Kenda Rubber steigt in Deutschland mit Pkw-Reifen ein
Seit der Gründung in Taiwan vor gut 50 Jahren hat sich Kenda Rubber zum international wettbewerbsfähigen Marktteilnehmer und Milliarden-Dollar-Konzern entwickelt. Die Pläne für die kommenden Jahre sind ambitioniert, werden aber durch umfangreiche Investitionen flankiert. Im Mittelpunkt der Wachstumsstrategie steht dabei vor allem zweierlei: Europa – hier insbesondere Deutschland – und der dortige Pkw-Reifenmarkt. Während Kenda Rubber bereits in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien mit Vertriebspartnern vertreten ist, will man sich jetzt mit Nachdruck um den hiesigen Reifenmarkt kümmern. Verantwortlich für den Aufbau dieses Geschäfts ist Michael Andre. Der erfahrene Manager weiß um die Größe dieser Aufgabe, ist aber zuversichtlich, bereits zur Reifen-Messe im Mai erste Ergebnisse präsentieren zu können. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutert Andre, wohin die Reise gehen soll und was dafür noch alles zu leisten ist.
Experten im hiesigen Reifenmarkt ist Kenda Rubber natürlich auch als Pkw-Reifenhersteller bekannt, dabei ist das Unternehmen zu allererst mit seinen Fahrrad- und Motorradreifen und -schläuchen groß geworden. Mit einer Produktion von 300.000 Fahrradschläuchen, 250.000 Fahrradreifen und 122.000 Motorradreifen, und zwar täglich, gehört das taiwanesische Unternehmen zu den ganz großen dieser Marktsegmente; lediglich Kendas Landsleute von Chengshin Rubber (Maxxis), deren Zentrale im Übrigen nur wenige Kilometer von der Kenda-Rubber-Zentrale in Yuan-Lin entfernt liegt, kann da weltweit noch mithalten. In das Geschäft mit radialen Pkw-Reifen stieg das Unternehmen 2002 ein – auf Basis eigener Technologie und mit Produktion in China. Fünf Jahre später begann man in China darüber hinaus sogar das Pkw-Reifen-Joint-Venture Cooper Kenda Tire (Kunshan) Co. Ltd., aus dem sich der taiwanesische Partner aber in der Zwischenzeit schon wieder zurückgezogen hat.
Heute setzt das Familienunternehmen, das in zweiter Generation von Chairman Ying-Ming Yang – ältester Sohn von Firmengründer Jing-Bao Yang – geführt wird, bereits über 30 Prozent von 1,01 Milliarden US-Dollar (2013) mit radialen Pkw-Reifen um. Weitere zehn Prozent stammen aus dem Segment der Spezialreifen. Dazu gehören unter anderem auch ATV-Reifen, die in Europa bereits seit Längerem durch Starco (Dänemark) exklusiv und erfolgreich vermarktet werden.
Im vergangenen Jahr produzierte Kenda Rubber insgesamt 10,6 Millionen radiale Pkw-Reifen bei einer rechnerischen Kapazität von 15 Millionen Einheiten. Dabei nahm die Zweiradreifenfabrik im chinesischen Tianjin erst im vergangenen Jahr auch die Produktion von Pkw-Reifen auf, während im taiwanesischen Yun-Lin bereits seit 2011 Pkw-Reifen gefertigt werden. Der Plan nun: Bis 2017 soll die Produktion von Pkw-Reifen gegenüber dem vergangenen Jahr nahezu verdoppelt werden, während der Konzernumsatz um wenigstens 60 Prozent steigen soll, wodurch Kenda Rubber zu den zwanzig führenden Reifenherstellern der Welt aufschließen würde.
Da sich das Unternehmen auf dem global immer noch – gerade technologisch – überaus wichtigen europäischen und hier insbesondere deutschen Reifenmarkt unterrepräsentiert fühlt, sieht man hierzulande besonderes Wachstumspotenzial und will sich intensiv um den Aufbau des hiesigen Marktes kümmern. Dabei ist Kenda Rubber in Europa bereits durchaus gut vertreten, möchte man meinen. Das Unternehmen beziffert den Umsatzanteil, der in Europa generiert wird, mit knapp zehn Prozent, was rund 100 Millionen Dollar entspricht. Allerdings stammt der allergrößte Anteil dieser Umsätze immer noch aus dem Zweiradgeschäft. Die Kenda Rubber Industrial Co. Europe GmbH mit Sitz in Oldenburg kümmerte sich bisher nahezu ausschließlich um eben dieses Geschäft. Dies soll sich aber in Deutschland schon bald ändern, wie Michael Andre, Marketing and Sales Manager Europe Automotive Tires, gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG erläutert. Während Kenda Rubber in Märkten wie vor allem Großbritannien (über Stapleton’s), Frankreich (Van den Ban), Spanien (Grupo Total Neumáticos, eine Van-den-Ban-Tochter) und in Italien (Gruppo Sirio/Pablo Accetura) bereits gut repräsentiert ist, fehlen entsprechende Vertriebsverbindungen zum deutschen Markt noch vollkommen. Das zu ändern wird die Aufgabe von Michael Andre sein.
