VDA: Deutsche Automobilindustrie 2011 auf Wachstumskurs
„Die deutsche Automobilindustrie ist schneller aus der Krise herausgefahren als erwartet. Für 2011 rechnen wir bereits wieder mit neuen Rekordmarken beim Pkw-Export und der Inlandsproduktion. Der Inlandsmarkt ist auf Normalisierungskurs, die Neuzulassungen werden im kommenden Jahr auf 3,1 Millionen Einheiten steigen. Die Kapazitäten sind wieder gut ausgelastet, der Auftragsbestand liegt deutlich über dem langjährigen Schnitt“, betont Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf der VDA-Jahrespressekonferenz in Berlin.
Der Weltautomobilmarkt legt im Jahr 2010 um acht Prozent auf knapp 60 Millionen Pkw zu und überschreitet damit bereits wieder das Vorkrisenniveau. Für 2011 wird mit einem weiteren Wachstum um acht Prozent auf 64,5 Millionen Pkw gerechnet. „Die weltweite Pkw-Nachfrage nimmt weiter zu. Der Wunsch der Menschen nach dem eigenen Automobil ist offensichtlich kulturübergreifend und interkontinental. Von dieser Entwicklung profitieren insbesondere die deutschen Hersteller“, unterstreicht Wissmann.
Die deutsche Automobilindustrie wird im Jahr 2010 ihre Pkw-Exporte um 23 Prozent auf 4,2 Millionen Einheiten steigern. Die deutschen Marken haben in wichtigen Regionen Marktanteile hinzu gewonnen, etwa in den USA, wo sie innerhalb von fünf Jahren ihren Marktanteil bei Light Vehicles (Cars und Light Trucks) kontinuierlich um durchschnittlich 0,5 Prozentpunkte pro Jahr auf 7,6 Prozent steigern konnten. Allein im Car-Bereich haben sie ihren Marktanteil auf 11,8 Prozent erhöht. Im November konnten die deutschen Hersteller ihren US-Absatz von Light Trucks um rund 41 Prozent steigern, während das Segment insgesamt um etwa ein Viertel zulegte. Im Car-Bereich ist das Wachstum der deutschen Marken (plus 17 Prozent) mehr als doppelt so hoch wie die Steigerung des gesamten Bereichs (plus 7,5 Prozent). Den Absatz von Light Vehicles (Cars und Light Trucks) erhöhten die deutschen Marken im November um 22,7 Prozent (Gesamtmarkt: plus 16,9 Prozent). „Wir wachsen also in den USA deutlich schneller als der Markt. Dies gilt auch für die neuen EU-Länder und Indien“, so Wissmann. Die Erholung der Märkte wirkt sich positiv auf die Pkw-Inlandsfertigung aus, die im Jahr 2010 um elf Prozent auf gut 5,5 Millionen zulegen wird. Das entspricht dem Niveau des Jahres 2008.
Die Kapazitätsauslastung der deutschen Automobilindustrie insgesamt, die im 2. Quartal 2009 auf 62 Prozent zurückgegangen war, beträgt im 4. Quartal 2010 wieder knapp 85 Prozent. Bei den Pkw-Herstellern sind es über 87 Prozent. Auch die Zulieferer sind mit über 81 Prozent gut beschäftigt.
„Die Perspektiven geben Anlass zu realistischem Optimismus. Der inländische Auftragseingang steigt seit September stetig und mit zunehmender Geschwindigkeit. Der inländische Auftragsbestand liegt mit 532.000 Bestellungen um rund 100.000 Einheiten höher als das Durchschnittsniveau der letzten Jahre“, erläutert Wissmann.
Der Pkw-Inlandsmarkt werde im Jahr 2010 den oberen Rand der bisherigen Prognose überschreiten und ein Neuzulassungsvolumen von ca. 2,92 Millionen Einheiten aufweisen. „Der deutsche Pkw-Markt ist auf Normalisierungskurs und zeigt sich in robuster Verfassung. Die Kunden sind weiterhin anspruchsvoll, für sie ist nicht allein der günstige Preis entscheidend, sondern ein angemessenes Wert-Preis-Verhältnis – und damit vor allem hohe Qualität und Zuverlässigkeit“, so Wissmann. Die deutschen Konzernmarken konnten ihren inländischen Marktanteil auf über 70 Prozent steigern, nachdem er 2009 kurzfristig auf 62 Prozent gesunken war. Der Dieselanteil liegt wieder über der 40-Prozent-Marke. Das Mittelklassesegment gewinnt Marktanteile, während der Anteil von Klein- und Kompaktwagen gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. 43 Prozent aller Neuwagenkäufer sind private Halter (Vorjahr: 63 Prozent). Der Anteil der gewerblichen Neuzulassungen ist auf 57 Prozent gestiegen, hier sind die deutschen Marken besonders stark vertreten.
