BRV-Mitgliederversammlung: Talsohle wohl erreicht, aber die Lage bleibt schwierig
Die Talsohle im deutschen Reifenhandel scheint erreicht zu sein. Das sagte Peter Hülzer auf der 31. Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) und belegt es auch mit Zahlen. Er mahnt aber: „Auch wenn die Betriebsergebnisse weitestgehend eine positive Entwicklung aufweisen, stehen die Unternehmen vor großen Herausforderungen. Insbesondere anstehende Investitionen in Werkstattausrüstungen, IT-Systeme und die Weiterbildung der Mitarbeiter seien wichtig, und sie erfordern einen Gewinn von sechs bis sieben Prozent.“ Der Verbandschef wundert sich über die „stoische Gelassenheit“ mit welcher der Reifenhandel die „absurden Aussagen“ der Industrie zu Kenntnis nimmt, dass der Reifenfachhandel in absehbarer Zeit am Verkauf eines Pkw-Reifens keine Marge mehr haben werde.
250 Mitglieder waren ins Congress Centrum Nord auf dem Gelände der Messe in Köln angereist. Hier berichtete Peter Hülzer ein letztes Mal als Vorsitzender des Verbandes über die Lage der Branche und die Arbeit des BRV. Zunächst mal das Gute: Die Branche habe im gesamten Consumer-Segment (also die Produktgruppen Pkw-, Off-Road- und Leicht-Lkw-Reifen) ein Plus von 0,5 Prozent verzeichnet. Die Off-Road-Reifen hätten mit 4,14 Millionen verkaufter Reifen ein Absatzplus von fast sechs Prozent zu verzeichnen, die Leicht-Lkw-Reifen hätten mit 3,36 Millionen Stück ein Plus von 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hingelegt. Nur die Pkw-Reifen hätten mit gut 48 Millionen verkauften Reifen ein leichtes Minus von 0,5 Prozent zu verzeichnen. Aber: „Wir müssen einräumen, dass es uns offensichtlich relativ schwerfällt, positive Rahmenbedingungen wie zum Beispiel steigende Fahrzeugzulassungen in höhere Reifenabsätze umzusetzen“, so Hülzer. Insgesamt habe es laut Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes Anfang des Jahres 62,6 Millionen gemeldete Fahrzeuge in Deutschland gegeben. Deren Durchschnittsalter habe 9,3 Jahre betragen, 600.000 Autos seien mindestens 30 Jahre alt. „Dies ist ein enorm großes Potenzial, das engagierte Marktbearbeitung erfordert, der sich der Reifenfachhandel meines Erachtens noch intensiver widmen sollte.“
Bei den Lkw-Reifen sei der Reifenfachhandel mit einem Marktanteil von 90 Prozent der dominierende Distributionskanal. „1,9 Millionen Neureifen wurden 2016 vermarktet. Dies ist ein Plus von 6,1 Prozent“, so Hülzer. Der Absatzrückgang bei runderneuerten Reifen habe hingegen bei 5,7 Prozent gelegen. Insgesamt von 820.000 Stück verkauft. Auch wenn in 2016 Nachbesserungen in puncto teilweiser Förderfähigkeit erreicht wurden, müsse sich nichts vorgemacht werden, „die Lage bleibt hier schwierig“.
Auch für 2017 gehe der BRV-Vorstand davon aus, dass sich die leicht rückläufige Tendenz bei Verkäufen von Pkw-Sommer und Winter-Reifen fortsetze. Wachstumsimpulse würden von der nach wie vor anhaltenden Nachfrage nach SUVs (20,3 Prozent) und Geländewagen (9,6 Prozent) erwartet.
