„Eine existenzielle Frage“: Neue De-minimis-Förderung ohne Runderneuerte?
Das neue Jahr fängt für den Bundesverband Reifenhandel und Vulkansiseur-Handwerk (BRV) alles andere als „froh“ an. Wie die Branchenvertretung gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG erklärt, sei man überaus überrascht und ungehalten darüber, dass – entgegen ursprünglichen Ankündigungen – nun doch das nationale De-minimis-Programm zur „Förderung der Sicherheit und Umwelt in Unternehmen des Güterverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen“ nach bisherigem Muster fortgeschrieben werden soll. Und vor allem ist man irritiert, dass nun ein Förderrichtlinie zustande gekommen ist, die runderneuerte Lkw-Reifen offenbar bewusst nicht berücksichtigt, indem sie von „neuen und gebrauchten Reifen“ spricht, während früher noch allgemein von „Reifen“, also dem Verständnis nach auch von Runderneuerten, die Rede war. Hinzu kommt, dass die Förderrichtlinie sich jetzt erstmals konkret auf die Reifenkennzeichnungsverordnung (EU-Reifenlabel) zur Berechnung der Förderhöhe bezieht. Der BRV sieht hier „eine existenzielle Frage“ der mittelständischen Runderneuerung berührt.
Bekanntermaßen werden runderneuerte Lkw-Reifen (noch) nicht gelabelt. Laut BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler scheint das bisher übliche und „auf Arbeitsebene“ mit dem Bundesamt für Güterverkehr ausgehandelte Verfahren, über das Spediteure bei Anschaffung von runderneuerten Reifen eben doch in den Genuss der De-minimis-Förderung gelangen konnten, nicht mehr anwendbar. Der Verband will jetzt alle Mittel einsetzen, um wenigstens die weitergehende Förderung nach bisherigem Verfahren sicherzustellen, wenn es schon keine grundsätzliche Förderung von runderneuerten Lkw-Reifen zum „Schutz der Umwelt“ nach De-minimis und damit eine Gleichbehandlung geben soll – wie vom BRV im November beim Bundesverkehrsministerium beantragt und seit Langem öffentlich diskutiert.
Den Verantwortlichen im BRV stößt dabei insbesondere auch das Verfahren auf, nach dem die neue Förderrichtlinie jetzt auf den Weg gebracht wurde. Die „Bekanntmachung der Richtlinie“ mit allen Details zur Förderung liegt der NEUE REIFENZEITUNG vor, obwohl sie noch nicht offiziell veröffentlicht wurde. Mit Datum vom 15. Dezember 2015 wird darin umfassend beschrieben, nach welchen Kriterien ab dem 13. Januar 2016, wenn die neue Richtlinie in Kraft treten soll, was und wer gefördert wird. Siehe dazu Details im Kastentext.
Nachdem es im vergangenen Sommer vonseiten des Ministeriums und des Bundesamtes für Güterverkehr noch hieß, die nationale Richtlinie nach bisherigem Muster (die Richtlinie bestand seit 2009) werde wohl zum Ende des Jahres auslaufen, plante der BRV gemeinsam mit anderen Branchenverbänden ein konzertierte Aktion. Damit sollte ein Förderung von Unternehmen des Güterkraftverkehrs erfolgen, wenn diese „zum Schutz der Umwelt“ runderneuerte Lkw-Reifen anschafften und dadurch „einen bedeutenden Beitrag für die Umwelt“ leisteten. Die ökologischen Vorteile solcher Reifen gegenüber Neureifen in Bezug auf Rohstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Energieaufwand stehen dabei nicht zur Diskussion. Als dem BRV dann aber im Oktober der Herstellerverband WdK als Partner dieser Initiative abhanden kam, musste er als Vertreter der 61 noch bestehenden mittelständischen Lkw-Reifenrunderneuerungsbetriebe allein weitermachen.
Das Ergebnis ist ein „offizieller Antrag“ des BRV an das Bundesverkehrsministerium mit Datum vom 23. November 2015, der entweder bei einer Fortschreibung des De-miminis-Förderprogramms oder als „selbstständiger, separater Antrag“ – falls es 2016 kein De-miminis geben sollte – vom Ministerium zu betrachten und zu beantworten sein sollte. Nun steht fest: das Ministerium hat den Antrag offensichtlich überhaupt nicht beachtet.
Stattdessen haben die Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium – hier namentlich die der Abteilung für Grundsatzangelegenheiten unter der Leitung von Dr. Veit Steinle – augenscheinlich eine Fortschreibung des Förderprogramms ohne Gespräche mit den entsprechenden Fachverbänden auf den Weg gebracht. Es hat nicht einmal eine Antwort auf den Antrag des BRV gegeben, beklagt Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler. Der Verband sieht in der Nichtberücksichtigung von runderneuerten Lkw-Reifen in der Neufassung von De-minimis „eine wettbewerbsrechtlich und kartellrechtlich für mehr als bedenkliche Diskriminierung der mittelständischen Runderneuerungsindustrie, deren Existenz damit nachhaltig gefährdet wird“; das sei „eine existenzielle Frage“, so Drechsler gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG.
Ob es für das neue Jahr auch eine Förderung für den Erwerb von runderneuerten Lkw-Reifen geben kann, vermag der BRV-Geschäftsführer derzeit nicht zu sagen. Jedenfalls mag er die Hoffnung darauf noch nicht aufgeben und will folglich alle Kanäle nutzen, um wenigstens das bisher übliche Verfahren zu retten, auch wenn man sich eigentlich gewünscht hätte, runderneuerte Lkw-Reifen auch ganz grundsätzlich mit dem De-minimis-Programm (oder einem anderen) zu fördern und sie damit auf eine Stufe zu stellen mit neuen und gebrauchten Reifen, die auch nach der neuen Richtlinie förderungsfähig sind. arno.borchers@reifenpresse.de
De-minimis 2016: Was wird gefördert?
In der Anlage zur neuen De-minimis-Förderrichtlinie heißt es: „Förderfähig sind sowohl neue als auch gebrauchte Reifen, die hinsichtlich Geräuschentwicklung und Rollwiderstand optimiert sind und die die Grenzwerte der geltenden EU-Richtlinien übererfüllen. Förderfähig sind Reifen, die hinsichtlich des Rollgeräusches nach Artikel 9 Absatz 5 in Verbindung mit Anhang II Teil C der Reifenkennzeichnungs-VO mit einer schwarzen Schallwelle gekennzeichnet sind. Die zuwendungsfähigen Ausgaben betragen 30 % des Kaufpreises, der Mietgebühren oder der Leasingraten.
Förderfähig sind Reifen, die hinsichtlich des Rollwiderstands nach Artikel 9 Absatz 4in Verbindung mit Anhang II Teil B der Reifenkennzeichnungs-VO mit den Energie-Effizienz-Klassen A bis C gekennzeichnet sind. Die zuwendungsfähigen Ausgaben betragen bei der Energie-Effizienz-Klassen A = 50 %, der Energie-Effizienz-Klassen B = 40 %, der Energie-Effizienz-Klassen C = 30 Prozent des Kaufpreises, der Mietgebühren oder der Leasingraten.
Die Prozentsätze für Rollgeräusch und Rollwiderstand werden kumuliert.“
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