Was den Automarkt angeht, soll 2010 ein „historisches Jahr“ werden
Vor Kurzem hat Prof. Dr. Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA), seine Einschätzung zur Lage der Automobilindustrie sowie einen Ausblick auf die Autokonjunktur 2010 veröffentlicht. „Der europäische Automobilmarkt ist gut ins neue Jahr gestartet: Das Zulassungsplus von 12,9 Prozent gegenüber Vorjahr ist vor allem auf die sich belebenden Geschäfte mit gewerblichen Kunden zurückzuführen. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich im Laufe des Jahres die negativen Zweitrundeneffekte der staatlichen Kaufanreize wie ‚Abwrackprämien’ und Steuervergünstigungen bemerkbar machen und einige Märkte ins Minus ziehen werden“, so Diez. Mit Blick auf den deutschen Markt sagt der IFA-Direktor, dass man das „enttäuschende Januar-Ergebnis“ bei den Pkw-Neuzulassungen nicht überbewerten dürfe. Für das über vierprozentige Minus macht er unter anderem auch die extremen Witterungsbedingungen mit verantwortlich. „Für das Gesamtjahr sollte ein Zulassungsvolumen von 2,8 Millionen möglich sein, unter optimistischen Annahmen vielleicht sogar von knapp drei Millionen Einheiten“, meint Diez, der zugleich positive Entwicklungen auf den großen asiatischen Märkten sowie eine Erholung des nordamerikanischen Marktes sieht. Auch in Russland dürfte sich der Markt erholen und Brasilien zumindest das hohe Niveau des Jahres 2009 halten, ist Diez überzeugt. Insofern könne davon ausgegangen werden, dass der Weltautomobilmarkt in diesem Jahr wieder wachsen wird. „Wir rechnen mit einem Anstieg der weltweiten Automobilverkäufe um gut drei Prozent auf knapp 52 Millionen. 2010 wird dabei insofern ein historisches Jahr sein, als Asien mit 17,9 Millionen verkauften Einheiten zur größten Automobilregion der Welt aufsteigen wird. Jedes dritte Auto im Jahr 2010 wird in Asien verkauft werden“, lautet seine Prognose.
Das IFA spricht aber noch von einem weiteren historischen Ereignis, das für dieses Jahr erwartet wird: Die deutschen Automobilhersteller werden nach seiner Vorhersage im Jahr 2010 erstmals mehr Autos im Ausland als in Deutschland bauen. „Im vergangenen Jahr lagen Inlands- und Auslandsproduktion schon fast auf gleichem Niveau: In Deutschland wurden 4,96 Millionen, im Ausland 4,85 Millionen Pkw produziert. Im laufenden Jahr dürfte die Inlandsproduktion auf 4,87 Millionen Einheiten sinken, die Auslandsproduktion aber auf 4,9 Millionen Einheiten steigen“, erklärt Diez. Der mit Abstand wichtigste Produktionsstandort der deutschen Hersteller im Ausland sei dabei China und werde es mit voraussichtlich knapp 1,5 Millionen Einheiten in diesem Jahr auch bleiben. „Die deutsche Automobilindustrie profitiert in diesem Jahr nicht nur von einem starken Exportgeschäft, wozu auch die Euro-Schwäche beiträgt. Gleichzeitig verlagert sich die Nachfrage wieder stärker in Richtung höherwertiger Premiumfahrzeuge, die in Deutschland einen Produktionsanteil von rund 50 Prozent haben“, so ein weiteres Ergebnis der aktuellen IFA-Marktanalyse. Diese Entwicklung werde auch die Beschäftigungsentwicklung in der deutschen Automobilindustrie stabilisieren, glaubt der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im September 2008 sind demnach bis zum Jahresende 2009 rund 50.000 Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie – vor allem bei den Automobilzulieferern – verloren gegangen. Diese Entwicklung soll sich nun verlangsamen, gleichwohl wird für dieses Jahr eine weitere Verringerung der Zahl der am Standort Deutschland in der Automobilindustrie Beschäftigten von rund 715.000 Ende 2009 auf etwa 700.000 erwartet.
