Oberflächenspezialitäten sind eine Domäne der „Française de roues“

Wer die großen europäischen Hersteller von Aluminiumrädern aufzählt, dem könnte es leicht passieren, dass er die „Française de roues“ im französischen Diors unweit des Städtchens Châteauroux vergisst. Wer länger in der Räderbranche ist, der wird sich an den Automobilzulieferer Montupet erinnern, bei dem die Rädersparte früher angesiedelt war. Aus dem Blick geriet die größte französische Produktion von Aluminiumgussrädern – ferner gibt es mit Dial auch nur noch einen zweiten französischen Produzenten –, nachdem Anfang 2010 bekannt worden war, dass Montupet die Rädersparte an ein indisches Unternehmen mit dem Namen Deltronix veräußern würde.

Die teilweise gerade erst angelaufenen Geschäfte des Herstellers mit hiesigen Automobilherstellern schliefen ein, auch zu Kunden wie Seat oder Alfa Romeo sollten die Geschäftsbeziehungen abebben. Was dem Hersteller blieb waren die Verankerung bei den beiden großen nationalen Automobilherstellern PSA mit den Marken Peugeot und Citroën sowie Renault und dessen Partner Nissan (ein großer Erfolg sind Lieferungen für den Qashqai) samt Dacia. Darüber hinaus war und ist der Aluminiumräderausrüster Marktführer bei Kleinstautoherstellern wie Mia oder Aixam, die in deutschen Landen fast unbekannt sind, in Frankreich aber durchaus zum Straßenbild gehören.

„Meine Aufgabe ist es jetzt primär, die Kundenbasis wieder zu verbreitern“, erklärt Verkaufsdirektor Patrick Farque-Metais (47), der in dieser Funktion schon bei der „alten Montupet“ in Diensten stand und im vergangenen Herbst vom neuen Eigner Deltronix wieder zurückgeholt worden ist. Er muss erklären, wer sich hinter dem indischen Familienunternehmen verbirgt, wer dessen in „Française de roues“ (mit Logo und Kürzel F2R) umbenannte europäische Tochtergesellschaft ist und warum der Räderhersteller immer noch den höchsten Ansprüchen, die nun mal in der Erstausrüstung gestellt werden, gerecht wird.

Die Deltronix-Gruppe

Die vor zwanzig Jahren gegründete Deltronix-Gruppe ist ein Unternehmen der Familie Gupta und Produzent vor allem für die indische Fahrzeugindustrie, so von Gummikomponenten im Bereich Zündungen. Bei Aktivkohlefiltern, die Kraftstoffdämpfe aufnehmen, ist Deltronix mit einem Anteil von etwa 70 Prozent in Indien sogar Marktführer. Mittlerweile nimmt das Rädergeschäft allerdings als Produktgruppe im Unternehmensportfolio mehr als 50 Prozent ein.

Dass die bestehenden indischen Erstausrüstungskontakte für ihn bereits hilfreich waren, konnte Farque-Metais bereits bei seinen Bemühungen um die britischen Automobilhersteller Jaguar und Land Rover feststellen, sind diese beiden Marken doch Bestandteil der indischen Tata-Gruppe, die wiederum von Deltronix beliefert wird – wie auch unter anderem Maruti Suzuki und Mahindra in Indien oder dort vertretene internationale Automobilkonzerne á la General Motors, Ford sowie Volkswagen.

Dass das Aluminiumrädergeschäft für Deltronix an Bedeutung gewinnt, liegt auch an einem neuen Werk, das das Unternehmen in Chennai im Dezember 2012 in Betrieb genommen und auf eine Kapazität von 2,2 Millionen Gussfelgen ausgelegt hat. Marktanalysen der Unternehmerfamilie Gupta, in welchen Bereichen der mit großen Wachstumserwartungen in die nahe Zukunft strebenden indischen Automobilindustrie zu rechnen ist, haben zum Produkt Aluminiumgussfelgen geführt. Bislang gab es mit der Synergies Casting Ltd. aus Visakhapatnam und Enkei erst zwei eher kleinere Produktionsstätten, sodass Deltronix eine Marktlücke schließen will.

Dabei kam den Indern zupass, dass Montupet die Räderfertigung auch in Frankreich zur Disposition gestellt hatte, nachdem die Franzosen erst zum Jahreswechsel 2006/2007 ihr Aluminiumräderwerk in Nordirland geschlossen hatten. Es bot sich die Chance, nicht nur einen Fertigungsstandort zu erwerben, sondern auch Know-how, das ein Newcomer dringend benötigt. Und langjähriges Know-how ist in Châteauroux zweifellos vorhanden, wurde das dortige Räderwerk doch bereits 1970 errichtet.

Der Haken: Heute müssen sich Montupet und Française de roues das Werksgelände in Diors teilen. Mauern wurden gezogen, Gebäude neu aufgeteilt. Insgesamt habe das sehr gut funktioniert, sagt Patrick Farque-Metais, man habe jetzt eben zwei völlig unabhängig voneinander operierende Firmen unter einem Dach. Gewisse Eifersüchteleien habe es erst gegeben, als F2R wegen der hohen Auslastung produzierte, während die Kollegen von Montupet in Werksferien geschickt werden mussten.

Das Geschäftsmodell sieht vor, dass jedenfalls in den ersten Jahren im indischen Aluminiumräderwerk eher einfache und gemessen an Europa eher kleindimensionierte Felgen hergestellt werden. Zum einen dürften diese eher für den ja erst entstehenden indischen Markt adäquat sein, zum anderen verspricht sich der F2R-Verkaufsdirektor davon einen besseren Mix. Im Gegensatz zum Herkunftsland China spielen etwaige Zölle bei Rädern aus Indien so gut wie keine Rolle, schon mal vorstellbar, dass die eine Kokille für ein Rad in Chennai genutzt wird, die andere in Diors.

