Pirelli führt neuen Cinturato Winter im wachsenden Touringsegment ein
Pirelli führt zur kommenden Umrüstsaison den neuen Cinturato Winter für Fahrzeuge der Kompakt- und Mittelklasse sowie für Kompakt-SUVs ein. Der neue Winterreifen wird in 30 Dimensionen zwischen 14 und 17 Zoll erhältlich sein und damit das überdurchschnittlich wachsende Segment der Touringreifen bedienen, betonte der italienische Reifenhersteller Anfang Juni anlässlich der Präsentation des neuen Reifens auf Island. Der Nachfolger des Snowcontrol Serie 3 biete dabei den Komfort eines Sommerreifens bei deutlich reduziertem Außengeräusch und Erhöhung der Laufleistung um wenigstens zehn Prozent. „Sicherheit und Top-Performance“ seien die Kennzeichen des neuen Pirelli Cinturato Winter, der insbesondere durch sein durchaus innovatives laufrichtungsgebundenes Profildesign auffällt. Pirelli setzt mit der Einführung eines deutlich weiterentwickelten modernen Winterreifens für das Standardsegment nicht nur ein produktseitig klares Zeichen. Auch kündigt der Hersteller damit an, sich zukünftig stärker um ein bisher nicht unbedingt im Mittelpunkt der Konzerninteressen gestandenes Segment kümmern zu wollen. Das hilft, Produktionskapazitäten in Europa und in Russland auszulasten. Das zeigt aber auch, dass sich bei Pirelli nach der ChemChina-Übernahme im vergangenen Jahr in Bezug auf den Vertrieb und die Marken größere Veränderungen anbahnen.
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Pirelli komplettiert die Range seiner Produktfamilie Cinturato kontinuierlich: Erst kam der Sommerreifen P7, der einen Rekord im Bereich der Erstausrüstungsfreigaben (Homologationen) aufstellte. Im vergangenen Jahr wurde dann der Cinturato All Season auf dem europäischen Markt eingeführt. Jetzt erscheint der Cinturato Winter als jüngstes Mitglied der Pirelli-Reifenfamilie.
Der neue Pirelli-Winterreifen für den Ersatzmarkt wurde für Pkws der Mittelklasse entwickelt, die von ihren Fahrern intensiv genutzt werden. Dazu zählen typischerweise die Autos von Pendlern oder Firmenfahrzeuge. Aufgrund des innovativen Designs seines Laufflächenprofils senkt der neue Winterreifen die Geräuschemission erheblich. Das gilt gleichermaßen für das externe Reifen-Fahrbahn-Geräusch wie den im Inneren des Fahrzeugs gemessenen Geräuschpegel. Daher gehört dieser Reifen auch zur ersten Wahl für Elektro- und Hybridfahrzeuge, bei denen niedrige Geräuschwerte in der Fahrgastzelle zu den Schlüsselmerkmalen gehören. Im Vergleich zu seinem direkten Vorgänger, dem Snowcontrol Serie 3, verbesserte sich das Außengeräusch durch verschiedene Designfeatures von 72 Dezibel auf 66 Dezibel – ein herausragender Wert selbst für einen Sommerreifen.
Das Laufflächenprofil des Reifens trage entscheidend dazu bei, „Schnee aufzunehmen und ins Profilinnere zu leiten, um durch den Kontakt Schnee auf Schnee maximale Stabilität und Bodenhaftung beim Bremsen zu gewährleisten“, so der Hersteller anlässlich der Produktpräsentation auf Island. Der neue Cinturato Winter biete darüber hinaus aber auch „ein Maximum an Sicherheit unter sämtlichen Einsatzbedingungen“, verspricht der Hersteller weiter, „hinzu kommen Komfort und Fahrspaß in einem Maß, das bislang häufig nur mit Sommerreifen verbunden wurde“.
