Kommentar: Strukturwandel im Reifenmarkt? Nicht bei uns!
Gerade die jetzt genehmigte und sich in den kommenden Monaten vollziehende Gründung eines Joint Ventures zwischen Pneuhage und Bridgestone hat eines gezeigt: Der Reifenmarkt ist durchaus noch imstande, zu überraschen und vor allem mit Konzepten aufzuwarten, die Unternehmen eine Zukunft verspricht. First Stop mit ihren 47 Regiebetrieben und ihren 140 Partnern mit den 155 Outlets stand in Deutschland jahrelang im Ruf, weit hinter den eigenen Ansprüchen zurückzuliegen und vor allem im Rennen um eine nachhaltige Präsenz im Markt gegenüber den Wettbewerbsorganisationen der anderen Hersteller zurückzufallen.
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Nun, das sollte sich jetzt ändern, wenn auch anders, als man das all die Jahre seit dem Wirken von Günter F. Unterhauser als Bridgestone-Chef in Deutschland erwartet hatte. Der übliche Weg ist der: Reifenhersteller XY kauft oder bindet Händler A, B, C etc. und entwickelt so den Vertriebskanal Einzelhandel. In dem jetzt vorliegenden Fall überträgt Bridgestone First Stop inklusive Immobilienvermögen, Runderneuerungsstätten und Systemzentrale in ein Joint Venture, an dem nun die Pneuhage-Gruppe 75 Prozent hält. Diese wiederum bringt formell ihre Anfang des Jahres gekauften 27 Reifen-Ehrhardt-Filialen inklusive Runderneuerung samt Vermögen mit ein in die neue Gesellschaft Pneuhage Partners Group, an der Bridgestone dann die verbleibenden 25 Prozent der Anteile hält. Der weltgrößte Reifen- und Gummiartikelhersteller verlässt sich demnach mit seiner eigenen Handelsorganisation künftig komplett auf die Führung durch die Pneuhage-Unternehmensgruppe. Das muss man wohl als Strukturwandel bezeichnen! Und man darf sich durchaus fragen, ob dieses Beispiel nicht ein gutes auch für andere Hersteller wäre.
Hört man der öffentlichen Diskussion im Reifenmarkt aufmerksam zu, fällt auf: Strukturwandel findet immer nur auf einer Seite statt, und zwar im (noch) mehr oder weniger ungebundenen Reifenfachhandel. Dort schließen Händler, retten sich unter den Schutzschirm der Industrie oder verkaufen ihren Betrieb gleich ganz. Die Gruppe der sogenannten Ungebundenen scheint sich einer Grenze anzunähern, an der sie ihre kritische Masse unterschreitet und damit für die großen Handelsorganisationen der großen Hersteller nur noch bedingt von Bedeutung ist. Gut, es gibt dahinter in Reihe zwei immer noch etliche Hersteller, die diese Gruppe der Reifenhändler an sich binden wollen. Aber ohne die Marken der Großen ist man im Markt schlecht aufgestellt, muss man diese hingegen zu nicht wettbewerbsfähigen Konditionen kaufen, auch.
Bei der Recherche zu unserer neuen Rubrik „Thema“ in der NEUE REIFENZEITUNG, in der wir uns ab jetzt monatlich mit einem aktuellen Schwerpunktthema des Marktes befassen wollen, sind uns Zahlen zugetragen worden, die man sich gar nicht traut zu schreiben. Nimmt man alle industrieeigenen Reifenhandelsbetriebe samt Zentralen zusammen, fallen in Deutschland jedes Jahr Verluste in dreistelliger Millionenhöhe an (so die unbelegte Zahl, wenn man sie vorsichtig umschreibt). Was passiert damit? Die Industrie gleicht die Verluste aus – Ende. Strukturwandel sieht irgendwie anders aus.
Bleibt das Beispiel Pneuhage/Bridgestone, das – so die Hoffnung vieler im Markt – als positives Beispiel dienen wird, wie die Partnerschaft zwischen Handel und Industrie auch vonstatten gehen kann. arno.borchers@reifenpresse.de
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