Fragen über Fragen: Das Reifenlabel kommt, aber wie?

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Das Reifenlabel wird zum 1. November Pflicht in der Europäischen Union. Damit kommen auf den Reifenhandel und die Industrie sowie auf Importeure zahlreiche Pflichten zu, gleichzeitig erhalten sie aber auch gewisse Rechte. Die spannendsten Fragen sind derzeit die nach der Pflicht zur Beratung gegenüber dem Endverbraucher und die nach möglichen rechtlichen Konsequenzen für Beratungsfehler sowie für falsch gelabelte Reifen. In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) beantworten wir hier die wichtigsten Fragen zur Einführung des EU-Reifenlabels.

Gibt es eine Beratungspflicht zum EU-Reifenlabel?

Ja, gemäß EU-Verordnung (EU-VO) 1222/2009 muss der Verkäufer dem Verbraucher, ob privat oder gewerblich, vor dem Kauf zu den in Rede bzw. den zum Verkauf stehenden Reifen die Labelwerte mitteilen, damit er ggfs. seinen Kauf eben auch von diesen abhängig machen kann. Genau das ist das Ziel der Reifenkennzeichnungsverordnung.

Wann und in welcher Form muss der Reifenhändler oder der Verkäufer im Autohaus beim Verkauf auf das Reifenlabel hinweisen?

In jedem Fall muss er vor dem Verkauf darauf hinweisen. Dabei reicht es nach landläufiger Meinung im Verkaufsgespräch am Point of Sale aus, die Labeldaten – wie Reifendimension, Last- und Speedindex, Fabrikat und Profilausführung – dem Kunden gegenüber zu nennen. Hat der Kunde daraufhin weiteren Erklärungsbedarf, ist es der Sach- und Fachkompetenz des Händlers überlassen, dem Verbraucher das System und die Inhalte – Rollwiderstand, Nasshaftung, Reifenabrollgeräusch – der EU-Reifenkennzeichnungsverordnung genauer zu erläutern, mit allen Vor- und Nachteilen und ggfs. auch im Vergleich zu den einschlägigen Reifentests.

Müssen auch die Klasseneinstufungen im Detail erläutert werden?

Nach landläufiger Meinung nur dann, wenn der Kunde dies wünscht. Ihm stehen daneben die vielfältigsten Möglichkeiten zur Verfügung, sich zu informieren, etwa auch auf der herstellerneutralen BRV-/WdK-Informationsplattform www.dasreifenlabel.de.

Reicht es eventuell, nach dem Verkauf auf das Label hinzuweisen?

Nein, dann würde die Zielvorgabe der EU-VO nicht erfüllt.

Welche Organisationen/Behörden kümmern sich um die Einhaltung der Beratungspflicht?

Zunächst ist der Verkäufer rechtlich gemäß EU-VO 1222/2009 verpflichtet zu beraten. Verstöße dagegen zu ahnden, ist wiederum grundsätzlich Aufgabe der entsprechenden staatlichen Institutionen wie etwa Gewerbeaufsichtsämtern und ggfs. auch Umwelt- oder Verbraucherschutzverbänden. Im Detail ist das derzeit in Deutschland aber noch nicht klar geregelt; eine konkrete Verteilung der Zuständigkeiten steht erst noch bevor.

Werden diese nur auf eigene Initiative hin tätig? Oder können sie – etwa von Verbrauchern oder Wettbewerbern – dazu beauftragt oder verpflichtet werden?

Ja, Umwelt- und Verbraucherschutzverbände werden in der Regel auf eigene Initiative hin tätig. In welcher Form und in welchem Ausmaß das ggfs. geschieht, konnte man bei der Einführung der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung für Pkw beobachten. Organisationen wie etwa die Deutsche Umwelthilfe haben sich dabei besonders hervorgetan; es fanden zum Teil Massenabmahnungen statt. Die staatlichen Institutionen ihrerseits werden erfahrungsgemäß auf entsprechende Anzeigen hin tätig.

Sind Reifentestkäufe möglich oder sogar zu erwarten, nur um eine etwaige nicht eingehaltene Beratungspflicht zu testen?