Mit dem Namen Cinturato sind einige der wichtigsten technologischen Fortschritte in der Geschichte der Reifenbranche verbunden. Vom Radial- zum Niederquerschnittsreifen: Mehr als 50 Jahre avantgardistische Lösungen verschafften der Reifenmarke Cinturato eine führende Stellung in der Automobilindustrie. Das belegen auch die zahlreichen Erstausrüstungsfreigaben aus den vergangenen Jahren. Die Anfänge der renommierten Produktfamilie Cinturato liegen in den 1950er Jahren. Der Reifen wurde für eine neue Generation schneller Autos entwickelt, die hohen Fahrkomfort boten, die damaligen Sicherheitsanforderungen erfüllten und zudem durch ihre Wirtschaftlichkeit überzeugten. „Infolge dieser Entwicklung kamen viele Autofahrer nun erstmals in den Genuss von Fahreigenschaften, die bis dato den Eigentümern leistungsstarker Sportwagen vorbehalten waren“, erinnert man sich beim Hersteller weiter.
Passend dazu entwickelte Pirelli mit dem Cinturato – das italienische Wort heißt wörtlich übersetzt Gürtelreifen – einen Reifen, der durch eine größere Aufstandsfläche, deutlich kürzere Bremswege und ein erstklassiges Kurvenverhalten zu überzeugen wusste. Ursache der Leistungsexplosion war die überaus flexible Karkasse. Darin verlief der Kord nicht mehr in einem Winkel von 45 Grad zur Laufrichtung, also diagonal, sondern im rechten Winkel, also radial; zudem befand sich genau unter der Lauffläche ein längs verlaufender Gürtel: die Grundkonstruktion eines modernen Radialreifens. „Diese Innovationen machten den Pirelli Cinturato zu einem beispiellosen industriellen Referenzprodukt.“
Sicherheit und Performance bilden die zwei Schwerpunkte des aktuellen Cinturato Winter. Dass er diese Eigenschaften besitzt, bewies der Reifen bei Tests anlässlich der Produkteinführung unter extremen Bedingungen auf isländischen Gletschern. Das Thema Sicherheit stand bei der Entwicklung des neuen Produkts ganz oben, erläuterte General Manager Operations (GMO) Gregorio Borgo in Island während der Vorstellung des neuen Winterreifens. Das zeigt sich bereits beim Blick auf die Lauffläche des Cinturato Winter. Dort steht auf einigen Blöcken „NOW SNOW“. Sobald das Profil soweit abgefahren ist, dass seine Leistungsfähigkeit auf Schnee in den kritischen Bereich kommt, ist das „W“ von „NOW“ nicht mehr zu lesen. Auf der Lauffläche steht nun „NO SNOW“ und soll den Fahrer darauf hinweisen, dass der Reifen in Bälde gewechselt werden sollte, da es riskant werde, damit auf verschneiten Straßen zu fahren.
Speziell gestaltete Rillen sollen den Bremsweg unter allen Bedingungen reduzieren. Mit dem Profilmuster und der Struktur des Cinturato Winter betritt Pirelli Neuland, was den großen Entwicklungssprung gegenüber dem Vorgänger Snowcontrol Serie 3 illustriert. Beide Komponenten wurden mit der Vorgabe entwickelt, „unter sämtlichen Winterbedingungen optimale Sicherheit und Zuverlässigkeit zu bieten“. Dabei konzentrierten sich Ingenieure von Pirelli um F&E-Direktor Dr. Alessandro Ascanelli, dem „Vater“ des neuen Cinturato Winter, insbesondere auf das Verkürzen der Bremswege. Das Ziel wurde mit Hilfe der sogenannten „Multiaktiven-4D-Lamellen-Technologie“ erreicht. „Sie besteht aus richtungsgebundenen Lamellen, deren Form je nach den Anforderungen der aktuellen Fahrsituation variiert. Anders gesagt: Die Lamellen sind in einer Richtung angeordnet, um die jeweils erforderliche Traktions- oder Bremsleistung zu maximieren.“
Ein Beispiel: Beim Bremsen auf verschneiter Fahrbahn werden die Lamellen fester und erhöhen dadurch die Kompaktheit der Lauffläche. Auf diese Weise verbessert sich die Bremsleistung des Reifens, der Bremsweg wird kürzer. Kommt es hingegen darauf an, die Traktion zu erhöhen, öffnen sich die Lamellen, um mehr Schnee aufnehmen zu können und dadurch den Grip zu erhöhen. Auf nasser Straße hingegen trägt die Bewegung der Lamellen während der Fahrt dazu bei, die Mischung des Reifens zu erhitzen, was den Grip erhöht. Zudem steigert die erhöhte Dichte der Lamellen die Traktion des neuen Winterreifens. Aneinandergereiht ergäben die Lamellen eine Gesamtlänge von 40 Metern – das entspricht vier Buslängen. Das ist ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zum Referenzreifen des Cinturato Winter.
