Deutsche Autoindustrie sieht Krise nur noch im Rückspiegel
„Die deutsche Automobilindustrie fährt schneller aus der Krise als erwartet. Im ersten Halbjahr hat sie ihre Pkw-Exporte um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesteigert und die Pkw-Inlandsproduktion um 23 Prozent erhöht“, so Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). „Im zweiten Halbjahr wird das Wachstum zwar geringer ausfallen. Doch wir sind zuversichtlich, dass wir im Gesamtjahr 2010 den Pkw-Export um mindestens ein Fünftel erhöhen und damit die Inlandsproduktion um mindestens zehn Prozent steigern können“, prognostiziert er. Es schein also, als sei die Krise nur noch ganz klein im Rückspiegel zu erkennen, spricht Wissmann doch auch von einem positiven Impuls für die Beschäftigung durch die rasche Erholung der Exportmärkte. „Die Auslastung steigt“, sagt der VDA-Präsident. Wachstumsträger seien vor allem die asiatischen Märkte. Demnach hat der chinesische Pkw-Markt in den ersten fünf Monaten um mehr als die Hälfte zugelegt, und in Indien soll das Pkw-Geschäft um fast ein Drittel gestiegen sein. Auch der US-Markt hat sich nach Verbandsangaben erholt: Der Absatz sogenannter Light Vehicles stieg laut VDA im ersten Halbjahr 2010 um knapp 17 Prozent, wobei die deutschen Konzernmarken mit einem Plus von 18,4 Prozent im gleichen Zeitraum schneller gewachsen seien als der US-Markt insgesamt.
„Keine Frage – das Auslandsgeschäft ist derzeit der Motor dieser Industrie. Die starken Exportzuwächse des ersten Halbjahres 2010 müssen jedoch vor dem Hintergrund der sehr schwachen Vorjahresmonate gesehen werden“, meint Wissmann unter Verweis auf die zweite Jahreshälfte 2010. Sie werde ein nur moderates Wachstum aufweisen, da der Wendepunkt auf den Exportmärkten im Sommer 2009 erreicht worden sei und sich damit die Vergleichsbasis des Vorjahres bessere. Nichtsdestoweniger geht man beim VDA davon aus, dass die deutsche Automobilindustrie im Gesamtjahr 2010 den Pkw-Export um mindestens ein Fünftel auf über 4,15 Millionen Pkw wird steigern können. „Damit werden wir auch über dem Exportniveau des Jahres 2008 liegen – und vom bisherigen Ausfuhrrekord 2007 nur noch wenig entfernt sein. Das zeigt, wie rasch der Hochlauf erfolgt“, sagt Wissmann. Die Auftragseingänge aus dem Ausland haben sich demzufolge seit August 2009 kontinuierlich erhöht, allein im ersten Halbjahr 2010 um gut 28 Prozent. Der Weltautomobilmarkt wird nach Angaben des VDA-Präsidenten im Gesamtjahr 2010 auf mindestens 59 Millionen Pkw zunehmen. China wird um ein Fünftel wachsen, die USA um zwölf Prozent. Westeuropa hingegen werde erwartungsgemäß nicht mehr das Niveau des Vorjahres erreichen, da in vielen EU-Ländern staatliche Incentive-Programme ausgelaufen sind.
„Die globale Konjunkturlage ist also insgesamt durchaus erfreulich. Aber wir dürfen mögliche Risiken nicht aus den Augen verlieren. Das betrifft die prekäre Haushaltssituation einzelner EU-Länder sowie die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise“, betont Wissmann. Die Pkw-Inlandsfertigung werde im Gesamtjahr 2010 um mindestens zehn Prozent auf 5,45 Millionen Neuwagen steigen. Damit sei man nur noch rund 100.000 Einheiten vom hohen Produktionsniveau des Jahres 2008 entfernt. Wissmann präzisiert aber auch die bisherige Prognose des Verbandes für den deutschen Markt. „Wir rechnen für das Gesamtjahr 2010 mit einem Pkw-Neuzulassungsvolumen von 2,8 bis 2,9 Millionen Einheiten“, erklärt er. Dies entspricht einem Rückgang um rund ein Viertel gegenüber dem Niveau des Vorjahres. Allerdings sei für eine aussagekräftige Bewertung des Marktes das Volumen der beiden Jahre 2009 und 2010 entscheidend – das sind im Schnitt rund 3,3 Millionen Pkw: „Wir sehen darin ein durchaus respektables Ergebnis“, meint der VDA-Präsident. Und im Zusammenhang mit dem Nutzfahrzeugmarkt, bei dem die Krise besonders ausgeprägt war, spricht er von ermutigenden Signalen. „Wir haben den Wendepunkt durchschritten“, ist sich Wissmann sicher.
Laut VDA wurden im ersten Halbjahr insgesamt knapp 129.100 Nutzfahrzeuge in Deutschland neu zugelassen, was einem Plus von sieben Prozent entspreche. Die Transporter haben aus Verbandssicht die Trendwende schon Februar 2010 geschafft, und dass im Segment der schweren Fahrzeuge im Mai dieses Jahres zum ersten Mal seit September 2008 wieder Zuwächse verzeichnet wurden, wird zusammen mit dem im Juni registrierten Plus von 37 Prozent von Wissmann als Indiz dafür gewertet, dass auch im schweren Segment die „Wende vollzogen“ sei. Für das Gesamtjahr rechnet der VDA-Präsident bei den Transportern jedenfalls mit einem Zuwachs von drei Prozent auf knapp 180.000 Einheiten. Allerdings werde das Marktvolumen – auf das Gesamtjahr gerechnet – noch um ein Fünftel unter dem des Jahres 2008 liegen. In der Klasse über sechs Tonnen wird ebenfalls ein leichtes Plus von fünf Prozent auf 64.000 Neuzulassungen erwartet. „Auch wenn dies noch deutlich unter den Höchstständen der letzten Jahre liegt, so gibt es hier Zeichen der Entspannung: Bei den Vermietern zieht das Geschäft an, die vorübergehend stillgelegten Fahrzeuge unserer Kunden werden nach und nach reaktiviert. Bei den Anhänger- und Aufbautenherstellern ist aus Hoffnung mittlerweile wieder Zuversicht geworden. Die Auftragseingänge steigen, allerdings ist das Niveau noch immer gering“, gibt sich Wissmann im Vorfeld der Nutzfahrzeug-IAA im September in Hannover optimistisch, was die weitere Entwicklung des Nutzfahrzeuggeschäftes betrifft. cm
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