Semperit: Marke wird gestärkt, Lkw-Reifenfamilie Runner ausgebaut

Zweitmarken haben es in großen Konzernen zumeist nicht so einfach. Die vorhandenen Energien und Ressourcen werden gerne in die Erstmarke gesteckt, zumal wenn sie Premiumstatus hat. Dabei weiß man: Eine Marke, die nicht gepflegt wird, erodiert mit den Jahren. Und das ist schade, wenn diese Marke Stärke, wenn sie Tradition hat. So wie Semperit, seit mehr als 30 Jahren im Portfolio des Continental-Konzerns. Dass derzeit die Zweit- und Drittmarken auch anderer Konzerne eine Renaissance erleben, mag Zufall sein oder einem gewissen Herdentrieb geschuldet. Das 110. Jubiläum sowie obendrein eine signifikante Ausweitung der Lkw-Reifenpalette diente als Anlass, mit einem aufwändigen Event zu verdeutlichen, dass man sich im Hause Continental bewusst ist, mit der Marke Semperit ein großes Pfund in der Hand zu haben, in das zu investieren sich in jedem Falle lohnt.

Die Marke

Semperit ist eine österreichische Erfolgsgeschichte. Auch wenn sie gelegentlich allzu verkürzt als alpenländische Marke klassifiziert wird, sei daran erinnert, dass Semperit-Erzeugnisse – die Marke gibt es auch für andere Produkte als Reifen, aber die gehören nicht zum Continental-Konzern – in ihrer Historie den Weg in alle Ecken dieser Welt gefunden haben, und das gilt dann auch wiederum für Semperit-Reifen. Heute ist Semperit eine europäische Marke, aber es gibt Pläne, sie auch darüber hinaus wiederzubeleben.

Daran, dass die Geschichte des Unternehmens eigentlich noch viel länger als 110 Jahre währt, hat im Rahmen einer Präsentation vor fast 400 Händlern aus 26 Ländern Europas und tags drauf vor zweieinhalb Dutzend Journalisten aus Semperit-Kernmärkten Constantin Batsch (45) erinnert. 1824 hat Johann Nepomuk Reitthoffer ein Patent angemeldet und das kaiserliche Privileg erhalten, „Wolltücher zu Kleidern wasserdicht zu machen“. 1850 hat er sich endgültig als Pionier der Industriegeschichte erwiesen, als er die erste Fabrik zur Herstellung von Gummiartikeln in Betrieb nahm. Zur Jahrtausendwende wurden dann die ersten Pkw-Reifen in Österreich gefertigt, 1906 der Name Semperit kreiert. Das Wort ist dem Lateinischen „semper it“ entliehen, was übersetzt soviel wie „es geht immer“ heißt. Und das passt ja nun wirklich prima zu Dingen, die in Bewegung sind, wie eben Reifen.

Die Semperit Gummiwerke GmbH sollte sich prächtig entwickeln, der Name in Österreich so bekannt werden wie in Deutschland Continental. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass Österreicher stolz sind auf große Persönlichkeiten ihrer Historie – von Mozart über Hundertwasser bis zu Niki Lauda – und auf Marken, die mit dem Lande assoziiert werden, so wie eben Semperit. Meilensteine in der Geschichte der Reifenmarke waren sicherlich der erste Lkw-Luftreifen im Jahre 1927, der erste zentraleuropäische Winterreifen „Goliath“ (hat in diesem Jahr sein achtzigjähriges Jubiläum), 1962 dürfte Semperit der erst zweite Reifenhersteller überhaupt gewesen sein, der Lkw-Reifen radialer Bauweise herstellte. 1985 gelangte das Unternehmen schließlich in den Schoß der Continental AG, verlor in den Folgejahren natürlich auch an Eigenständigkeit, Österreich schließlich auch den Status eines Reifen herstellenden Landes sowie die letzten F&E-Aktivitäten. Eine starke Zweitmarke (den Status hat in Europa auch Uniroyal – hat Semperit allerdings behauptet.

