Es läuft gut bei BBS – Stehen in der Zukunft die Fragezeichen?
Wenn alles, was produziert wird, auch verkauft wird, wenn die Erstausrüstung bei den Abrufen der Automobilhersteller gar nicht hinterherkommt und die Versorgung des Aftermarkts mit Ware kaum gewährleistet werden kann, wenn die Mitarbeiterzahl innerhalb von drei Jahren von knapp 300 auf mehr als 550 ansteigt und händeringend weiteres qualifiziertes Personal gesucht wird, wenn von 3- auf 4-Schicht-Betrieb umgestellt wird – dann weisen doch eigentlich alle Parameter auf starkes Wachstum hin, dann muss man doch optimistisch sein, dann sind doch genannte Probleme Luxusprobleme. Die Gemengelage beim Premiumaluminiumräderanbieter BBS ist eine komplizierte.
Wo soll man anfangen, wie weit zurückgehen in der gut viereinhalb Jahrzehnte währenden Geschichte des Unternehmens mit Stammsitz in Schiltach (Schwarzwald) und womit? Bei den beiden Insolvenzen der Jahre 2007 und 2010, bei drei Eigentümerwechseln in nur acht Jahren? Weil die langjährigen Mitarbeiter am liebsten die schmerzhaften Einschnitte des letzten Jahrzehnts abhaken möchten und manches einfach Schnee von gestern oder dutzendfach durchgekaut ist, bietet sich das Jahr 2015 an.
Zu den Investoren
Im Sommer 2015 ist die börsennotierte koreanische Unternehmensgruppe NICE Holdings Co. bei BBS eingestiegen und hat mit 80 Prozent die Majorität der Anteile übernommen. Entsprechend ihrer vorherigen Anteile sind die fünf Altgesellschafter an Bord geblieben und halten ihre jetzt auf ein Minimum geschrumpften Beteiligungen bis zum heutigen Tage: Tyrol Equity, Udo Wendland (bzw. dessen Konstant Industriebeteiligung), Stefan Hamm, Lafayette Industriebeteiligungen und Jürgen Lohmann, der die BBS-Geschäfte gemeinsam mit Tobias Schleicher (verantwortlich für die Finanzen) führt.
Von NICE wusste man jedenfalls in der Räderbranche bis dato nichts, daher: Die koreanische Unternehmensgruppe hat ihre Wurzeln im Finanzsektor – erst mit Ratings, dann mit Kreditkartengeschäften –, erlebt aber jedenfalls partiell eine Transformation hin zu produzierenden Segmenten. Das Unternehmen ist eher durch Akquisitionen denn organisch gewachsen. Etwa 8.000 Menschen arbeiten für die gut drei Dutzend NICE-Firmen bzw. -Beteiligungen und setzen mehr als eine Milliarde Euro um. Der Umsatz der Produktionssparte dürfte im Jahre 2015 bei etwa 400 Millionen Euro gelegen haben. Zum Produktportfolio gehören etwa elektronische Teile oder Metallgusswerkstücke, ein Schwerpunkt liegt bei Autoteilen, so den Metallschienen, auf denen Autositze verschoben werden.
Ins operative Geschäft des Räderherstellers mischen sich die Koreaner nicht ein – jedenfalls soweit man das von außen beobachten kann. Es gibt einen Investitionsplan, der aktuell der mechanischen Bearbeitung zugute kommt und einer Steigerung der Produktivität dienen soll mit dem konkreten Ziel, bereits im Jahre 2017 eine jährliche Ausbringung von 1,2 Millionen Einheiten zu erreichen. BBS-Geschäftsführer Lohmann hat gegenüber lokalen Medien von einem bis 2020 geltenden Geschäftsplan gesprochen. Von sechs bis acht Millionen Euro jährlich ist die Rede, von sogar 700 bis 800 Arbeitsplätzen an den beiden Werksstandorten Schiltach und Herbolzheim.
BBS passt zu NICE, weil die Gruppe ihren produzierenden Part stärken will. BBS passt zu NICE, weil die Koreaner die Ambition haben, internationaler zu werden. BBS passt zu NICE, weil die Holding über eine exklusive Lizenz beim Metallguss „ECO“ verfügt, die die Herstellung noch leichterer Produkte aufgrund einer neuartigen Legierung – hier für Aluminiumräder – verheißt. Und BBS passt zu NICE, weil damit ein Einstieg in den High-Performance-Premiummarkt verbunden ist.
Zum Räderhersteller
Die Verteilung der Produktion von Aluminiumrädern im Niederdruckgießverfahren auf die beiden Standorte Schiltach und Herbolzheim – etwa anderthalb Stunden Lkw-Fahrzeit voneinander entfernt – wird von den direkten Konkurrenten immer wieder als ein Wettbewerbsnachteil für BBS beschrieben und hat sie in der Vergangenheit davon abgehalten, den Premiumanbieter zu kaufen, als er auf dem Markt war. Auch hat „die Chemie“ zwischen den Schiltacher Arbeitern einer- und den Herbolzheimern andererseits nicht mehr gestimmt in schlechten Zeiten, weil Ängste um den Arbeitsplatz geschürt worden waren. Das sollte überwunden sein, schließlich sucht BBS Personal für beide Standorte. Aktuell verteilt sich das Personal grob auf etwa ein Drittel Herbolzheim, zwei Drittel Schiltach. Guss und Bearbeitung einschließlich Flowforming erfolgen am Stammsitz, die Oberflächenbehandlung und vor allem die Logistik an der dafür prädestinierten Dependance.