Wie er erläutert, sei dabei für Deutschland noch einiges an Grundlagenarbeit zu erledigen, seien Strukturen und Beziehungen aufzubauen, ohne die es im Pkw-Reifengeschäft eben nicht geht, seien eine neue Internetseite und ein neues Corporate Design geplant. Aber: „Elementar für Europa ist dabei unser Line-up“, unterstreicht Andre. Und mehr noch: die Produktqualität. Um eine Standortbestimmung vornehmen zu können, wo im Markt man mit Kenda-Pkw-Reifen steht und wo insbesondere die Produkte für den europäischen Markt weiter optimiert werden könnten, habe man erst kürzlich umfangreiche und aufschlussreiche Reifentests im britischen MIRA gefahren; weitere Tests seien geplant. Der KR26 für das mittlere Segment sowie der KR23 für kleinere Größen habe sich dabei als durchaus wettbewerbsfähiges Angebot für Europa erwiesen. Neben diesen beiden Pkw-Sommerreifen biete der taiwanesische Hersteller in Europa aktuell auch Reifen für das Offroadsegment sowie Winterreifen an.
Wichtig für den langfristigen Erfolg in Europa und in Deutschland seien aber Produkte, die speziell für den hiesigen Markt entwickelt wurden und nicht ‚nur’ optimiert worden sind, darüber ist sich auch Michael Andre im Klaren. Eine erste Etappe auf dem Weg zu diesem Ziel werde Kenda Rubber mit der Reifen-Messe Ende Juni beenden. Dort nämlich will das Unternehmen eine erste entsprechende Eigenentwicklung „speziell für Europa“ vorstellen. Das neue Produkt soll ein HP-/UHP-Reifen sein, der dann ein Jahr später auf den hiesigen Markt kommen soll. Um das Produkt weiter zu verfeinern, finden in Bälde Reifentests in Idiada statt. Ob man in Bezug auf den Namen des neuen Reifens der bisherigen Nomenklatur folgen wird, sei noch nicht sicher, so Andre. Wenn ja, würde der neue Reifen womöglich KR41 heißen. Laut dem neuen Marketing and Sales Manager Europe Automotive Tires bei Kenda Rubber sei es aber vielleicht ratsam, in Zukunft mit Namensfamilien für die Produkte des eigenen Sortiments zu arbeiten. Dies sei nicht nur gängige Praxis im Markt, sondern sei auch überaus sachdienlich, um den Wiedererkennungswert der verschiedenen Produkte zu steigern und deren einfachere Zuordnung zu den verschiedenen Segmenten zu gewährleisten. Mittelfristig soll es natürlich weitere Entwicklungen speziell für den europäischen Reifenmarkt geben, wozu auch Pkw-Winterreifen gehören sollen.
In Bezug auf das Sortiment plant Kenda im Übrigen aktuell auch die Einführung von radialen Lkw-Reifen. In direkter Nachbarschaft zur eigenen Reifenfabrik in Kunshan bei Shanghai, die bereits seit 1994 betrieben wird, die die größte im Konzern ist und wo Kenda Rubber vorwiegend Zweiradreifen (Fahrräder, Motorräder) und Schläuche sowie 25.000 Pkw-Reifen – auch für OE-Kunden in Asien – täglich fertigt, soll bis Ende 2016 eine eigene Lkw-Reifenfabrik entstehen. Das Land dazu sei bereits gekauft, die Pläne würden jetzt konkreter, heißt es dazu. Die neue Produktionsstätte wäre dann Kenda Rubbers achte Reifenfabrik. Neben zwei Fabriken in Taiwan betreibt das Unternehmen aktuell vier Fabriken in China (Kunshan/Shanghai, Shenzhen I, Shenzhen II und Tianjin) sowie seit 1997 eine weitere ausschließlich für Zweiradreifen und -schläuche in Vietnam. Zuletzt auch dank dieser weiteren Fabrik für Lkw-Reifen rechnet Kenda Rubber auch in der Zeit mit einem weiter deutlich steigenden Umsatz sowie einer zunehmenden Bedeutung des Kfz-Reifenbereichs. Aktuellen Unterlagen zufolge stammen immer noch rund 30 Prozent des Umsatzes aus dem Geschäft mit Fahrrädern (Reifen und Schläuche; wie auch jeweils knapp weitere 30 Prozent aus dem Geschäft mit Motorrädern (Reifen und Schläuche) und mit radialen Pkw-Reifen. Das entsprechende Tortendiagramm werde sich in den kommenden Jahren deutlich zugunsten von Kfz-Reifen und hier von Pkw- und Lkw-Reifen verändern.