Semperit nähert sich hinsichtlich Marktabdeckung gar dem Premiumsegment an: Haben Premiummarken eine Marktabdeckung von 90 Prozent plus X, so lag die Österreich-Marke bis zuletzt bei 76 Prozent, so Lutz Stäbner (41), der im Continental-Konzern verantwortlich für das Markenmanagement im Raum EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) ist. Jetzt ist Semperit dabei, 87 Prozent zu erreichen. Zweitmarken reichen in der Sortimentstiefe nicht an Premiummarken heran und decken auch nicht so viele Nischen ab. Daher haben die Lkw-Reifen der Marke in technischer Hinsicht tendenziell eher eine Ausrichtung als Allrounder, der sich in der Mitte des Marktes bewegt. Und dieser Bauch des Marktes macht den größten Anteil am Gesamtmarkt aus, taxiert Barry Guildford (40), Verkaufsdirektor Lkw-Reifen EMEA, den Anteil des Premiumsegmentes auf 35 und den des Budgetsegmentes auf etwa 20 Prozent. Mithin tummelt sich Semperit zwar in einem wettbewerbsintensiven „Mittelfeld“ – in dem beispielsweise auch Marken wie Firestone, Fulda oder Hankook verortet sind –, aber mit einem Anteil von 45 Prozent in dem Bereich, der als der größte gilt.

Reifen der Marke Semperit werden heute flächendeckend in Europa distribuiert, vom äußersten westlichen Punkt Europas bis zum Ural. Die Bestände sind gar um mehr als 60 Prozent gegenüber Vorjahr aufgestockt worden. „Semperit ist eine starke Marke“, sagt Daniel Gainza (46), Marketingdirektor Lkw-Reifen EMEA. Gerade starke Lkw-Reifenhändler wissen, was sie an Semperit haben, „Austauschbarkeit“ mit anderen Marken wolle man vermeiden, sagt Gainza. Übrigens auch mit dem hauseigenen „Mitbewerber“ Uniroyal, der zwar in etwa die gleiche Größenordnung hat wie Semperit, aber eher punktuell Handelspartner hat, während Semperit „zwar nicht an jeder Ecke“, aber doch breiter gestreut zu haben ist.

Die Marke soll etwas Besonderes sein und das soll sich auch in der Händlerschaft widerspiegeln, lässt Gainza nicht unerwähnt, dass es beispielsweise in Benelux „Semperit Dealer Clubs“ gibt, in Italien die „Semperit Masters“, in Spanien einen „Club Semperit“ und in Großbritannien – als „Budgetreifenmarkt“ bekannt – spezielle „Key Dealer“-Programme. „Inexhaustible. Just like you.“ lautet die Werbebotschaft, mit der Semperit seine Eigenständigkeit demonstriert. So wie die Trucker „unerschöpflich“ auf den Straßen Europas die Transportgüter, die wir alle benötigen, hin und her kutschieren, so „inexhaustible“ ist auch Semperit. „Menschen machen mit Menschen Geschäfte“, erinnert Daniel Gainza an eine altbekannte Erfahrung. Und so wie jeder Mensch etwas Besonderes ist, so ist es auch Semperit. „Transporting heritage into the future“ hatten die Veranstalter das Event in Österreich überschrieben. Das Erbe des Johann Nepomuk Reitthoffer wird nicht nur gepflegt und vom Continental-Konzern gewahrt, es wird auch technisch fit gemacht für die Ansprüche des Güterverkehrs von morgen. Denn nach allen vorliegenden Prognosen werden Lkw ihren heute 80 Prozent ausmachenden Anteil am gesamten Transportaufkommen bis zum Jahre 2030 wenigstens halten.