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Erfahrungen bei der Einführung der Energieverbrauchskennzeichnung von Pkw in Autohäusern muss man mit etwas Ähnlichem auch zur Einführung des EU-Reifenlabels rechnen.

Mit welchen Strafen muss ein Reifenhändler rechnen, wenn er nicht oder nicht richtig berät?

Das wird von den zu erwartenden Abmahnverfahren und vor allem davon abhängen, wer abmahnt. Bei den bereits genannten Erfahrungen in Autohäusern lag die Gebühr wohl zwischen 5.000 und 10.000 Euro pro Fall.

Wie ist der Stand der Dinge zur Ahndung möglicher Vergehen aktuell?

Man muss darauf hinweisen, dass die Überprüfung der Einhaltung der Beratungspflicht beim Reifenkauf nur die eine Seite der Medaille ist. Die der Überprüfung der Übereinstimmung der durch den Reifenhersteller/Importeur angegebenen Labelwerte mit den tatsächlichen Labelwerten – also die Produktüberwachung – ist die andere und die ggfs. wichtigere Seite der Medaille. Und genau diese ist primäre Aufgabe der staatlichen Institutionen. Nun wissen wir aber, dass die Produktüberwachung (die ebenfalls Bestandteil der EU-VO ist) in Deutschland in der Verantwortung der einzelnen Bundesländer liegt.
Hierzu kann derzeit nur festgestellt werden, dass es dazu bereits unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums, das für Deutschland diesbezüglich gegenüber der EU rechenschaftspflichtig ist, eine Bund-Länder-Konferenz gegeben hat. Ziel ist es auf der einen Seite, die staatlichen Verpflichtungen aus der EU-VO zu erfüllen, und auf der anderen bezüglich der Produktüberwachung hinsichtlich des Reifenlabels ggfs. koordiniert vorzugehen.

Wie genau muss ein Reifen gekennzeichnet sein, um der Verordnung Genüge zu tun?

Das ist in der EU-VO 1222/2009, Artikel 5 (1) exakt geregelt:
„Der Händler hat zu gewährleisten, dass:
a) Reifen in der Verkaufsstelle die vom Lieferanten gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a bereitgestellten Aufkleber deutlich sichtbar tragen oder dass:
b) vor dem Kauf des Reifens dem Endnutzer die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b genannte Kennzeichnung gezeigt wird und in unmittelbarer Nähe des Reifens in der Verkaufsstelle deutlich sichtbar angebracht ist.“

Gibt es Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht? Was ist etwa mit Gebrauchtreifen, oder mit Reifen, die von privat verkauft werden?

Da der Gesetzgeber den Begriff Gebrauchtreifen nicht ‚kennt‘, geht man landläufig davon aus, dass die EU-VO 1222/2009 auch für diese (ab Herstellungsdatum 1. Juli 2012) gilt. Des Weiteren regelt die EU-VO lediglich die Rechte und Pflichten von Reifenlieferanten (Hersteller, Importeur, Bevollmächtigter, Lieferant) und Reifenhändlern sowie Fahrzeuglieferanten und -händlern. Insofern geht man davon aus, dass die Verordnung bei Geschäften von privat an privat nicht unbedingt anzuwenden ist.

Müssen auch neue Reifen im Lager des Reifenhändlers oder des Autohauses ein Label tragen?

Reifen müssen nur dort gekennzeichnet sein, wo sie der Endverbraucher sehen kann, also in den Verkaufsräumen.

Was, wenn das Label beim Transport zum Händler abgegangen ist?

Da der Reifenhersteller/Importeur verpflichtet ist, die Labeldaten in der Lieferkette bekannt zu geben und auf den Lieferpapieren, also dem Lieferschein und der Rechnung, aufzuführen, dürfte das kein Problem darstellen.

Inwiefern müssen oder können Reifen, die vor dem 1. Juli 2012 gefertigt wurden, auch gelabelt werden?