Zwei im Prinzip identische Fabriken mit Niederdruckkokillenguss sind nicht das Ziel, vielmehr soll der Standort Châteauroux nicht nur für „Massenprodukte“, sondern auch für spezielle Nischenanforderungen stehen, bestätigt auch Werksdirektor Piere Braillon. Bei einer Maximalkapazität von etwa zwei Millionen Einheiten wird F2R kaum mit den ganz Großen der Branche in der Erstausrüstung mithalten können, wohl aber mit Besonderheiten, die in anderen Fabriken den Produktionsfluss vielleicht eher stören würden, bzw. in hohem Maße individualisierten Rädern.

Française de roues

Die Zentrale der Française de roues ist in Paris und besteht nur aus wenigen Personen, aber ein Großteil seiner Arbeitszeit verbringt Managing Director Kapil Gupta dort. Im Werk selber, ca. drei Autostunden von Paris entfernt und gemäß ISO TS 16949 sowie ISO 14001 zertifiziert, sind aktuell 460 Personen beschäftigt. Die Produktion läuft nach einem 4-Schicht-Modell von Sonntagabend bis Samstagmorgen.

Seit dem Deltronix-Einstieg 2010 sind bereits sieben Millionen Euro Investitionsgelder in die Fabrik geflossen – u.a. für einen neuen Schmelzofen –, weitere fünf Millionen sind vor allem für eine neue automatische Röntgenanlage, eine Optimierung des Produktionsflusses und weitere Automatisierungen fest projektiert. Der F2R-Umsatz belief sich im Jahre 2012 auf 81 Millionen Euro, die einen Absatz von 1.720.000 Einheiten repräsentieren. Während das Werk Chennai auf eine Tageskapazität von 10.000 Rädern ausgelegt ist, sind es im französischen Schwesterwerk 9.000. Umgerechnet auf den durchschnittlichen Tagesausstoß habe man es im vergangenen Jahr auf 7.700 Räder gebracht, so viele sind auch für 2013 zu erwarten. Einen echten „Flaschenhals“, wie er in anderen Werken zum Beispiel durch Anwachsen der Dimensionierungen immer mal entstehen kann, sehen die Fabrikverantwortlichen derzeit nicht.

Verarbeitet wird ausschließlich die Legierung AlSi7Mg, hergestellt werden Größen von 13 bis 19 Zoll (im Werk Indien sind bereits bis zu 21 Zoll möglich). 18 Zoll ist derzeit die F2R-Rennergröße und steht für fast 50 Prozent aller Räder; fast genauso hoch ist der Anteil diamantgedrehter Räder in der Produktion, noch vor wenigen Jahre eine Nische. In Betrieb sind gleich zwei Lackieranlagen von Alstom, erstere „schafft“ ca. 4.000 Einheiten arbeitstäglich bis 17 Zoll, zweitere doppelt so viele und bis zu 19 Zoll.

Spezialitäten

Noch ist der Anteil zum Beispiel farbiger Räder an der Produktion eher gering, aber rapide wachsend. Vor allem sind aber bereits bunte Räder, die an die Erstausrüstung geliefert worden sind, auf der Straße, will heißen: Erfahrung ist auf dem Gebiet reichlich vorhanden und eine Umsetzung auch in höhere Volumina in der Produktion jederzeit möglich. Das Experimentierstadium hat die Française de roues schon geraume Zeit hinter sich gelassen. Schon seit mehr als zwei Jahren bedient man sich beispielsweise der Lasertechnologie und ist verwundert, dass das andernorts als innovativer Durchbruch gefeiert wird. Nicht alles, was man vielleicht in den Zeiten des Wechsels von Montupet zu F2R besser hätte patentieren lassen, ist auch geschützt, wohl aber das TCA-Verfahren, das für „Thermo Compactage Accéléré“ steht und sich in etwa mit beschleunigtem thermischen Komprimieren übersetzen lässt.

Bei Farben, Inserts, Logos, an welchen Stellen sie auch immer auf dem Rad platziert werden sollen, hat F2R gleich eine ganze Reihe von Produktlösungen parat, die vor allem eines eint: Sie erfüllen die hohen Ansprüche der Erstausrüstungskunden. Das gilt selbst für im Ersatzgeschäft immer weiter verbreitete Sticker zur Personalisierung. Der Hersteller sieht sich in der Lage, selbst alle Formen von Schattierungen zu berücksichtigen. Insgesamt wurden in der Produktion bereits 24 (!) verschiedene Farbtöne realisiert, die sich mit den beiden Decklacken „Satin“ oder „Glossy“ kombinieren lassen. „Bi-color-Diamond“-Räder werden immer populärer bei Funcars und tragen dazu bei, dass gerade die kleinen Elektroautos zu Hinguckern werden. F2R hat individualisierte Markierungen, die sich auftragen, aber auch wieder entfernen lassen: farbig, schattiert, erhaben – welcher Wunsch auch hinsichtlich der Räderoberfläche immer an das Unternehmen herangetragen wird.

Solchermaßen Ausrichtung kennt man ansonsten nur aus dem Ersatzgeschäft. Der Unterschied hier liegt im Wesentlichen darin, dass F2R den gleichen Anspruch realisiert mit dem Unterschied, dabei auch die Erstausrüstungsansprüche zu erfüllen. Man sei halt schon aus historischen Gründen OE-fixiert, so Patrick Farque-Metais, mittelfristig spreche aber auch nichts dagegen, mit solchen Produkten in den Aftermarkt zu gehen, ob selbst oder im Auftrage beispielsweise für Tuner oder andere Anbieter in den Ersatzmärkten. detlef.vogt@reifenpresse.de

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