Joseph-von-Fraunhofer-Preis für Reifen aus Löwenzahnpflanzen
In einem gemeinsamen Projekt haben Reifenhersteller Continental, das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME und das Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen (IBBP) der Universität Münster Autoreifen-Prototypen auf Basis von Löwenzahn-Kautschuk entwickelt und hergestellt. Für ihre Forschung am Russischen Löwenzahn und die Entwicklung der Anwendung erhalten Dirk Prüfer und Christian Schulze Gronover (IME und IBBP) und Carla Recker (Continental) den Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2015.
Der Milchsaft des Löwenzahns weist Ähnlichkeiten mit dem des Kautschukbaums auf. Und auch aus der „Pusteblume“ lässt sich Kautschuk gewinnen – der Rohstoff zur Herstellung von Gummi. „Die Pflanze ist extrem anspruchslos. Sie kann in gemäßigtem Klima und selbst auf Böden kultiviert werden, die für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln nicht oder nur begrenzt geeignet sind“, erklären die Wissenschaftler Christian Schulze Gronover und Dirk Prüfer. Die Wildpflanze liefert allerdings zu wenig Kautschuk für eine Produktion im industriellen Maßstab. Um den Rohstoffertrag zu steigern, haben sich die Forscher auf den Russischen Löwenzahn konzentriert, der schon von Natur aus relativ viel Gummi-Rohstoff in seinen Wurzeln produziert. Dirk Prüfer und Christian Schulze Gronover haben mit ihrem Team herausgefunden, welche Gene die Kautschukproduktion fördern und welche sie behindern.
Basierend auf diesen Erkenntnissen konnten sie Pflanzen entwickeln, die etwa doppelt soviel Naturkautschuk hervorbringen. Zudem gelang ihnen mit einer kleinen Pilotanlage die Extraktion von mehreren Kilo Löwenzahn-Kautschuk. Damit eröffnete sich zugleich die Perspektive auf eine Skalierung für die industrielle Produktion im Tonnen-Maßstab. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse entwickelten die Wissenschaftler gemeinsam mit dem Continental Autoreifen-Prototypen aus Löwenzahn-Kautschuk. Continental rechnet heute mit der Einführung in die Serienproduktion solcher Reifen in fünf bis zehn Jahren.
Das Ergebnis erscheint technisch und ökologisch äußerst attraktiv: Der Anbau von Russischem Löwenzahn auf wenig fruchtbaren Böden in mittleren Breiten schont die Äcker für Nahrungspflanzen ebenso wie tropische Regenwälder, die zusätzlichen Kautschukbaumplantagen zur Deckung eines Mehrbedarfes an Naturkautschuk weichen müssten. Und: Der Hersteller Continental hat ein erstes Winterreifen-Modell sowohl auf trockenem und nassem Asphalt als auch unter winterlichen Bedingungen getestet, wobei sich der Naturkautschuk aus der Pusteblume schon bewährt hat. „Der Kautschuk aus Löwenzahn hat optimale Rohstoff- und Materialeigenschaften. Die Reifen daraus zeigen ein äquivalentes Eigenschaftsprofil im Vergleich zu Reifen aus herkömmlichem Naturkautschuk“, betont Dr. Carla Recker von Continental. „Die Pflanze kann aufgrund ihrer agrarischen Anspruchslosigkeit auch in der nördlichen Hemisphäre auf für die Nahrungsmittelproduktion ungeeigneten Flächen angebaut werden. So ist die Kautschukproduktion beispielsweise in der Nähe unserer Reifenfabriken denkbar und die viel kürzeren Transportwege würden den CO2-Ausstoß reduzieren.“
Als weitere Anwendungsmöglichkeiten sind denkbar: Matratzen, Handschuhe, Klebestreifen, technische Gummiartikel – etwa 40 000 Produkte unseres täglichen Lebens enthalten Naturkautschuk.
Über den Joseph-von-Fraunhofer-Preis
Seit 1978 verleiht die Fraunhofer-Gesellschaft alljährlich Preise für herausragende wissenschaftliche Leistungen. Mehr als 200 Forscherinnen und Forscher, die anwendungsnahe Probleme lösen, haben diesen Preis inzwischen gewonnen. In diesem Jahr werden drei Preise mit jeweils 50.000 Euro vergeben. Einen der drei Preise teilen sich Prof. Dirk Prüfer, Dr. Christian Schulze Gronover und Dr. Carla Recker. dv
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