Rupert Kohaupt: Einmalige Krisensituation macht Weg frei für Hoffnung
Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erklärt Rupert Kohaupt, Director Commercial Tires bei der Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH, welchen Schaden der Reifenmarkt, insbesondere der Lkw-Reifenmarkt, in Deutschland im „Krisenjahr 2009“ genommen hat und wie sich der amerikanische Reifenkonzern – einer der größten Vermarkter von Nutzfahrzeugreifen – trotz der Herausforderungen des Marktumfeldes geschlagen haben. Die gute Nachricht zuerst: Im neuen Jahr besteht auch bei Lkw-Reifen endlich wieder Hoffnung auf ein Wachstum.
NEUE REIFENZEITUNG:
War das zurückliegende Jahr das „Krisenjahr“, das Sie und viele andere für den Lkw-Reifenmarkt befürchtet hatten?
Rupert Kohaupt:
Die Wirtschaft hat bisher viele Krisen erlebt, doch diese Situation ist bisher einmalig. Die Geschwindigkeit und Macht, mit denen vor allem die gesamte Automobilwirtschaft getroffen wurde, war nicht vorhersehbar. Insgesamt betrachtet war die Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH von den Produktionskürzungen der Automobilhersteller in ihrem Erstausrüstungssegment eins zu eins betroffen. Jedes nicht produzierte Auto bedeutet für uns vier Reifen weniger. Die Wirtschaftskrise traf uns hier also mit voller Wucht. Vor allem im Lkw-Bereich noch härter als im Pkw-Markt. Die Speditionen erhielten in 2009 rund ein Viertel weniger Transportaufträge und meldeten einen Teil ihres Fuhrparks ab. Stillgelegte Fahrzeuge dienten oft als Spender, falls Ersatzteile wie Reifen für die im Einsatz befindlichen Fahrzeuge gebraucht wurden. Die Hersteller von Zugmaschinen und Trailern mussten zum Teil einen Auftragsrückgang von bis zu 90 Prozent hinnehmen. Davon waren auch wir in unserem Lkw-Erstausrüstungsgeschäft betroffen. Doch trotz diesem wirklich sehr schwierigen Umfeld können wir als Goodyear Dunlop sagen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach das Gröbste überstanden ist und unser Konzern in dieser Zeit im Bereich Nutzfahrzeuge erfolgreich war und Marktanteile gewinnen konnte.
NEUE REIFENZEITUNG:
Was waren für Sie die zentralen Einflussfaktoren, die die Situation verschlimmert bzw. für Erleichterung gesorgt haben?
Rupert Kohaupt:
Der Ausdruck ‚be prepaired’ (Engl.: sei vorbereitet) ist ein stehender Begriff in unserem Konzern. Entsprechend haben wir schon in der Boomzeit unseren Geschäftsbereich restrukturiert und arbeiten im Bereich Nutzfahrzeuge im Rahmen eines markenübergreifenden Ansatzes. Dadurch sind wir deutlich wettbewerbsfähiger geworden. 2007 haben wir eine neue, innovative Goodyear-Reifengeneration eingeführt und auch bei den anderen Marken wie Dunlop, Fulda und Sava neue Produktlinien erfolgreich auf den Markt gebracht. Ein Erfolgsfaktor für uns waren unsere Produkte mit unterschiedlichen Leistungseigenschaften wie Kraftstoffersparnis, mehr Laufleistung oder Wirtschaftlichkeit. Außerdem bieten wir vor allem mit der Marke Goodyear echte Innovationen an, die kein anderer Anbieter im Programm hat. Zu nennen ist hier zum Beispiel unser AirMax-Konzept, das höhere Tragfähigkeiten bei gleichem Durchmesser und mehr Breite bietet. Ein anderer Pluspunkt ist unsere Multi-Markenorganisation im Bereich Nutzfahrzeuge. Wir können und konnten jedem Kunden den für ihn optimalen Reifen anbieten, der die Performance und die Services bietet, die gefordert werden. Dank der markenübergreifenden Struktur ist unser Vertriebsteam größer, die Reisegebiete kleiner und die Besuchsfrequenzen höher. Service spielt im Lkw-Segment eine tragende Rolle und wir konnten in der Krise die Kunden zum Beispiel mit unseren TruckForce Partnernetz, welches wir auch schon vor der Krise ausgebaut hatten, unterstützen und überzeugen. Auch im Bereich des Erstausrüstungsgeschäftes waren wir erfolgreich. Wir konnten bei wichtigen strategischen Partnern unseren Anteil in der OE weiter ausbauen und dank innovativer Reifen zusätzliche Modelle ausrüsten. Kurz zusammengefasst, konnten wir auf Grund unserer ausgezeichneten Produkt-Performance bei allen Marken, unseren Serviceleistungen und unserer Mehrmarkenstrategie die Krise erfolgreich meistern.