Der neue Cinturato Winter hat ein in doppelter Hinsicht maßgeschneidertes Laufflächendesign: Zum einen durch die spezielle Anordnung der Blöcke, zum anderen durch das pfeilähnliche Layout. Diese Kombination trage entscheidend dazu bei, dass das Wasser schneller durch die Rillen abläuft. Diese bilden längs laufende Kanäle, welche die Aufstandsfläche wirkungsvoll entwässern und dadurch das Aquaplaningrisiko reduzieren. Neben der Sicherheit gehört die hohe Leistungsfähigkeit zu den Eckpfeilern der Forschung und Entwicklung bei Pirelli, das spiegele sich auch im neuen Cinturato Winter wider, heißt es dazu weiter vonseiten des Herstellers. Er sei mit den Vorgaben entwickelt worden, „in den Kategorien Handling und Komfort eine Top-Performance zu bieten. Beide Ziele wurden erreicht.“
Winterreifen sind lauter als Sommerreifen. Das ist die landläufige Meinung in der Reifenbranche. Als Ursache dafür gilt die Vielzahl an Kanälen und Einschnitten in der Lauffläche. „Sie sind nötig, um auf winterlichen Straßen genügend Grip zu erzeugen“, so der Hersteller dazu anlässlich der Produktpräsentation auf Island. Während der Entwicklung des Cinturato Winter setzten sich Ingenieure bei Pirelli intensiv mit dieser Thematik auseinander. Es gelang ihnen, einen Winterreifen zu kreieren, dessen sehr niedriges Geräuschlevel dem eines Sommerreifens entspricht, „ohne dabei Kompromisse bei der Sicherheit einzugehen“. Durch die sehr spezielle Anordnung der Kanäle gelang es ihnen, sowohl das externe Reifen-Fahrbahn-Geräusch als auch das in der Fahrgastzelle zu hörende Fahrgeräusch zu senken. Nur einen Kanaltyp im Profil zu nutzen, ruft während der Fahrt eine spezielle Frequenz hervor, die einem Pfeifen gleicht. Die Ingenieure von Pirelli hingegen entwarfen für den Cinturato Winter ein spezielles Arrangement in drei Dimensionen. Dadurch wird das Fahrgeräusch auf mehrere unterschiedliche Frequenzen verteilt und das Geräuschlevel erheblich gesenkt. „Während Winterreifen unserer Referenzprodukte in der Dimension 195/65 R15 im Schnitt eine Geräuschemission von ungefähr 70 Dezibel aufweisen, sind es beim Cinturato Winter in dieser Größe lediglich 66 Dezibel“, so Giuliano Menassi, bei Pirelli Senior Vice President für Manufacturing.
