F + E im Schweinestall
Es ist saukalt. Ewald Brüning und Helmut Haneklaus stehen bei Minusgraden in einem ehemaligen Schweinestall im Osnabrücker Land, wenn die beiden Männer sprechen, dampft der Atem weiß aus ihren Mündern. Neben ihnen brummt eine Vakuumpumpe auf einer alten Heizung. Diese erzeugt den notwendigen Unterdruck für den Reaktor der hier im Stall aufgebauten Altreifenpyrolyseanlage. Die beiden haben eine Vision: Sie wollen die von Helmut Haneklaus entwickelte Anlage bald auf den Markt bringen.
Haneklaus ist schon deutlich über 70 und hat ein bewegtes Leben hinter sich. Wenn er über sein Pyrolyseverfahren redet, dann ruhig und mit vielen Zahlen. Durch das Fenster des Schweinestalls ist Andree Röper zu sehen. Der 40 Jahre alte Mann hat die Anlage zusammen mit Haneklaus aufgebaut und hält jetzt einen Heißluftföhn an die Gasleitung, die zur im Freien stehenden Gasfackel führt, um sie aufzutauen. Die ist aufgrund der Temperaturen eingefroren. Eigentlich kein Problem. Aber nicht an diesem Tag: Haneklaus hat zehn Männer eingeladen, die sich die Versuchsanlage ansehen wollen und bereit sind, in dieses Verfahren zu investieren.
Die Pyrolyse als solche ist keine neue Erfindung. Das weiß Haneklaus. Das Prinzip der hier gebauten Versuchsanlage sei das gleiche, wie schon in der Steinzeit, als durch Verschwelung Holzteer und Pech produziert wurde. Und dennoch sei diese Anlage anders. Auf dem Spaltenboden des ehemaligen Schweinestalls auf dem Hof von Ewald Brüning steht ein großer schwarzer Kasten. Es ist der Ofen. In ihm steht der sogenannte Reaktor. In ihn passen bis zu zehn Altreifen. Im Reaktor herrscht Unterdruck, während der ihn umgebende Ofen auf bis zu 700 Grad aufgeheizt wird. „Wir verbrennen die Reifen nicht, sondern verschwelen sie unter Sauerstoffausschluss“, so Haneklaus. Dabei trennten sich die einzelnen Bestandteile der Reifeninhaltsstoffe innerhalb von zwei bis vier Stunden voneinander. Am Ende des Prozesses gibt es Industrieruß (Roh-Carbon-Black), Teer, Öl und Metall. Das Gas, welches ebenfalls entsteht, leitet Haneklaus noch über die Gasfackel ab. Und verbrennt es. Bald soll mit dem Gas der Reaktor betrieben werden. Dazu ist schon ein speziell für Haneklaus gebauter Keramik-Brenner eingetroffen. Noch liegt er auf dem Bodern neben der wirklich markanten Anlage, deren Nachkühlung etwa in einem alten ausgedienten Heizkörper aus dem Bauernhaus passiert.
Anlagen sollen als Genossenschaften vermarktet werden
Haneklaus weiß, wovon er spricht. Schließlich habe er eine ähnliche Anlage schon einmal in Saudi-Arabien als Großversion zum Laufen gebracht. Das Kapital für diese habe damals von einem Geschäftsmann aus Saudi-Arabien gestammt. 300.000 Euro sollen es gewesen sein. Die Vision von Haneklau: „Gerne würde ich die Anlagen als Genossenschaften betreiben.“ Der 75 Jahre alte Mann könne sich vorstellen, dass diese Anlagen in Ballungsgebieten stehen, damit die Altreifen nicht durch die ganze Republik gekarrt werden müssen, „denn es geht ja um die Umwelt“.
Haneklaus ist es ernst. Um sein Ziel voranzutreiben, hat er die Stiftung Human Visions mit Sitz in Osnabrück gegründet. Die Stiftung unterstütze nicht nur gemeinnützige Projekte in den Bereichen Menschenrechte, soziale und ökologische Gemeinschaften, Natur- und Umweltschutz sowie den Tierschutz. Die Stiftung hat ebenfalls die Altreifenpyrolyse zur Marktreife entwickelt und Haneklaus will über die Stiftung Lizenzen für das Verfahren für „kleines Geld“ an Interessenten verkaufen. Haneklaus denkt an Genossenschaften, „weil die Rendite aus dem Recycling so möglichst vielen Menschen zugutekommen kann“. Auch für die Weiterverarbeitung und Vermarktung des dadurch gewonnenen Industrierußes habe er schon ein Unternehmen gegründet: Green Carbon Black GmbH. Dies soll den Ruß fein vermahlen und anschließend zu Perlruß umwandeln beziehungsweise veredeln.
Einige Interessierte haben sich Ende Januar im Stall versammelt. Unter ihnen etwa Mark Hinghaus-Kaul. Der geschäftsführende Gesellschafter des Runderneuerungsunternehmens King- Meiler aus Dissen bei Osnabrück habe jährlich etwa 460 Tonnen Altreifen und zusätzlich 500 Tonnen Raumehl zu entsorgen. Interessiert ist er ebenfalls an dem aus dem Verfahren gewonnenen Industrieruß. „Da muss natürlich die Qualität stimmen.“ Davon ist Haneklaus überzeugt: „Ich habe den Ruß schon bei den verschiedensten Reifenherstellern vorgestellt. Alle hatten nichts gegen ihn einzuwenden.“
Damit die geplanten Anlagen auch den „nationalen und europäischen Normen entsprechen“ ist der TÜV-Nord bereits vor Ort. Uwe Rechtien begleitet das Projekt in Sachen Arbeitssicherheit. christine.schoenfeld@reifenpresse.de
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