Aussteller der Essen Motor Show vereinen digitale und analoge Kanäle

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Entscheidungen darüber, wie Unternehmen aus der Reifen-, Räder- und Tuningbranche ihre Kunden und vor allem ihre potenziellen Kunden erreichen können, werden immer komplexer. Konnte man sich früher darauf verlassen, mit einer regelmäßigen Messepräsenz sowie konventioneller Werbung schon viel erreicht zu haben, so erwachsen den Marktteilnehmern heute im digitalen Raum immer neue Möglichkeiten, von immer neuen und immer mehr Messen ganz zu schweigen. Im Vorfeld zur Essen Motor Show hatte die NEUE REIFENZEITUNG in einem Beitrag gefragt, „ist Essener PS-Spektakel ein Pflichttermin für Räder und Reifen?“, und darauf Antworten aus dem Markt gegeben, die offenkundig nachdenklich stimmten. Ende November hatte die Redaktion dieser Zeitschrift in Essen auf der Motor Show Gelegenheit, sich mit vielen Ausstellern über Sinn und Zweck ihrer Messepräsenzen auszutauschen, gerade im Hinblick auf mögliche Alternativen. Die Bandbreite der Antworten überraschte dabei.

button_nrz-schriftzug_12px-jpg Dieser Beitrag ist in der Dezember-Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG erschienen, die hier auch als E-Paper erhältlich ist.

Nachdem Alcar und vor allem Brabus bereits 2014 der Essen Motor Show den Rücken gekehrt hatten, folgte diesen wichtigen Marktteilnehmern in diesem Jahr auch noch die Uniwheels-Gruppe, einer der größten europäischen Hersteller von Leichtmetallrädern. Diese Entscheidungen – wodurch auch immer begründet – haben Signalwirkung im Markt, nimmt man auch bei Borbet wahr. Der deutsche Räderhersteller mit Sitz in sauerländischen Hallenberg-Hesborn zählt mit rund 18 Millionen hergestellten Leichtmetallrädern im Jahr zu den ganz Großen im Markt; Entscheidungen dort beeinflussen Marktbegleiter. Natürlich sieht man bei Borbet auch die Veränderungen im Verhalten der Endverbraucher im Vorfeld einer Kaufentscheidung. Mehr und mehr Kunden suchen heute eine umfangreiche ‚Beratung’ im Internet, bevor sie zum Handel gehen, sich dort gegebenenfalls erneut beraten und dort dann Räder kaufen und montieren lassen, findet Oliver Schneider, Geschäftsführer der Borbet Vertriebs GmbH und Verantwortlicher für den Fachhandel der Borbet Group. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG weist er darauf hin, dass entsprechende Informationsbedürfnisse der Endverbraucher im Internet gestillt werden müssen. Neben den klassischen auf Endverbraucher bezogene Internetseiten steht dabei heute vielfach ein 3D-Felgenkonfigurator im Mittelpunkt der Bemühungen. Die Logik dabei: Hat der Kunde einmal das Rad an ‚seinem’ Auto gesehen, sich mit dem Produkt des Herstellers XYZ beschäftigt, ist der Verkaufsabschluss vielfach nur noch eine Formalität.

Auch wenn man bei Borbet der Ansicht ist, man dürfe die Vorteile eines 3D-Konfigurators gegenüber einem 2D-Konfigurator nicht überschätzen, so betont auch Oliver Schneider die Wichtigkeit entsprechender digitaler Initiativen. „Der Endverbraucher will heute selbstständig Informationen digital aufnehmen“, so der Borbet-Geschäftsführer weiter und freut sich über jeden Kunden, der sich mit seinen Produkten – ob im Internet oder im Handel – befasst. Um hier in einen Dialog mit den Kunden eintreten zu können, seien Chat-Kanäle und gemanagte Social-Media-Aktivitäten wichtig.

Die Borbet Group sieht sich als „Partner des Fachhandels“, betreibt folglich sämtliche eigene Initiativen immer mit dem Ziel, den Händlern draußen im Markt Kunden zuzuführen; eigene direkte Vertriebsaktivitäten – ob digital oder analog – finden nicht statt. Auch wenn der Informationskanal Internet stark an Bedeutung hinzugewonnen hat, betont Oliver Schneider weiter, „nimmt die Bedeutung von Messen wie der Essen Motor Show nicht linear ab“. Eine Messe wie die Essen Motor Show mit rund 350.000 Besuchern an zehn Tagen gibt Borbet 350.000 Mal die Gelegenheit, Produkte live zu zeigen, sie zum Anfassen und Anfühlen auszustellen und dadurch den (potenziellen) Kunden eine Gelegenheit zu geben, eine Bindung zum Produkt aufzunehmen. Bei aller Vorinformiertheit und Technikbegeisterung der Endverbraucher seien immer noch persönliche Gespräche nötig, bis der Satz Leichtmetallräder verkauft ist. Gerade im harten Wettbewerb auf dem Aftermarket gewännen diejenigen Unternehmen Marktanteile, die sich intensiv um den Endverbraucher bemühten, ist Schneider überzeugt; die Borbet Group sei ein solches Unternehmen und wolle auch zukünftig auf Marketing in der digitalen wie auch in der analogen Welt setzen.