Sie müssen nicht, können aber auf freiwilliger Basis gelabelt sein. Hierbei ist der Reifenhändler aber von den jeweiligen Reifenherstellern/Importeuren abhängig bzw. darauf angewiesen, wie dieser das entsprechend regeln möchte, denn nur dieser kann dazu rechtverbindliche Aussagen treffen. Der BRV ist dazu schon seit Längerem mit den WdK-Reifenherstellern und anderen Herstellern und Importeuren in Kontakt. Diese Abstimmungen dauern derzeit noch an, aber es zeichnen sich augenscheinlich zwei unterschiedliche Verfahrensweisen ab:
Es wird wohl einerseits Hersteller geben, die die Labeldaten ab einem bestimmten Produktionsdatum vor dem 1. Juli 2012 garantieren (z.B. Goodyear/Dunlop ab DOT 0911 oder Continental zu Winterreifen ab DOT 0112), und andererseits auch solche, deren Labeldaten generell pro Artikelnummer (also unabhängig vom Produktionsdatum) gelten werden.

Was empfiehlt der BRV in diesem Zusammenhang?

Da das Thema „Nachlabeln der Bestände mit Produktionsdatum vor dem 1. Juli 2012“ für das kommende Winterreifengeschäft vor dem Hintergrund erhöhter Bestände aus dem Vorjahr eine wesentliche Bedeutung haben wird, werden wir das endgültige Ergebnis der o.g. Abstimmungen mit den Reifenherstellern rechtzeitig im Überblick veröffentlichen, sodass sich der Reifenfachhandel auch rechtzeitig darauf einstellen kann.
Im Übrigen sollte das aber niemanden hindern, ggfs. schon heute mit seinen Lieferanten bilaterale vertragliche Vereinbarungen, die auch rechtsrelevant sind, in dieser Richtung zu treffen. Entscheidend wird sein, hierzu eindeutige Regelungen der Reifenhersteller/Importeure dokumentieren zu können, um nicht selbst – als Reifenhandelsbetrieb – in den Verdacht eines unlauteren Nachlabelns von Beständen mit Produktionsdatum vor dem 1. Juli 2012 zu geraten.

Wo muss der Händler noch ‚labeln’?

Nach EU-VO 1222/2009 Artikel 3 in
(3) der „Verkaufsstelle“…
(4) „technischem Werbematerial“ – technische Handbücher, Broschüren, Faltblätter und Kataloge (in gedruckter oder elektronischer Form oder als Onlineversion) sowie Websites, die der Vermarktung von Reifen dienen und in denen die spezifischen technischen Parameter eines Reifens (Marke, Profilausführung, Dimension, Last- und Speedindex) beschrieben werden
(5) „technischen Unterlagen“ – Informationen zu Reifen einschließlich Hersteller und Marke, Beschreibung des Reifentyps oder der Reifengruppe…
Das betrifft selbstverständlich aber auch schriftliche Angebote zu Reifen an gewerbliche oder private Verbraucher.

Inwiefern und in welcher Form muss der Reifenhändler die Informationen zum Reifenlabel auch auf der Rechnung zum gekauften Reifen abdrucken?

Gemäß Artikel 5 (3) der EU-VO müssen die Labeldaten – zu denen vor dem Verkauf zu informieren ist – auf der Rechnung an den Verbraucher (gewerblich oder privat) aufgeführt werden oder mit der Rechnung separat ausgehändigt werden.
Hierbei reicht es allerdings aus, wenn zur Bezeichnung der Reifenmarke (Hersteller), der Profilausführung, der Reifendimension und dem Last- und Speedindex die jeweiligen Buchstaben der Kraftstoffeffizienzklasse (A-G) und der Nasshaftungsklasse (A-G), die Klasse des externen Abrollgeräusches (1-3) und der entsprechende Messwert (dB) abgedruckt werden (aber in dieser Reihenfolge). Zum Beispiel so: Michelin Energy Saver S1 195/65 R15 91 H – C,A,2,70dB.

Welche technische Vorgehensweise ist in diesem Zusammenhang zu empfehlen?

