfang 2015 dann war bekannt geworden, dass Toyo Tires Erdbebendämpfungssysteme, die nach dem Erdbeben 2011 zum Standard in Japan geworden waren, ohne gültige Genehmigungen vertrieben hatte. Allein in der Bilanz 2016 schlägt sich das, wofür das Schlagwort vom „Dämpferskandal“ geprägt wurde, mit einem außerordentlichen Verlust in Höhe von über 550 Millionen Euro nieder. Zuletzt erlebte Toyo Tires in Europa, insbesondere in Deutschland aber eine deutliche Belebung des Geschäfts, nachdem der Hersteller gerade hierzulande zwei Jahre lang unter besonders schwachen Absätzen zu leiden hatte. Wie Europapräsident Kenta Kuribayashi erklärt, habe Toyo Tires in Deutschland im vergangenen Jahr seine Absätze immerhin um 26 Prozent steigern können, worin allerdings vor allem auch die Schwäche des Referenzjahres 2015 zum Ausdruck kommt. Dennoch: Insgesamt sei der Hersteller in Europa jüngst wieder deutlich besser in den Tritt gekommen. Wie Kuribayashi erklärt, der seit vergangenem Jahr zusätzlich zu Toyo Tire Russia (seit 2013) auch Präsident von Toyo Tire Europe und der deutschen Tochtergesellschaft ist, habe man im vergangenen Jahr europaweit immerhin fünf Millionen Pkw-Reifen verkaufen können. Der deutsche Reifenmarkt ist dabei der größte Einzelmarkt unter dem Dach der Toyo Tire Europe GmbH, die wie die deutsche Vertriebsgesellschaft in Willich bei Düsseldorf ansässig ist. Der Europapräsident muss indes auch konstatieren, dass in Deutschland, wo der Hersteller im vergangenen Jahr immerhin gut 600.000 Reifen absetzen konnte, noch vor rund zehn Jahren doppelt so viele Reifen als derzeit verkauft wurden.
Dass dabei die aktuellen Absätze in Deutschland sogar wieder besser waren als noch 2013, lässt die Verantwortlichen beim japanischen Reifenhersteller an eine nachhaltige Entwicklung glauben, gestützt durch Absatzsteigerungen auch auf anderen wichtigen europäischen Einzelmärkten. Wie Toyo Tires in ihrem jüngsten Jahresbericht schrieb, seien die Absätze in Europa angestiegen „durch aggressive Etablierung und Ausdehnung von Vertriebskanälen“. Wie Kenta Kuribayashi bestätigt, seien die Absätze auf dem deutschen Markt ausschließlich durch die Steigerung der sogenannten In-house-Shares erfolgt; man habe also über bestehende (Großhandels-)Partner mehr Reifen abgesetzt. Man habe darüber hinaus sogar zuletzt die Anzahl an entsprechenden Handelspartnern in Deutschland noch einmal deutlich reduziert; Einzelhändler würden indes weiterhin nicht direkt vom Hersteller beliefert werden.
Die erwartete Nachhaltigkeit dieser Entwicklung, zumindest was die abgesetzten Mengen betrifft, führe sogar dazu, dass der japanische Reifenhersteller mittlerweile recht offen auch über den Bau einer Reifenfabrik in Europa und für Europa spricht. Während in Europa im vergangenen Jahr wie gesagt immerhin fünf Millionen Pkw-Reifen abgesetzt wurden, sollen dies „mittelfristig“ – das bedeutet: bis 2020 –sieben bis acht Millionen Reifen sein, von denen den Planungen zufolge dann immerhin gut eine Million in Deutschland vermarktet werden sollen. Außerdem werde sich Toyo Tires Europe künftig stärker um den Markt im Mittleren Osten und Afrika kümmern, wo man bis 2020 ein Absatzpotenzial von immerhin zwei Millionen Reifen sieht. Zusammen mit dem Reifenmarkt in Russland, der Ukraine und Weißrussland, wo allein heute 1,5 Millionen Toyo-Reifen vermarktet werden, sehen die Verantwortlichen des japanischen Herstellers die Zeit reif für ein eigenes europäisches Reifenwerk.