Als eine der Folgen der Finanzkrise wird zudem der weitere Anstieg der Überkapazitäten in der Weltautomobilindustrie genannt. In diesem Zusammenhang spricht das IFA nach eigenen Berechnungen von einer „strukturellen Überkapazität“ in der Größenordnung von rund 30 Prozent. „Dabei muss man fairerweise feststellen, dass die nordamerikanischen Hersteller – wenn auch spät – ihre Hausaufgaben gemacht haben und seit 2008 Produktionskapazitäten in Höhe von rund vier Millionen Einheiten stillgelegt haben. In Europa zeichnet sich in diesem Jahr ebenfalls ein Abbau von Kapazitäten ab. Angesichts des anhaltenden Kapazitätsaufbaus in Mittel- und Osteuropa wird sich die Situation jedoch kaum entspannen“, befürchtet Diez. Der daraus resultierende absehbare Verdrängungswettbewerb werde dazu führen, dass die etablierten Automobilhersteller noch enger zusammenrücken, um in Entwicklung und Produktion Kosten einsparen zu können. „Vor allem die steigenden Aufwendungen in die Entwicklung neuer und verbesserter Antriebstechnologien werden in den nächsten fünf Jahren je Hersteller mindestens 15 Milliarden Euro Ausgaben in Forschung und Entwicklung erfordern. Ob diese Entwicklung dazu führen wird, dass mittelfristig nur sechs Automobilhersteller weltweit überleben werden, möchte ich dennoch bezweifeln“, ergänzt er und kann sich eher ein Szenario vorstellen, in dem die strategischen Allianzen zwischen den etablierten Automobilherstellern weiter zunehmen werden, gleichzeitig der Kreis der weltweiten tätigen Unternehmen vor allem durch den Markteintritt chinesischer Hersteller jedoch steigen wird. Als Folge dessen werde sich die Zahl der „Global Player“ in der Automobilbranche insgesamt in den nächsten Jahren kaum verändern.
Was die modellpolitischen Trends im Automobilmarkt betrifft, werden seitens des IFA im Wesentlichen drei Entwicklungen gesehen: Der Trend zum Downsizing – nicht nur hinsichtlich der Motorisierung, sondern auch in Bezug auf die Gesamtfahrzeuge – wird demnach anhalten, die in den letzten Jahren bei vielen Herstellern „ausufernde Modellvielfalt“ soll sich nicht weiter fortsetzen und in Sachen der Antriebstechnologien wird erwartet, dass Benzin- und Dieselmotoren noch weit über das Jahr 2020 hinaus die Basis der motorisierten Mobilität bleiben. „Klein- und Kompaktwagen werden weiter an Bedeutung gewinnen. Zwar sind die teilweise dramatischen Segmentverschiebungen des Jahres 2009 zugunsten kleinerer Fahrzeuge durch die staatlichen Kaufanreize, die vor allem die Anschaffung kleinerer Fahrzeuge begünstigt haben, überzeichnet. Mittel- und längerfristig wird der Trend zu kompakteren Fahrzeugen sowohl aus ökonomischen wie auch ökologischen Gründen anhalten“, ist Diez überzeugt und erkennt darin paradoxerweise gerade für Premiumhersteller eine große Chance. „Denn die Klein- und Kompaktfahrzeuge der Zukunft werden keine Billigautos sein, sondern hinsichtlich Sicherheit, Komfort und Performance die Ansprüche an Fahrzeuge der oberen Fahrzeugklassen erfüllen müssen. Allerdings wird dies auch die Premiumhersteller dazu zwingen, ihre Kosteneffizienz weiter zu steigern“, so der IFA-Direktor weiter. Wohl schon allein deshalb werde es bei einigen Herstellern zu einer Bereinigung des Modellportfolios und einer „Konzentration auf wirklich marktgängige Modelle“ kommen.
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