Ertragssteigerungen durch Reifen- und Autoservice
Der Jahresbetriebsvergleich habe gezeigt, „dass der Gesamtumsatz der Unternehmen im Jahr 2016 durchschnittlich im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozent gestiegen ist.“ Der Gesamtrohertrag habe bei 38,2 Prozent vom Umsatz (plus 1,5 Prozent) gelegen. Der Betriebsvergleich habe gezeigt, dass der Umsatz mit Reifen um 0,6 Prozent zurückgegangen sei. Dafür seien die Reifenservicedienstleistungen im Gesamtdurchschnitt um 1,5 Prozent gesteigert worden. Erkennbar sei weiterhin die Konzentration vieler Händler auf den Autoservice. In der Gruppierung des klassischen mittelständischen Reifenfachhandels liege der Umsatzanteil Autoservice aktuell bei 18,7 Prozent, über alle Betriebe betrachtet bei 11,3 Prozent. Interessant in diesem Zusammenhang: Der klassische Reifenfachhandel zieht seine Ertragssteigerungen insbesondere aus dem Reifen- und Autoservice. Auch der Geschäftsführer der BBE Automotive GmbH in Köln, Gerd Heinemann, ist sich sicher, „viele von ihnen werden nur durch Autoservice Zukunft haben“.
Weiterbildung der Mitarbeiter wichtig – Peter Hülzer: “Mehr Schatten als Licht”
Der klassische mittelständische Reifenfachhandel habe sich laut Peter Hülzer in 2016 trotz der Wettbewerbsverzerrung, die von Herstellern durch die einseitige Subvention ihrer Handelstöchter verursacht wurde und wird, recht wacker geschlagen. Für Hülzer aber kein Grund, um sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben: „Wir brauchen Gewinne von sechs bis sieben Prozent, da wir in die Werkstattausrüstungen investieren müssen und vor allem auch in die Weiterbildung unserer Mitarbeiter.“ Er weist darauf hin, dass in naher Zukunft es eine erhebliche Steigerung der Personalkosten geben wird, „da der Wettbewerb um geeignete Mitarbeiter voll entbrannt ist“. Aber auch unabhängig von der Entlohnung müsse das Thema Personal eine größere Rolle im Unternehmen spielen. Die Mitarbeiter müssten sowohl im technischen als auch im Kundenkontakt geschult werden, dies sollte oberste Priorität haben. Er legt noch einen drauf: „Wenn ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der vom BRV angebotenen Lehrgänge beurteilen müsste, dann ist bei einem Großteil mehr Schatten als Licht.“
Peter Hülzer befürchtet, dass einige Kollegen den Weg der Profilierung, Neupositionierung und Qualifizierung des Reifenfachhandels nicht mitgehen wollen beziehungsweise nicht mitgehen können. „Aber dann ist das eben so. Wir müssen uns angesichts der Veränderungsschwierigkeiten nicht nach dem schwächsten Glied in der Kette richten, sondern an denen, die durch Fleiß, Ideenreichtum und Engagement Vorbilder sind und uns die Richtung weisen.“
Probleme bei der Kalkulation neuer Geschäftsfelder und der aktiven Ansprache
Eine Unterstützung sollen die im Sommer 2016 ins Leben gerufene Taskforce-Beratungen der BBE Automotive geben. Diese würde von der BAFA gefördert werden und soll dem Reifenfachhändler Optimierungspotenziale an seinem Standort aufzeigen. Geschäftsführer Gerd Heinemann: „Der Bestand an Fahrzeugen wächst und wächst, die Fahrzeuge werden immer älter, der Reifenabsatz stagniert und der Ganzjahresreifen gewinnt an Bedeutung.“ Gleichzeitig würden die Autohäuser und Markenwerkstätten immer stärker, der Autoservice im Reifenhandel mache einen Umsatzanteil von heute 11,3 Prozent aus, in 2025 seien es nach heutigen Schätzungen 3o Prozent. Die Taskforce-Beratungen hätten im vergangenen Jahr gezeigt: „Die Unternehmen hätten im Bereich des Aufbaus des Autoservices und anderer neuer Geschäftsfelder Probleme mit der Kalkulation der Geschäftsfelder. Zudem gebe es Probleme bei der aktiven Ansprache der Reifenkunden. Auch würden sich viele Mitarbeiter und Unternehmer die Zeit falsch einteilen und Mitarbeiter hätten Angst vor Veränderungen. „Viele Betriebe sind über das Ergebnis unserer Beratung verwundert. Am Ende zeigen wir ihnen aber klar, was die sinnvollen Themen für ein Unternehmen sind“, so Heinemann.
christine.schoenfeld@reifenpresse.de
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