Schließungen: Dunkle Wolken über dem Marangoni-Standort Rovereto
Über der Via del Garda im italienischen Rovereto hängen dieser Tage dunkle Wolken. Einem Gewerkschaftsbeschluss vom vergangenen Freitag folgend befinden sich seit gestern die rund 290 Mitarbeiter am Hauptsitz der Marangoni-Gruppe im Streik, weil sie um ihre Arbeitsplätze kämpfen und um die Zukunft ihres Arbeitgebers fürchten, der den Aussagen von CEO Massimo de Alessandri gegenüber der Lokalpresse zufolge „zunehmend in Schwierigkeiten“ ist. Viele Betroffene werfen mithin die Frage nach der Zukunft des Unternehmens auf und befürchten, Marangoni plane die Entlassung von bis zu 50 Prozent der Arbeiter am Standort. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG meint de Alessandri allerdings, dabei handele es sich „um reine Spekulation“, befördert durch verunsicherte Arbeiter und Gewerkschaften.
Marangoni als Runderneuerungskonzern leidet wie viele andere Unternehmen im Markt unter der Dominanz chinesischer Importreifen, konnte sich aber nicht zuletzt auch durch staatliche Unterstützung in Höhe von mehreren zehn Millionen Euro behaupten und weiter investieren, wenn auch – wie viele missbilligend zur Kenntnis nehmen – vorwiegend im Ausland. Insgesamt seien in den vergangenen zehn Jahren 65 Millionen Euro geflossen, heißt es dazu in Medienberichten, und zwar in Form von Leaseback-Zahlungen (45 Millionen Euro), schlichten Investitionszuschüssen (15 Millionen Euro) oder öffentlichen Anleihekäufen (fünf Millionen Euro). Diese Unterstützungsmaßnahmen seien freilich an Konditionen geknüpft worden. Das größte Interesse der Beteiligten dabei: die knapp 300 Arbeitsplätze in Rovereto sichern.
Im vergangenen August war dann mit den Sozialpartnern und den Behörden vereinbart worden, dass die 50 Arbeiter, die zuvor in der Neureifenproduktionszelle in Rovereto tätig waren (Marangoni hatte sich 2013 ganz aus der Neureifenproduktion zurückgezogen und die Fabrik in Anagni geschlossen), nur noch für ein weiteres Jahr in Kurzarbeit sein und folglich vom Staat bezahlt würden. Nachdem also im vergangenen Sommer ein Abbau von 50 Arbeitsplätzen für diesen August verabredet worden war, hieß es kurz vor Weihnachten in Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern bereits, es müssten demnächst insgesamt 80 Mitarbeiter gehen; dazu unten mehr. Nun kam der Schock für alle Marangoni-Mitarbeiter am Hauptstandort des Traditionsunternehmens, der zum aktuellen Ausstand führte: Die Gruppe wolle vermeintlich 120 bis 150 Stellen streichen; dies habe viele Betroffene nun endgültig gegen das Unternehmen und dessen Management aufgebracht, wie dazu die Lokalpresse weiter berichtet. In der Region Trentino-Südtirol macht man sich augenscheinlich immense Sorgen, ob das Unternehmen überhaupt eine Zukunft am Standort will und wenn ja, welche, und – schlimmer noch – ob es eine Zukunft für die 1957 dort gegründete Unternehmensgruppe gibt.
Die Vollgummireifenproduktion von Marangoni am Standort Rovereto soll bis zum kommenden Jahr geschlossen und die Produktionsanlagen in die Fabrik nach Sri Lanka verlegt werden, soviel ist seit Dezember beschlossene Sache. Wie Massimo de Alessandri gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG erklärt, habe das Unternehmen lange an einer Produktion in Italien festgehalten, während 70 Prozent der globalen Produktion auf dem indischen Subkontinent und vor allem in Sri Lanka stattfindet, wo Marangoni ebenfalls eine Produktionsstätte betreibt. Die Schließung der entsprechenden Abteilung in Rovereto werde 30 Jobs innerhalb der kommenden 24 Monate kosten, so der CEO, der nicht glaubt, dass die Arbeiter in anderen Abteilungen unterkommen können, zu schlecht gehe es auf dem Runderneuerungsmarkt. Offiziell bestätigt sind demnach 80 Entlassungen in Rovereto; das entspricht immerhin mehr als einem Viertel der Belegschaft dort.
Massimo de Alessandri betont indes, die Information, Marangoni wolle am Standort sogar insgesamt 120 bis 150 Stellen streichen, wie dies vielfach geschrieben wurde, sei „reine Spekulation“. Außer für die beiden genannten und von Schließung betroffenen Abteilungen Neu- sowie Vollgummireifenproduktion gebe es „mittelfristig keine Pläne für Schließungen oder Verlagerungen“ in Rovereto – das könne er „bestätigen“. Der CEO bringt indes Verständnis auf für die Arbeiter und für die Gewerkschaften in Rovereto, bei denen er vielfach „ein Gefühl der Angst“ wahrnehme, sei er selber doch ebenfalls besorgt, wie es mit der Runderneuerung allgemein in Europa – dem Kernmarkt – weitergehen werde. arno.borchers@reifenpresse.de
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