Für das Jahr 2011 erwartet Wissmann einen „stabilen Aufwärtstrend“. Allerdings gebe es keinen Anlass zu „Jubelstürmen“: „Die Risiken an den Rohstoff- und Finanzmärkten sind noch keineswegs ausgeräumt.“ Erfreulich sei, dass der gesamtwirtschaftliche Aufschwung auch beim Konsum langsam Tritt fasse. „Wir gehen davon aus, dass der Pkw-Inlandsmarkt im Jahr 2011 ein Volumen von 3,1 Millionen Pkw erreichen wird. Damit wäre auch das Niveau des Jahres 2008 überschritten.“ Beim Pkw-Export erwartet Wissmann im kommenden Jahr mit 4,4 Millionen Einheiten (plus fünf Prozent) ein neues Rekordniveau. Die Pkw-Inlandsproduktion werde 2011 ebenfalls um fünf Prozent auf knapp 5,8 Millionen Fahrzeuge steigen – auch das wäre eine neue Bestmarke.
„Es geht 2011 also weiter aufwärts, allerdings mit geringerer Geschwindigkeit“, sagt der VDA-Präsident. Die Gewichte auf dem Weltautomobilmarkt veränderten sich mit hoher Geschwindigkeit. So werde der Anteil Chinas am Weltautomobilmarkt innerhalb weniger Jahre (2008 – 2011) von zehn auf 19 Prozent steigen, während die USA und Westeuropa jeweils drei Prozentpunkte auf je ein Fünftel verlieren.
„Nahezu jeder fünfte Neuwagen, der im Jahr 2010 weltweit verkauft wird, wird in China abgesetzt. Wir halten das hohe Tempo mit. Fast jeder fünfte Neuwagen in China zählt zu einer deutschen Konzernmarke. Das unterstreicht eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit unserer Hersteller“, betont Matthias Wissmann. Das dynamische Wachstum der internationalen Märkte könne nicht allein durch Exporte bedient werden, notwendig sei auch die Fertigung vor Ort. Die deutschen Hersteller haben ihre Auslandsproduktion im Jahr 2010 um 17 Prozent auf 5,7 Millionen Pkw erhöht. „Gleichzeitig konnte die Beschäftigung im Inland mit rund 714.000 Mitarbeitern stabil gehalten werden und steigt seit einigen Monaten leicht an. Die Daumenregel gilt also weiterhin: Drei neue Arbeitsplätze im Ausland sichern oder schaffen einen Arbeitsplatz im Inland. Export und Präsenz in den Wachstumsregionen sind nicht ein ‚Entweder – oder’ sondern ein ‚Sowohl als auch’“, sagt Wissmann.
Die deutschen Zulieferer sind – ebenso wie die Hersteller – global aufgestellt und mit rund 2.000 Standorten weltweit vertreten. Im bisherigen Jahresverlauf stieg der Umsatz der Zulieferer um 26 Prozent. Wissmann betont, dass Hersteller in der Krise manchem Zulieferer unter die Arme gegriffen hätten, als es auch von Bankenseite eng wurde: „Auch wenn es ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen Herstellern und Zulieferern gibt – in der Krise hat sich die Partnerschaft in der Wertschöpfungskette bewährt. Sie steht jetzt vor neuen Herausforderungen.“
Er weist darauf hin, dass die deutschen Hersteller bei der CO2-Reduzierung weiter vorankämen. In zehn von zehn Fahrzeugsegmenten, vom Kleinwagen bis zum Familien-Van, hätten die deutschen Hersteller – laut offizieller KBA-Zahlen – in den ersten zehn Monaten des Jahres 2010 jeweils einen durchschnittlich niedrigeren CO2-Wert als die Importeure. Und in sechs von zehn Segmenten würden die deutschen Marken jeweils das verbrauchsgünstigste Modell stellen.
Im Zusammenhang mit der Nationalen Plattform Elektromobilität betont Wissmann erneut, dass die deutsche Automobilindustrie den Löwenanteil an den Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen trage. Allein in den nächsten drei bis vier Jahren werde sie rund zehn bis zwölf Milliarden Euro in den Bereich der alternativen Antriebe investieren: „Das sind 40 Prozent aller FuE-Investitionen, die wir für Antriebstechnik ausgeben. Dem steht ein erwarteter Umsatzanteil von gerade einmal fünf Prozent bei Elektro- und Hybridautos gegenüber. Wir gehen also enorm in Vorleistung“, so Wissmann. Die Plattform habe jetzt weitere Forschungsvorhaben bis zum Jahr 2013 in Höhe von vier Milliarden Euro definiert. Dabei gehe es vor allem um Forschungsförderung im vorwettbewerblichen Bereich. Das betreffe mehrere Branchen, also auch die Chemie, die Elektronikindustrie und den Maschinenbau. Die Plattform erarbeite einen Maßnahmenkatalog zur Unterstützung eines erfolgreichen Markthochlaufs. Dieser Katalog umfasse u. a. finanzielle und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, verkehrsrechtliche Anpassungen oder infrastrukturelle Voraussetzungen. dv
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