Von Goodyear veranstaltetes Lkw-Zukunftsforum: Telematik 4.0
Transporteure in Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH) wollen zukünftig verstärkt das Potenzial von Telematik heben und forcieren dabei neue Konzepte. Bislang vorherrschende Ineffizienzen aufgrund unterschiedlicher und inkompatibler Hard- und Softwaresysteme sowie eine unübersichtliche Flut an Daten beflügeln den nächsten Evolutionsschritt hin zur Telematik 4.0. Die digitale Transformation des Geschäfts wird von den Transporteuren mitunter in Eigenregie unabhängig von Herstellerangeboten vollzogen. Dies sind die zentralen Erkenntnisse der jüngsten Gesprächsrunde eines von Goodyear initiierten Zukunftsforums „Driving Ahead“ für die Nutzfahrzeugbranche im D-A-CH-Raum.
Der zweite Runde Tisch der im Frühjahr gestarteten Dialoginitiative, die sich mit zukunftsrelevanten Trends und Innovationen des Transportwesens befasst, fand im Mai auf der Fachmesse transport+logistic in München statt. „Neuartige Telematik-Ansätze werden der ohnehin hohen Dynamik der Transportbranche zukünftig weiteren Antrieb verleihen“, erklärt Klaus Delatron, Manager Sales Truck Fleet D-A-CH. „Das Bild, das unsere „Driving Ahead“-Dialogpartner von einer Telematik 4.0 gezeichnet haben, zeigt anschaulich, wie immer mehr Bereiche des Transportwesens von IT und Kommunikation erfasst werden. Wir als Reifenhersteller sind von dieser Entwicklung nicht ausgenommen und treiben selbst Apps und Online-Systeme kontinuierlich voran – stets mit dem Ziel vor Augen, die Betriebskosten der Transporteure weiter zu senken. Alle nachhaltigen Lösungen müssen auch zukünftig hierauf einzahlen.“
Mehr Praktikabilität und Transparenz bei den Telematik-Systemen wünscht sich Heribert Bucher, geschäftsführender Eigentümer des gleichnamigen internationalen Transportunternehmens mit Sitz in Alpnach Dorf in der Zentralschweiz. Niemand im Betrieb befasst sich ausschließlich mit den Auswertungen, die er für recht komplex hält. „Wir haben zwei unterschiedliche Systeme von verschiedenen Herstellern im Einsatz“, so Bucher. „Beide können eine Unmenge an Daten generieren.“ Er bezweifelt, ob dies wirklich nötig ist.
Verbesserungsbedarf sieht auch Jochen Wattaul von der Geschäftsleitung des Transportunternehmens Anton Wattaul, das im niederösterreichischen Pöchlarn ansässig ist: „Derzeit sind wir in Sachen Telematik mit einem bunten Potpourri an unterschiedlichen Systemen, die nicht miteinander kompatibel sind, aufgestellt.“ Daten könne man nur mit großem Aufwand erheben und vergleichen.
Das Logistik-Unternehmen Grieshaber mit Zentrale im süddeutschen Weingarten hat bereits in allen Fahrzeugen ein einheitliches Telematik-System eines freien Anbieters im Einsatz. Aber: „Das Potenzial für die Zukunft ist bei der Telematik noch lange nicht ausgeschöpft“, erklärt Geschäftsführer Heinrich Grieshaber. Für das System fallen Transaktionsgebühren sowie monatliche Beiträge an.
Entwicklung der Telematik 4.0
Jochen Wattaul erwartet nicht, dass die Lkw-Hersteller einen übergreifenden Telematik-Standard anbieten werden. Daher entwickelt er selbst in Kooperation mit den Telematik-Spezialisten von plan.net Austria eine geräte- und fahrzeugunabhängig Software, die seinen Bedürfnissen gerecht wird und die zudem auch vertrieben werden soll. „Wir werden echte Datenvergleichbarkeit herstellen können und die Daten auch kundenspezifisch aufbereiten.“ Durch die Vergleichbarkeit seien völlig neue Erkenntnisse beispielsweise beim Verbrauch, der Fahrweise der Trucker, der Einhaltung der Lenkzeiten sowie der Warenverfolgung möglich. Das Produkt soll im September 2015 Marktreife erreichen und für einen einmaligen Preis erhältlich sein. Wattaul zufolge ermöglicht die digitale Transformation des Transportwesens – insbesondere basierend auf der Interpretation von Datenmassen – neue Geschäftsmodelle und ungeahnte Möglichkeiten für kundenrelevante Angebote.