Um das im Reifenhandel professionell handeln zu können – also den automatischen Abdruck auf der Rechnung –, hat der BRV bereits vor über zwei Jahren Kontakt zum WdK aufgenommen, um über einen einheitlichen EDV-Standard diese Daten (im Rahmen der elektronischen KB-Listen) pro Artikelnummer zur Verfügung gestellt zu bekommen und in die Warenwirtschaftssysteme des Reifenhandels einpflegen zu können.
Dieser WdK-Standard – Integration der erforderlichen Angaben in den elektronischen Preiskatalog PRICAT in der Version EDIWheel Release 2010, zusätzlich auch in den Rechnungsnachrichten Invoic (EDIFACT, XML und CVS) – liegt vor und wird von den WdK-Reifenherstellern auch so angewandt. Im Übrigen können diesen auch Nicht-WdK-Hersteller oder Importeure erwerben, was wir im Sinne einer einheitlichen Verfahrensweise in der Brache auch dringend empfehlen.

Kann ein Hersteller/Lieferant verlangen, dass der Reifenhändler die Reifen labelt, also die Aufkleber anbringt? Wer ist dafür grundsätzlich verantwortlich?

Prinzipiell ja, der Hersteller/Lieferant/Importeur hat die Daten zur Verfügung zu stellen, für die Auszeichnung der Ware in den Verkaufsräumen ist aber der Reifenfachhändler verantwortlich.

Gilt dies unter Umständen auch für Reifen, die vor dem 1. Juli gefertigt wurden und nicht gelabelt sind?

Auch hier prinzipiell ja, wenn das auf freiwilliger Basis entsprechend vereinbart wurde.

Hat der Reifenhändler einen Anspruch auf Zugang zu den Reifenlabelwerten, etwa auch zu denen von Wettbewerbern?

Ja, in uneingeschränktem Maße. Die oben gemachten Ausführungen zur Frage „Wo muss der Händler noch ‚labeln’?“ gelten selbstverständlich in gleichem Maße für die Reifenhersteller/Importeure. Das heißt, in technischem Werbematerial und in technischen Unterlagen des Herstellers müssen die Daten ebenfalls angegeben werden.

In welcher technischen Form muss dieser Zugang gewährt werden?

Das ist in der EU-VO 1222/2009 nicht geregelt – die erläuterte Verfahrensweise mit dem WdK erfolgte auf freiwilliger Basis im Interesse der gesamten Brache.

Wie kann der Reifenhändler sicherstellen, dass alle seine elektronischen Systeme stets auf dem neuesten Stand sind und das Reifenlabel integriert haben?

Der BRV hat hierzu etwa in seinen Verlautbarungen seit Ende 2011/Anfang 2012 seine Mitglieder dringend aufgefordert, mit ihren Softwarehäusern Kontakt aufzunehmen, um sicherzustellen, dass der genannte WdK-Standard – Integration der erforderlichen Angaben in den elektronischen Preiskatalog PRICAT in der Version EDIWheel Release 2010, zusätzlich auch in den Rechnungsnachrichten Invoic (EDIFACT, XML und CVS) – in ihren Warenwirtschaftssystemen abgebildet werden kann.

Hat ein Reifenhändler jetzt eine ‚Kaufpflicht‘ für das eine oder andere Warenwirtschaftssystem?

Nein.

Besteht die Möglichkeit, die Labelwerte eines Produktes ‚freiwillig’, etwa aus vermarktungspolitischen Gründen, abzustufen?

Ja, das ist Sache jedes einzelnen Reifenherstellers/Importeurs.

In welcher Form werden Hersteller bestraft, deren angegebene Labelwerte nicht der Richtigkeit entsprechen?

Das ist noch nicht beschlossen, da es in der Verantwortung der staatlichen Institutionen – in Deutschland in der der einzelnen Bundesländer – liegt. Man darf aber davon ausgehen, dass im Zweifelsfalle der Imageschaden eines solchen Herstellers/Importeurs noch viel größer wäre als eine etwaige Strafzahlung.

Ab wann ist ein entsprechendes Verfahren etabliert?

Man rechnet unter Bezugnahme auf die stattgefundene Bund-Länder-Konferenz damit, dass diese staatliche Aufgabe ab 2013 auch verantwortlich in Deutschland und ggfs. abgestimmt von den Bundesländern wahrgenommen wird. ab

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