Stellten sich den Fragen der Journalisten: Constantin Batsch, Daniel Gainza, Frank Walloch, Barry Guildford und Lutz Stäbner

Stellten sich den Fragen der Journalisten: Constantin Batsch, Daniel Gainza, Frank Walloch, Barry Guildford und Lutz Stäbner

Der „Runner“

Für den Einsatz im kombinierten Regional- und Fernverkehr hatte Semperit die Reifenlinie Runner in 315/80 R22.5 im Sommer letzten Jahres gelauncht, seit Kurzem gibt es den Lenkachsreifen F2 und den Antriebsachsreifen D2 auch in der Dimension 315/70 R22.5. Die komplette Reifenfamilie inklusive Trailerreifen war erstmals auf der Commercial Vehicle Show 2016 Ende April in Birmingham zu sehen. Auch der Trailerreifen T2 in 385/65 R22.5 spiegelt die Vielseitigkeit der Produktlinie „Runner“ wider, von der die Verantwortlichen erhoffen, dass sie auch zu einem Verkaufsrenner wird. Mit 22.5 Zoll werden 76 Prozent des Lkw-Reifenmarktes (gemäß ETRMA, European Tyre & Rubber Manufacturers Association) abgedeckt, so Barry Guildford, sechs Prozent entfallen auf 19.5, 14 Prozent auf 17,5 Zoll. Das Größenportfolio der Runner-Produktlinie ist bereits heute sehr komplett auf allen drei Achspositionen.

Der „Runner“ soll zum „Renner“ werden

Der „Runner“ soll zum „Renner“ werden

Die Entwicklungsschwerpunkte, die Stäbner und seine Kollegen den Entwicklern im Hause Continental auferlegt hatten für den Runner, waren vielfältig. Wie sie bewältigt werden konnten, erklärt Frank Walloch (58), der für die Produktentwicklung Lkw-Reifen im Raum EMEA im Konzern zuständig ist. Um dem Anforderungsprofil „Vielseitigkeit“ gerecht zu werden, wurde beispielsweise eine Laufflächenmischung mit einem multifunktionalen Polymer für alle Achsen entwickelt. Von einem Allrounder wie dem Runner erwarten die Anwender hohe Laufleistung bei gleichzeitig geringem Rollwiderstand. Sie erwarten aber auch, dass sie die von der Marke versprochenen Leistungen spürbar nachempfinden können, weshalb dem Laufflächendesign beispielsweise des Antriebsachsreifens ein Blockdesign zugrunde liegt für gute Traktion mit funktionalen Lamellen für Nassgriff über das ganze Reifenleben hinweg und die Blöcke so angeordnet worden sind, dass sie ein niedriges Geräusch beim Aufschlagen auf der Fahrbahn erzeugen. Hilfreich dabei war nicht zuletzt, wie Walloch sagt, ein weiterer Kollege, der namentlich sonst nie genannt wird: der Computer. Bei der Entwicklung des Runner konnte auf die neuesten und modernsten Simulationsmethoden zurückgegriffen werden, über die eben nur ein führender großer Reifenhersteller verfügt. Übrigens ist das beim Antriebsachsreifen D2 so gut gelungen, dass er von einer internationalen Jury mit dem prestigeträchtigen „Red Dot Design“-Award ausgezeichnet wurde. In den Kategorien Funktionalität, Innovation und Ergonomie konnte der Reifen besonders punkten. Solch einen Preis gewinnt freilich nur ein Produkt, das rundum zu gefallen weiß, in diesem Falle auch mit Äußerlichkeiten wie einer optisch ansprechenden Reifenseitenwand. Robust und haltbar sollten Runner-Reifen sein, hatten Verkauf und Marketing den Entwicklern auch noch ins Lastenheft geschrieben. Erreicht wurde das durch eine Verbreiterung der Lauffläche, sodass etwa sieben Prozent mehr Gummi auf die Straße gebracht werden und beispielsweise der Trailerreifen „richtig satt auf der Straße liegt“.

Gerade bei Lkw-Reifen ist die Güte der Karkasse ein sehr entscheidender Faktor. Bei der Entwicklung der Semperit-Runner-Karkasse gibt es einerseits Elemente, die auch bei der Premiumkarkasse (Generation 2) der Premiummarke Continental enthalten sind, so Frank Walloch, andere Elemente wiederum unterscheiden sich. Semperit ist eben Semperit und trotz aller Konzerndisziplin etwas Besonderes. detlef.vogt@reifenpresse.de

An die 400 Semperit-Kunden waren zum Event „Transporting heritage into the future“ nach Wien gekommen

An die 400 Semperit-Kunden waren zum Event „Transporting heritage into the future“ nach Wien gekommen

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