Zur Erstausrüstung
Eine gewisse Porsche-Abhängigkeit ist nicht zu leugnen. Und der sensationell gute Anlauf des Modells Macan hat dafür gesorgt, dass die Produktionsverantwortlichen bei BBS so richtig ins Rotieren geraten sind und auch die letzten Fertigungsressourcen mobilisieren mussten. Andererseits: Mit VW sowie Audi, Bentley, AMG, General Motors und künftig Jaguar/Land Rover und BMW ist es bereits gelungen, das Kundenportfolio in der Erstausrüstung breiter aufzustellen. Zu erkennen ist an der Auflistung obendrein, dass der Fokus weiterhin auf Premiumautomarken bzw. deren Premiummodellen liegt und die den Bedarf an hochwertigen Aluminiumrädern nach allen Prognosen weiterhin hochhalten werden. Mit etwas mehr als 80 Prozent Erstausrüstungsanteil bezogen auf die Volumina hat BBS ein Mix, das besser ist als das der beiden großen Zulieferer Ronal sowie Borbet und in etwa auf dem aktuellen Niveau von Uniwheels liegt.
Zur Marke
Nicht ideal ist der Status rund um die Marke. In Japan gibt es die BBS Japan, die im Rahmen einer Insolvenz von Washi Beam bzw. der Ono-Gruppe an den Namen gekommen ist. BBS Japan deckt den asiatischen Raum ab, Europa und Nordamerika werden von Schiltach bearbeitet. Japan ist weit, Haslach gerade einmal eine halbe Autostunde entfernt – und da ist die unternehmensrechtlich von den Schiltachern unabhängige BBS Motorsport (siehe an anderer Stelle in dieser Ausgabe) ansässig. Ein akutes Problem ist das nicht, denn man kooperiert ja zum gegenseitigen Wohl miteinander. Die Rohlinge für die im Ersatzgeschäft von BBS angebotenen Schmiederäder stammen aus Takaoka (Japan), abgewickelt wird das Ganze über die Haslacher, die auch für die Bearbeitung sorgen. Das ist kein Idealstatus, denn beim Markennamen ist das Streben, alle Rechte im eigenen Hause zu haben, nur zu verständlich. Man hat ja selber nicht in der Hand, was die Partner so machen bzw. was mit denen vielleicht einmal passiert.
Dass BBS bei Endverbraucherbefragungen immer wieder als bekannteste, beliebteste, beste Marke ganz oben auf dem Podium steht, spricht für deren schier unglaubliche Stärke. Und das trotz aller Wirren in der Vergangenheit. BBS ist aber nicht nur hierzulande populär wie keine andere Rädermarke, sondern auch international gut aufgestellt: Knapp 50 Prozent des dem „Vice President IAM“ Erwin Eigel zum Verteilen zugestandenen Volumens – anders lässt sich die aktuelle Situation kaum beschreiben – gehen in den Export. Hierzulande ist BBS inzwischen wieder bei allen relevanten Ketten gelistet (das war in dunkler Zeit „auf Null“ abgefallen). Eigel, der Ende 2012 zu BBS gekommen war und sich mit langjähriger ATS-Erfahrung im Premiumsegment bestens auskennt, hat das Produktportfolio grundlegend modernisiert und an den Bedürfnissen des Umrüstmarktes ausgerichtet. Auf das erste ABE-Rad folgte das erste ABE-Rad mit Flowforming-Technologie, dann das erste ECE-Rad. Ein zweiteiliger Klassiker („bei uns sind Mehrteiler jedenfalls nicht tot“, erteilt Eigel einem vermeintlichen Markttrend eine Absage) im Schmiedesegment half dereinst in 15 Zoll mit, den Mythos BBS zu schaffen, wird jetzt in 8,5×19 und 8,5×20 Zoll als Super RS angeboten und erlebt ein strahlendes Revival. Das neue FI-R, ebenfalls geschmiedet und in sechs 19- und 20-Zoll-Größen im Angebot, wurde dank „Erleichterungsfräsungen auf 7,9 Kilogramm in der 20-Zoll-Vorderradversion und auf 8,3 Kilogramm fürs Hinterrad auf eine ganz strenge Diät gesetzt. Unterhalb der „Forged Line“ bietet BBS im Ersatzmarkt die immer noch hochpreisig angesiedelte „Performance Line“ an, deren Räder allesamt dank Flowforming gewichtsoptimiert sind. Konventionelle Gussräder sind bei BBS unter der „Design Line“ subsumiert, Premiumansprüche erfüllen freilich auch sie – lediglich bei einer einzigen Version reicht das Größenspektrum bis auf 16 Zoll herab.
Zu den Aussichten
Im Jahre 2015 hat BBS den Umsatz schon mal erneut von 70 Millionen im Vorjahr auf 75 Millionen Euro gesteigert, 2012 waren es erst 52,6 Millionen Euro. 2016 sollen wenigstens 850.000 Räder hergestellt werden, was aufgrund der Beseitigung von Flaschenhälsen in der Produktion möglich sein sollte. Die Auftragslage ist blendend, ein zwanzigprozentiges Plus in der Erstausrüstung ist wiederholbar. Der Premiumautomarkt, auf den sich BBS in der Erstausrüstung wie im Ersatzgeschäft konzentriert, boomt. An der Marke sind keinerlei Schrammen erkennbar. Die Investoren und das Management schicken sich an, das Unternehmen wetterfest zu machen. Die Fragezeichen um die Zukunftsfähigkeit von BBS sind allesamt nur vage, die Voraussetzungen werden geschaffen, dass sie sich auflösen. detlef.vogt@reifenpresse.de
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