Bis dies soweit ist, muss Michael Andre aber noch einiges an Grundlagenarbeit für den deutschen und den europäischen Markt leisten. Dabei kann er bereits auf bestehende Strukturen vertrauen. Seit Anfang 2013 betreibt der taiwanesische Reifenhersteller in Oldenburg erstmals eine Europazentrale, von der aus – bisher – vorwiegend das Fahrradreifen- und -schlauchgeschäft unter der Leitung von Marketing Manager Europe Uwe Daniel operativ gesteuert wurde. Während Daniel auch weiterhin für alle sogenannten „Cycling“-Aktivitäten in Europa zuständig ist, kümmert Andre sich eben um sämtliche Pkw-Reifenaktivitäten in Europa mit dem Arbeitsschwerpunkt (zunächst) in Deutschland. Beide werden dabei von drei weiteren Mitarbeitern in der deutschen Kenda-Europazentrale unterstützt. Formell geleitet wird die Zentrale der Kenda Rubber Industrial Co. Europe GmbH dabei von Chief Executive Officer Chi-Jen („Jimmy“) Yang, dem jüngeren Bruder von Chairman Ying-Ming Yang.
Ob Michael Andre bereits Kontakt zu potenziellen Kunden in Deutschland habe? Es sei eigentlich viel zu früh, um konkret über das Geschäft zu reden, findet der Manager, der am 1. September seine neugeschaffene Position übernommen hat. Vielmehr wolle er zunächst das Unternehmen, die Marke, die Produkte, die Ziele und die dahinterstehenden Werte und Visionen kommunizieren, bevor es konkret darum gehe, die „Marke Kenda in Europa zu positionieren und einen spürbaren Marktanteil zu erreichen“, wie er anlässlich seiner Ernennung als mittelfristiges Ziel ausgab. Man wolle mit potenziellen Kunden gemeinsam planen, wohin man in einer Partnerschaft wolle: „Wir wollen vertrauensvoll mit unseren Partnern zusammenarbeiten“, betont Andre.
Unterdessen wolle man in Europa und hier insbesondere in Deutschland zunächst nichts übereilen und sehe sich auch nicht einem entsprechenden Marktanteilsdruck ausgesetzt, obwohl die Erwartungshaltung der Zentrale in Taiwan natürlich wachsende Absätze in Europa beinhaltet; Aufträge schreibe Andre jedenfalls noch nicht. Fragen danach, ob Kenda in Deutschland einen gewissen Grad an Exklusivität für seine noch zu bestimmenden Vertriebspartner gewährt oder wer diese Partner sein könnten, ließen sich im Moment allesamt noch nicht beantworten, so Andre. Auch wo die Reifen preislich positioniert werden sollen, ist noch nicht fix. Auch wenn Andre Reifen der Marke Kenda schon im Preissegment vorortet, sieht er sie bei Weitem nicht dort, wo in der Regel die austauschbaren No-Names gehandelt werden. Man wolle Produkte mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten, ohne dabei einen „aggressiven Auftritt“ zu machen. Ähnliches gelte für die beiden Märkte Österreich und Schweiz, um die Michael Andre sich ebenfalls kümmern will. Auch dort wolle man zunächst kommunizieren und dann reüssieren. Dass all dies nicht einer allein leisten kann, liegt auf der Hand. Inwiefern die Organisation von Kenda Rubber in Europa in Zukunft weiter wächst, müsse man allerdings zunächst einmal abwarten. Wie gesagt: Einem akuten Wachstumsdruck mit Wegmarken auf der Zeitachse wolle man sich nicht aussetzen. arno.borchers@reifenpresse.de
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