Diese Überzeugungen teilt man auch in der Ronal Group – ebenfalls seit jeher Aussteller auf der Essen Motor Show. Ähnlich seinem vorgenannten deutschen Wettbewerber produziert der in der Schweiz ansässige Hersteller rund 19 Millionen Räder. Weitere Gemeinsamkeiten: Beide produzieren ausschließlich Leichtmetall- und keine Stahlräder. Außerdem vermarktet auch die Ronal Group den mit Abstand größten Anteil ihrer Produktion in der Erstausrüstung, nämlich 98 Prozent; bei Borbet sind dies 95 Prozent. Auch wenn demnach beide Unternehmen nur einen minimalen Anteil ihrer Produktion im Aftermarket verkaufen, sei eine Präsenz auf der Essen Motor Show wichtig, befinden Jens Ott und Salomé-Nicole Fernández von Ronal in Essen im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. „Für uns ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, wir wollen Kundennähe ausstrahlen“, so die Projektleiterin aus der Ronal-Abteilung Marketing und Kommunikation.

Als einer der Marktführer sei es zentral für den Erfolg, den direkten und eigenen intensiven Austausch mit den Endverbrauchern zu pflegen, wie man diesen Austausch eben auch mit den großen Erstausrüstungskunden pflegt. Auf Endverbrauchermessen wie der Essen Motor Show könnten die Besucher die Produkte und Marken von Ronal live erleben (jedes Rad am Stand von Ronal lässt sich sogar drehen für einen realitätsnahen Eindruck) und gleichzeitig in Kontakt treten mit den Ansprechpartnern des Herstellers aus Vertrieb, Technik und Entwicklung. Für diese wiederum ist ein solcher Kontakt ebenfalls wichtig zum Austausch mit dem Kunden über neue Trends, findet Fernández; neue Designideen würden dabei nicht selten entstehen. Jens Ott von Ronal beurteilt die Qualität der Messebesucher als „gut und mitunter kaufkräftig“.

Natürlich bietet Ronal auch umfassende Möglichkeiten der digitalen Informationsbeschaffung zum eigenen Line-up an, 3D-Konfigurator inklusive. Wichtig sei dabei, dem Kunden den Weg von der Internetseite und einer dort möglicherweise bereits getroffenen Kaufentscheidung hin zum Händler möglichst einfach zu machen, die sogenannte Konversionsrate also möglichst hoch zu halten; dies sei „zentral“ für den Geschäftserfolg, so die Projektleiterin aus der Ronal-Abteilung Marketing und Kommunikation weiter. Folgerichtig bietet der in der Schweiz ansässige Hersteller auch eine Händlersuche auf seiner Endverbraucher-Internetseite an.

Während man anerkennen muss, dass viele Endverbraucher, wenn sie zum Händler kommen, bereits eine fundierte und informierte Vorentscheidung getroffen haben, so ergibt sich dadurch für den Händler folgerichtig die Möglichkeit, dass er sich nun bei tendenziell abnehmenden Beratungsleistungen in Bezug auf die Räder selbst mehr auf den Verkauf von Zusatzleistungen konzentrieren kann. In jedem Fall sei zu empfehlen, auf eine ansprechende Präsentation der Designs im Handel zu achten, so Fernández weiter.

Auch bei Brock schätzt man die Bedeutung der Essen Motor Show vor dem Hintergrund einer zunehmenden Digitalisierung von Informationsflüssen und von Kaufprozessen weiterhin als wichtig ein. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG betont Claudia Brock, dass insbesondere der Zeitpunkt der Messe zum Ende des Jahres für ihr Unternehmen und vermutlich für viele andere in der Branche auch ein guter sei. Man könne zwar nichts mehr konkret verkaufen – das Wintergeschäft ist gerade vorüber –, da darüber hinaus mitunter auch noch keine Preise für die Kollektion des Folgejahres vorlägen. Dafür könne man aber einem durchaus interessierten und oftmals auch informierten Publikum die Neuheiten aus dem Sortiment zeigen. „Die Messe am Jahresende ist die beste Plattform, um unsere Designs für 2016 zu zeigen“, so die Geschäftsführerin weiter.

Wer etwas zeigt, will, das dies auch gesehen wird. Für die Brock Alloy Wheels Deutschland GmbH aus Weilerswist bei Köln steht und fällt der Erfolg einer Messepräsenz mit der Anzahl der guten Kontakte. Und in diesem Zusammenhang habe die Essen Motor Show in den vergangenen Jahren stets auch gute Ergebnisse geliefert, findet die Geschäftsführerin. Dafür könne man den notwendigen finanziellen Aufwand für die Messepräsenz mehr als rechtfertigen, findet sie. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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