Der Cinturato Winter wurde für den europäischen Markt entwickelt, vor allem aber für klassische Winterreifenmärkte wie Deutschland, die Schweiz, Österreich, Italien, Frankreich sowie die Länder in Osteuropa. Der neue Winterreifen von Pirelli wurde für Autofahrer entwickelt, die ihre Fahrzeuge auch in der kalten Jahreszeit intensiv nutzen und daher an Winterreifen die gleichen Qualitätsansprüche stellen wie an Sommerreifen. „Mit dem neuen Cinturato Winter bietet Pirelli den Eigentümern von Fahrzeugen der Mittelklasse die gleichen technologischen Innovationen, die Pirelli-Reifen für leistungsstarke Limousinen und Sportwagen auszeichnen.“
Mit Blick auf die Leistungseigenschaften des Cinturato Winter betont Gregorio Borgo gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG, Pirelli wolle mit dem neuen Winterreifen ganz gezielt den Wettbewerb mit Michelin und Continental im Segment der Standardwinterreifen forcieren. „Wir wollen die Lücke schließen“, so der General Manager Operations weiter und meint damit nicht nur den Marktanteil, sondern auch das Pricing. Den Aussagen der Pirelli-Verantwortlichen zufolge verkauft der italienische Hersteller jährlich weltweit rund sechs Millionen Pkw-Winterreifen, fünf Millionen davon in Europa.
Mit dem neuen Reifen visiert Pirelli ein breites Marktsegment an, dessen Spektrum von Stadtautos bis zu den kompakten SUVs mit Rädergrößen bis 17 Zoll reicht. Der neue Winterreifen wird in 30 Größen von 14 bis 17 Zoll verfügbar sein und nun den Snowcontrol Serie 3 schrittweise ablösen.
Pirelli setzt mit der Einführung eines deutlich weiterentwickelten modernen Winterreifens für das Standardsegment nicht nur ein produktseitig klares Zeichen. Auch kündigt der Hersteller damit an, sich zukünftig stärker um ein bisher nicht unbedingt im Mittelpunkt der Konzerninteressen gestandenes Segment deutlich intensiver kümmern zu wollen. Auch wenn Pirelli dadurch im Selbstverständnis und in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit weiterhin zuallererst der Hersteller mit einer klaren Ausrichtung auf das Premium- und Prestigesegment des Marktes bleibt, so zeigt allein der große Aufwand, mit dem Pirelli zunächst den Cinturato All Season und nun den Cinturato Winter – mit führenden Händlern und Journalisten aus allen namhaften europäischen Winterreifenmärkten – eingeführt hat, dass bei Pirelli etwas in Bewegung geraten ist. Die stärkere Hinwendung auch zu Produkten aus dem Standardsegment hilft dem Hersteller dabei, Produktionskapazitäten in Europa und in Russland auszulasten, wo der Cinturato Winter – neben Breuberg in Deutschland – ebenfalls gefertigt werden soll. Dies ist auf einem Markt, der sich im Allgemeinen und seit Jahren bestenfalls nur im unteren einstelligen Bereich entwickelt, eine schlichte Notwendigkeit im Fabrikenverbund; entsprechende Produkte schaffen Volumen.
Diese Hinwendung zeigt aber auch, dass sich bei Pirelli nach der ChemChina-Übernahme im vergangenen Jahr in Bezug auf den Vertrieb und die Marken größere Veränderungen anbahnen. Es ist zwar nicht belegt, dennoch scheint die These haltbar, dass über kurz oder lang der Vertrieb der Marken Pirelli und Aeolus im Consumer-Segment in irgendeiner Form integriert wird, was für das Industrial-Segment so auch offiziell bereits beschlossen und kommuniziert wurde. Eine starke Marke Pirelli im Standardsegment könnte hier den Lückenschluss zu Aeolus erleichtern und Pirelli als Multi-Marken-Anbieter mit schlüssigem Portfolio etablieren. Aeolus-Pkw-Reifen werden in Europa zwar erst seit rund fünf Jahren vertrieben, haben aber – bei allen Anfangserfolgen – noch ein gutes Stück vom Weg zurückzulegen, um als Fabrikat dort einen festen Platz zu finden, wo man ihn sucht: im Qualitätssegment. Man geht im neuen Pirelli-Konzern unter dem Dach von ChemChina aufeinander zu. arno.borchers@reifenpresse.de
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