Auch wenn der Vorstand des Unternehmens in Japan derzeit noch keine offiziellen und vor allem öffentlichen Entscheidungen bezüglich einer solchen Reifenfabrik getroffen hat, bestätigt Europapräsident Kenta Kuribayashi im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG doch, sie werde „ernsthaft erwogen“. Übersetzt man diese Aussage in Alltagssprache, so scheint die Entscheidung intern im Kern bereits gefallen. Derzeit jedenfalls kümmere sich ein Task-Team um die Untersuchung möglicher Standorte in Europa, so dass der Vorstand bis zum kommenden Jahr die Baupläne formell auf den Weg bringen kann.
Von einer Reifenfabrik in Europa könnte auch das Erstausrüstungsgeschäft des japanischen Herstellers profitieren, was sich wiederum auf die gesamte Präsenz auf dem europäischen Markt auswirken würde. Derzeit sei man nur bei hochwertigen Kleinserienmodellen in Europa engagiert, die aber durchaus aufhorchen lassen. So rüstet Toyo Tires etwa seit 2015 den neuen Audi Q7, aber auch die Audis RS 4, RS 5, TT, TTS und TT RS mit seinen Reifen aus, wie Wilhelm Höppner im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutert. Wenn denn die Reifenfabrik in Europa kommt, wäre mit Sicherheit auch eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung angeschlossen, wie dies nicht nur üblich, sondern eben auch erforderlich ist, bekenne man sich mit einer eigenen Fabrik doch auch technologisch klar zu einem Markt. Die Errichtung einer solchen F&E-Einrichtung in Europa sei darüber hinaus und unabhängig von einer noch zu bauenden Reifenfabrik bereits im mittelfristigen Entwicklungsplan 2020 vorgesehen gewesen, so der Vice President – Technical, Research & Development weiter, der seit über einem Vierteljahrhundert in den Diensten des japanischen Reifenherstellers steht; Höppner verlässt das Unternehmen übrigens dieser Tage in den Ruhestand.
Insgesamt sollte die sich Präsenz von Toyo Tires durch eine eigene Fabrik in Europa deutlich verbessern. Auch wenn das Container-Direktgeschäft in Europa für den japanischen Hersteller immerhin 60 Prozent ausmacht, seien die Logistikkosten nicht zu vernachlässigen. Für Kunden in Deutschland und der Region etwa kooperiert Toyo Tires mit Kontraktlogistiker Fiege mit Lager in Dortmund. Mit einer eigenen Fabrik ließen sich Liefer- und Reaktionszeiten und damit kostenträchtige Lagerbestände mitunter deutlich reduzieren, so Kenta Kuribayashi.
Eine eigene Fabrik könnte darüber hinaus auch die europaweite Einführung der Toyo-Zweitmarke Nitto befördern. Nitto-Reifen sind in den USA bereits fest etabliert – vornehmlich für SUVs und 4×4-Fahrzeuge sowie für den Motorsport – und werden durch den japanischen Hersteller seit zwei Jahren auch versuchsweise in Russland, Italien und in den Benelux-Staaten angeboten, dies allerdings nur „in sehr kleinen Mengen“, wie der Europapräsident unterstreicht. Motorsport sei zwar auch in Europa für den japanischen Hersteller nicht zu vernachlässigen, ist man doch etwa für die kommenden beiden Jahre Namenssponsor der „Deutschen Rallycross Meisterschaft powered by Toyo Tires“ und biete den teilnehmenden Teams auch Reifen für die besagte Serie an. Dennoch gelte auch hier, was für die Erstausrüstung gelte: Wachstum und zunehmendes Engagement kommen schrittweise voran. arno.borchers@reifenpresse.de
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