Spotlight auf den Rädermarkt USA

Vor allem Aluminiumräderhersteller aus China beherrschen den US-Markt. Das gilt in besonderem Maße für das Ersatzgeschäft, aber auch den Erstausrüstungsmarkt. Bis auf (OE-Marktführer) Superior Industries (Van Nuys/Kalifornien) sind die traditionellen amerikanischen Aluräderhersteller verschwunden (z. B. Amcast), zur Marginalie verkommen (z. B. American Racing) oder geflüchtet (z. B. Hayes Lemmerz, heute Maxion Wheels).

Wobei man wissen muss, dass der nordamerikanische Markt so ganz anders ist als der europäische. Das beginnt schon damit, dass etwa drei Viertel der verbauten Aluminiumräder auf sogenannten Light Trucks landen und nur etwa ein Viertel auf Fahrzeugen, die nach unserem Verständnis in die Kategorie Personenkraftwagen gehören. Weil der Markt so riesig erscheint, haben auch immer wieder Europäer versucht, Fuß zu fassen – und sind allesamt gescheitert. Und zwar weil es DEN US-Markt gar nicht gibt. Kalifornien funktioniert anders als der Großraum New York, „Motown“ Detroit anders als Florida. Und die weiten Landstriche im Inneren der USA sollte man besser gleich als Absatzmarkt vergessen. Wer in den Vereinigten Staaten im Alurädermarkt Erfolg haben will, der braucht viele Partner und das Patentrezept, gegen die preisaggressiven chinesischen Hersteller bestehen zu können.

Erst haben die Chinesen den US-Aftermarket erobert. Die amerikanischen Verbraucher haben immer noch geglaubt, US-Räder zu kaufen. Dabei hatten die US-Alu-Brands längst die Fertigung im fernen China in Auftrag gegeben. Ein schöner US-Name stand drauf, made in China war drin. Das war ein Glücksfall für die Europäer, denn so kaprizierten sich die Chinesen auf Nordamerika und machten um Europa noch einen weiten Bogen. Die später in Europa erhobenen Strafzölle wegen Dumpingvergehen chinesischer Räderhersteller haben die nicht wirklich gekratzt. Überhaupt ist für Chinesen das US-Geschäft einfacher: keinen lästigen TÜV im Ersatzgeschäft, die Qualitätsanforderungen in der Erstausrüstung bei General Motors, Ford und Chrysler signifikant unter denen von Mercedes-Benz, BMW, Audi und Co. in Europa.

Aber das ist genau der Aspekt, den auch europäische Räderhersteller lange unterschätzt haben. Aluminiumräder herzustellen ist keine Raketenwissenschaft, die Chinesen haben schnell, sehr schnell gelernt und bei der Qualität aufgeholt. Die gleichen Materialien und die gleichen Maschinen haben sie ohnehin. Auch wenn sie so manches Mal die eine oder andere Maschine nachgebaut haben, was hiesige Werkzeugbauer geärgert hat. Die Chinesen haben das perfekt gemacht. Und sich schließlich auch in der Erstausrüstung etabliert. Als das chinesische Staatsunternehmen Dicastal – größter Aluminiumräderhersteller weltweit – im Jahre 2005 globaler strategischer Partner bei Ford und ein Jahr später auch bei General Motors wurde, da war er längst A-Lieferant bei Audi.

Wenn – siehe Schaubild – tatsächlich noch 40 Prozent aller in den USA in der Erstausrüstung verbauten Räder aus inländischer Fertigung stammen, dann liegt das auch daran, dass beispielsweise Japaner Aluminiumräder in den USA produzieren, weil sie dereinst den Transplants – in den USA Autos bauende japanische Firmen – gefolgt sind. Und ein klein wenig trägt auch noch Borbet dazu bei, weil er nach der 2007er Insolvenz der damaligen Stahlschmidt & Maiworm zuschlug und sich des Räderwerkes ATS Light Alloy Wheels (Alabama), Inc. erbarmte.

Eindeutiger Primus im amerikanischen Erstausrüstungsgeschäft allerdings ist die 1957 vom charismatischen Louis L. Borick gegründete Firma Superior, die heute etwa zwölf Millionen Aluminiumräder jährlich herstellt, die fast ausschließlich in der Erstausrüstung verbaut werden: zu 45 Prozent von Ford (2013), zu 24 Prozent von General Motors, ferner von Toyota (12 Prozent), Chrysler (10 Prozent), Nissan (5 Prozent) und anderen (BMW, Subaru, Tesla, Volkswagen). Seit 1969 ist Superior an der New Yorker Börse gelistet, noch lange Jahre hat die Familie Borick – auch dank des CEO Steven Borick, Sohn des Firmengründers – das Heft in der Hand gehalten. Inzwischen ist Superior aber längst Spielball in der Hand von Investmentfirmen. Auch Superior hat natürlich längst gemerkt, dass ein Produktionsstandort USA für Aluminiumräder vorsichtig formuliert schwierig ist und sukzessive Kapazitäten über die südliche Grenze nach Mexiko verbracht. Aktuell unterhält Superior mit Fayetteville (Arkansas) nur noch ein Werk in den USA, nachdem der ursprüngliche Heimatstandort ausgeblutet ist und erst kürzlich mit Rogers ein Schwesterwerk (ebenfalls Arkansas) schließen musste. Dafür hat Superior aber bereits drei Fabriken in Mexiko, eine vierte wird in Kürze in Betrieb gehen. Und woher Superior die in den letzten Jahren gemachten Gewinne holt, konnte man leicht aus den Geschäftsberichten ablesen. Jedenfalls nicht aus Arkansas.

Dass Mexiko ein attraktiver Fertigungsstandort fürs amerikanische Aluminiumrädergeschäft ist, hatte auch frühzeitig die damalige Firma Hayes Lemmerz gemerkt, in den USA ihre (Aluräder-)Zelte abgebrochen und in Mexiko irgendwo „in the middle of nowhere“ (so ein Manager des Räderherstellers, der heute zur Maxion-Gruppe gehört) wieder aufgeschlagen. In der Ronal-Gruppe ist das einstige Abenteuer Kanada längst abgehakt: Auch die Schweizer zieht’s nach Mexiko, ferner Japans Central Motor Wheel (CMW) und Prime Wheel (ursprünglich USA, aber längst mit China-Fertigung). Die gute Nachricht fürs US-amerikanische Aluminiumrädergeschäft: Die Chinesen können derzeit keine weiteren Marktanteile gewinnen. Die schlechte Nachricht fürs US-amerikanische Aluminiumrädergeschäft: Dafür die Mexikaner! detlef.vogt@reifenpresse.de

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