Neues Apollo-F&E-Zentrum in Enschede
Kurz nachdem der indische Reifenhersteller Apollo Tyres Ltd. ein globales Marketingzentrum in Westminster/London eröffnet hatte, hat er am 11. Januar auch sein neues globales Forschungs- und Entwicklungszentrum in Enschede in den Niederlanden präsentiert. Diese Anlage soll als Dreh- und Angelpunkt für die Entwicklung und das Testen von Pkw- und Lieferwagenreifen für die drei Hauptmarken des Unternehmens – Apollo, Vredestein und Dunlop (in 32 afrikanischen Ländern) – dienen.
Unverkennbar nimmt die Internationalisierung der Unternehmensgruppe zu: Bis dato liegen 78 Prozent der Anteile an Apollo in indischer Hand, soll aber auf etwa 40 Prozent gesenkt werden, wobei der Fokus unter anderem auf Investoren aus den Niederlanden und Deutschland gerichtet ist.
Die neue Einrichtung in Westminster mag auch als Instrument dienen, sich auf dem großen Finanzplatz darzustellen und Interesse von Investoren aus der ganzen Welt zu wecken. Primäre Aufgabe aber wird sein, die richtigen Preispositionierungen zu erarbeiten, strategische Weichenstellungen vorzunehmen sowie die Mediaplanungen und die Produktkommunikation zu übernehmen.
Das Marketingzentrum mag zur globalen Drehscheibe für die Internationalisierung des Apollo-Geschäftsmodelles werden, das F&E-Zentrum jedenfalls zum Ausgangspunkt für die Produktentwicklungen, die das Unternehmen auf eine Stufe mit den etablierten weltweiten Spielern bringen soll. Im Rahmen der Einweihung haben die Verantwortlichen in Enschede wiederholt darauf hingewiesen, dass damit drei Unternehmensteile nicht nur aus den drei Ländern Indien, Niederlande und Südafrika, sondern aus den drei Kontinenten Asien, Europa und Afrika sowie drei unterschiedliche Kulturen zusammengeführt werden: Die indische Muttergesellschaft sieht in den Mitarbeitern, die jetzt unter einem gemeinsamen Dach forschen und entwickeln, ein „Dreamteam“.
Die Entscheidung, die Einrichtung in Enschede – ziemlich zentral in Europa gelegen – zu errichten, mag recht frühzeitig gefallen sein. Für ihn sei die Reise zur Eröffnung wie ein Nachhausekommen gewesen, erinnert Onkar S. Kanwar, Chairman von Apollo Tyres Ltd., an die Übernahme Vredesteins aus dem Frühjahr 2009. Intensiv diskutiert worden ist aber wohl, ob die neue Einrichtung direkt am Vredestein-Reifenwerk platziert werden sollte oder außerhalb des direkten „Einflussbereiches“ von Vredestein. Für beide Varianten mag es Argumente gegeben haben, letztlich aber dürfte die „Unabhängigkeit“ und damit gewährleistete Gleichbehandlung aller Konzernwerke den Ausschlag gegeben haben für die finale Standortentscheidung.
Das Gebäude des Apollo Tyres Global R&D BV am Ortseingang der „Vredestein-Stadt“ Enschede liegt unweit der dortigen Universität in einem Areal, das Technologiefirmen nutzen und Wissenschaftspark genannt wird. Ein Kooperationspartner ist bereits die Universität Twente, ein anderer auch schon mal die Universität Eindhoven. In diesem Umfeld gegebenenfalls weitere Ingenieure künftig zu gewinnen, dürfte leichter fallen als für das Gelände eines Produktionsbetriebes. Beschäftigt wurden zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme 104 Spezialisten für Forschung und Entwicklung aus verschiedenen Teilen der Welt, darunter 20 Spezialisten für Fahrzeugreifen aus Indien und Südafrika. Später soll die Zahl der Mitarbeiter auf fast 150 aufgestockt werden. Geleitet wird das neue F&E-Zentrum von Peter J. Snel (47), der vor elf Jahren von Bosch kommend zu Vredestein auf die Reifenseite des automobilen Zubehörbereiches gewechselt war und sich der NEUE REIFENZEITUNG für ein Kurzinterview gestellt hat.