Auch für die Dialogpartner der zweiten „Driving Ahead“-Gesprächsrunde stellt die Kostensenkung eine der zentralen Aufgaben dar. Dabei spielt insbesondere der Dieselverbrauch eine signifikante Rolle. Auch mit Hilfe der Telematik sollen Kosten reduziert werden. Heribert Bucher prüft beispielsweise auffällige Abweichungen zwischen digitalem Flottenmanagementsystem und handschriftlichem Fahrerbericht, um hohen Dieselverbrauch zu erkennen.
„Wir tanken ohnehin zu 95 Prozent an eigenen Tankstellen und wissen daher über diesen Weg sehr viel über den Spritverbrauch unserer Flotte“, erläutert Heinrich Grieshaber. „Um den Verbrauch weiter zu drücken, haben wir auch verbrauchseffiziente Reifen im Einsatz – und das bereits seit Längerem mit Erfolg. Im Endeffekt ist der Anschaffungspreis irrelevant, wenn man mit dem Reifen Sprit einsparen kann.“ Sein Unternehmen setzt Telematik aus diesem Grund insbesondere zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Fahrern und Disposition ein. Dies schone unter anderem die Kapazitäten.
„Die Kundenwünsche werden für uns immer aufwändiger“, kritisiert Heinrich Grieshaber. Er befürchtet, dass Sonderwünsche in Zukunft zunehmen werden. Heribert Bucher verzeichnet ebenfalls eine immer extremere Erwartungshaltung. „In der Schublade so manches Kunden schlummern Pläne mit neuen Anforderungen“, weiß Jochen Wattaul. „Bislang hat man sich angesichts der unsicheren Wirtschaftsentwicklung zurückgehalten. Zukünftig werden sie, soweit man das abschätzen kann, ein verstärktes Interesse an IT-gestützten Zusatzservices wie der Fahrzeugortung oder dem Scannen von Dienstleistungen wie Abteilungsbelieferungen, Reparaturmanagement und Rücksendeverwaltung haben.“
Aufregerthemen
Grieshaber spricht in Sachen Regularien von einem „Wildwuchs“, der endlich aufhören müsse. Der Politik fehle auch die nötige Fachkompetenz. Bucher stellt fest, dass Regularien in der Schweiz sehr häufig strenger ausgestaltet sind. Er plädiert generell für einheitliche Normen, insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeit und der Vergütung von Fahrern. „Wir haben schon hungrige Osteuropäer in der Schweiz auf dem Parkplatz versorgen müssen.“ Den Euro-Kursverlust bezeichnet Bucher als Katastrophe: „Bares Geld wurde hierdurch vernichtet und Aufträge aus Deutschland lohnen sich immer seltener für uns. Für deutsche Transporteure hingegen ist die Schweiz hierdurch attraktiver geworden.“ Wattaul hat keine besonderen Erwartungen mehr an die Politik, „dass von dort etwas Hilfreiches kommt“. Wobei er es theoretisch für wünschenswert hält, wenn Frächter bei Innovationen besser gefördert würden. Er setzt zukünftig vor allem auf den Kontakt zu den Produktentwicklern und IT-Experten von Herstellern und Zulieferern, den er weiter ausbauen will. „Ein Mehr an Dialog in der Branche wäre gewinnbringend für alle. Die Initiative „Driving Ahead“ kann dafür den Grundstein legen.“
Über „Driving Ahead“
Mit seinem im Frühjahr 2015 gestarteten Zukunftsforum Driving Ahead knüpft Goodyear im D-A-CH-Raum an die 2014 europaweit von Goodyear durchgeführte Studie „Mobilität der Zukunft“ und das darauf basierende Weißbuch an. Goodyear führt bei Driving Ahead mit den Dialogpartnern qualitative Tiefeninterviews zu wiederkehrenden Großthemen, aber auch zu aktuellen Fragestellungen. dv
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