Chinas Autoindustrie steuert nach Westen
Investoren aus Asien und insbesondere China drücken bei der Konsolidierung der globalen Automobilindustrie aufs Tempo. Im vergangenen Jahr gab es in der Branche weltweit 594 Fusionen, Beteiligungen oder Übernahmen mit einem veröffentlichten Gesamtwert von 45 Milliarden US-Dollar (2010: 520 Deals im Gesamtwert von 25 Milliarden US-Dollar). Investoren aus Asien trugen mit 14 Milliarden US-Dollar rund 31 Prozent des globalen M&A-Volumens bei, wie aus der Studie „Automotive M&A Insights: Driving Value“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervorgeht.
Zudem flossen mehr Investitionen von Asien nach Europa und Nordamerika als in umgekehrter Richtung. Asiatische Unternehmen beteiligten sich mit 3,8 Milliarden US-Dollar in Übersee, während aus Europa 3,3 Milliarden US-Dollar und aus Nordamerika lediglich 1,3 Milliarden US-Dollar in anderen Weltregionen investiert wurden. „Chinas Automobilindustrie drängt mit Macht nach Westen. Dabei geht es vorrangig um Zugang zu Automobilherstellern und Technologie. Wir erwarten, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren fortsetzen wird, da die chinesische Industrie Unternehmensakquisitionen als Wachstumsbeschleuniger erkannt hat“, kommentiert Martin Schwarzer, Partner und M&A-Experte für den chinesischen Automobilmarkt bei PwC.
Deutsche Zulieferer im Visier
Bislang haben chinesische Staatsbetriebe und wenige Privatunternehmen im Ausland vor allem in den strategisch wichtigen Sektoren Energie und Rohstoffe investiert. In den vergangenen zwei Jahren gingen nach PwC-Berechnungen lediglich zwei Prozent aller Auslandsinvestitionen in die Automobilbranche. Doch dürften sich die Gewichte in den kommenden Jahren verschieben, da China die Autoindustrie mittlerweile als Schlüsselindustrie definiert und den heimischen Markt nicht mehr weitgehend den ausländischen Herstellern überlassen will.
„Um die chinesische Autoindustrie global wettbewerbsfähig zu machen, setzt der Staat auf Übernahmen in den etablierten Industriestaaten. Im Fokus stehen gut positionierte Marktführer und technologisch starke Zulieferer. Dabei ziehen chinesische Investoren auch Übernahmen von insolventen oder in der Restrukturierung befindlichen Unternehmen in Erwägung“, erläutert Schwarzer.
Die deutsche Zulieferindustrie ist von kleinen bis mittelgroßen Betrieben (100 Millionen Euro bis 500 Millionen Euro Umsatz) geprägt, die zum Akquisitionsfokus chinesischer Unternehmen passen. Im vergangenen Jahr traten chinesische Investoren in der deutschen Autoindustrie erstmals in Erscheinung.
„Es ist nicht auszuschließen, dass die jüngsten Zukäufe in Deutschland den Beginn einer Konsolidierungswelle in der deutschen Zulieferindustrie markieren. Denn chinesische Investoren orientieren sich weniger an kurzfristiger Renditeoptimierung ihrer neuen Tochterunternehmen als an deren Technologie. Denn für sie ist meist von Interesse, wie man diese Technologie im chinesischen Heimatmarkt zum Einsatz bringen kann. Dies dürfte den Preiswettbewerb in der Branche verschärfen und so weitere Zulieferer zu Übernahmekandidaten werden lassen“, erwartet Schwarzer. Gleichzeitig hat sich die Akzeptanz von chinesischen Investoren sowohl bei den Mitarbeitern der Übernahmekandidaten als auch bei den Automobilherstellern deutlich gesteigert. In den M&A-Prozessen gelten Interessenten aus China als verlässliche Verhandlungspartner, die gleichzeitig auch attraktive Unternehmenspreise bieten. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Übernahmefinanzierung aufgrund der Förderung durch die chinesische Regierung und der Banken in der Regel unproblematisch ist“, berichtet Schwarzer. dv
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