„Das globale Forschungs- und Entwicklungszentrum ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg, unseren Unternehmenswert bis zum Jahr 2016 auf sechs Milliarden Dollar zu steigern. Dieses erstklassige Zentrum spielt eine zentrale Rolle beim Einbinden modernster Technologien und Innovationen in die Entwicklung der Pkw- und Lieferwagenreifen der Zukunft“, so Onkar S. Kanwar während der Eröffnung des F&E-Zentrums. Gleichwohl sieht auch er die große Herausforderung, die dem Projekt innewohnt. Und Snel weiß, dass es beim neuen F&E-Zentrum wie bei allen Wettbewerbern um „Qualität und Technologie“ geht, aber er weiß auch, was letzten Endes den Unterschied ausmacht: die Menschen. Und die sind, was das Unternehmen ist: „with great ambitions“. Unter der Adresse Colosseum 2 sind in Enschede jetzt jedenfalls die besten Kräfte aus den indischen Standorten Chennai und Baroda, aus Ladysmith und Durban aus dem fernen Südafrika oder aus Enschede in Europa vereint.
R. K. Singh, Stellvertreter des indischen Botschafters der Niederlande, und Peter den Oudsten, Bürgermeister von Enschede, eröffneten gemeinsam die Anlage. Onkar S. Kanwar und Neeraj Kanwar (Vize-Chairman und Geschäftsführer) sowie der Führungsstab von Apollo Tyres durften anlässlich der Eröffnung natürlich auch nicht fehlen. Auch mancher ehemalige Vredesteiner aus der Führungsetage sowie aktuelle Mitarbeiter aus dem nahen Reifenwerk und Journalisten der Fachmagazine aus Europa waren dabei.
Apollo Tyres hat sein Forschungs- und Entwicklungsteam in den drei wichtigsten Regionen neu strukturiert, um Synergien und eine noch bessere Ausrichtung auf die Wachstumsambitionen des Unternehmens zu erreichen und um bei der Erschließung neuer Märkte an Geschwindigkeit und Bedeutung zu gewinnen. Das Unternehmen konzentriert seine Forschung und Entwicklung mit fast 250 Mitarbeitern in Afrika, Europa und Indien, um zwei globale Dreh- und Angelpunkte für Forschung und Entwicklung zu schaffen: Enschede in den Niederlanden für Pkw- und Lieferwagenreifen und Chennai in Indien für Nutzfahrzeugreifen.
Die beiden Standorte wurden auf Grundlage der aktuellen und potenziellen Märkte gewählt. Der Nahe Osten und Asien stellen fast 59 Prozent des weltweiten Marktes für Nutzfahrzeugreifen dar. Europa und Nordamerika machen hingegen 51 Prozent des Marktes für Pkw-Reifen aus. Beide Forschungs- und Entwicklungszentren sollen eng mit Erstausstattern und Serviceanbietern, Prüfstellen, Rohstofflieferanten und Forschungsinstituten zusammenarbeiten.
Neeraj Kanwar: „Während wir unsere Ressourcen für Forschung und Entwicklung zusammenführen, arbeiten kleinere Teams in allen Schlüsselmärkten daran, alle globalen Produkte auf die Ansprüche des jeweiligen Marktes abzustimmen und unter den örtlichen Gegebenheiten zu erproben. Forschung und Entwicklung wird auch in Zukunft den Eckpfeiler unserer Vision darstellen, und wir planen, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf drei Prozent unseres Umsatzerlöses zu erhöhen.“
Peter Snel: „Apollo hat eine mutige strategische Entscheidung getroffen, seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für Pkw-Reifen in Europa zu zentralisieren. In Anbetracht der Tatsache, dass Europa einen der fortschrittlichsten Automobilmärkte der Welt darstellt, wird die neue Anlage dem Unternehmen bei der Intensivierung seiner Bemühungen helfen, Reifen für die Zukunft zu entwickeln und zu produzieren. Darüber hinaus wird sie auch zur Stärkung unserer Beziehungen zu Erstausstattern auf der ganzen Welt beitragen.“ detlef.vogt@reifenpresse.de
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