NEUE REIFENZEITUNG:
Um wie viel Prozent hat sich in 2009 die Marktnachfrage nach Lkw-Reifen verringert?
Rupert Kohaupt:
Im Vergleich 2008 zu 2009 hat sich das Marktpotential in der Erstausrüstung um 70 Prozent und im Ersatzmarkt um 15 Prozent verringert.
NEUE REIFENZEITUNG:
Gab es hier Unterschiede bei den verschiedenen Produktgruppen?
Rupert Kohaupt:
Wir konnten feststellen, dass das Low-Budget-Segment, also die absoluten Billigreifen, und der Premium-Plus-Bereich stark von der Krise betroffen sind. Das ist dadurch zu erklären, dass die Unternehmen den Reifen unter Nutzenaspekten sehen. Er soll preiswert aber nicht billig sein. Eine gewisse Qualitätsstufe darf nicht unterschritten werden. Auch der Premium-Plus-Bereich leidet in der Krise unter diesem Denken, denn die Firmen reduzieren ihre Ausgaben auf das betriebswirtschaftlich Vertretbare. Goodyear Dunlop kann die Kunden dank der Marken Goodyear, Dunlop, Fulda und Sava und deren unterschiedliche, klare Ausrichtung auf unterschiedlichen Qualiäts- und Preisebenen abholen. Trotz des rückläufigen Premiumplusmarktes und des damit verbundenen Verdrängungswettbewerbs konnten wir hier vor allem mit Goodyear unseren Marktanteil weiter ausbauen.
NEUE REIFENZEITUNG:
Welche Absatzkanäle haben wie stark unter der Marktsituation reagiert?
Rupert Kohaupt:
Das Nutzfahrzeuggeschäft funktioniert anders als der Consumer-Bereich. Neben dem Handel beträt unser Vertriebsteam den Kunden direkt und kann auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen. Wenn unsere Nutzfahrzeugkunden einen Auftragsrückgang verzeichnen, Fahrzeuge stilllegen und als Ersatzteillager nutzen, hat das direkt Auswirkungen auf den Reifenfachhandel. Das wiederum bleibt nicht ohne Folgen für den Reifengroßhandel und letztendlich die Reifenhersteller. Dank unserer erfolgreichen Geschäftsentwicklung in der Krise konnten wir direkt den Reifenfachhandel unterstützen. Denn wir beraten zwar die Kunden und bieten unseren Service an, die Bestellung und Abwicklung der Reifen erfolgt aber weiterhin über den Reifenfachhandel. Der Reifenfachhandel ist und bleibt auch im Nutzfahrzeugbereich unser wichtigster Partner.
NEUE REIFENZEITUNG:
Was waren für Ihr Unternehmen die direkten Folgen aus der Marktsituation bei Lkw-Reifen in Bezug auf die Auslastung der Fabriken und angeordnete Kurzarbeit, die Verschiebung vorgesehener Investitionen, die Produktionsplanung und die Verfügbarkeit Ihrer Produkte, die Absätze insgesamt, die Wettbewerbssituation und den Preiskampf am Markt?
Rupert Kohaupt:
Aufgrund der negativen Marktdynamik des Automobilmarktes vor allem im Segment Nutzfahrzeuge musste in unserem Werk Wittlich eine Betriebsruhe von fünf Wochen für die Nutzfahrzeugreifenproduktion umgesetzt werden. Und das, obwohl wir bereits seit Januar 2009 mittels Kurzarbeit die Produktion schichtweise reduziert hatten. Speziell der Nutzfahrzeugmarkt in der Erstausrüstung erlebte bereits im vierten Quartal 2008 und verstärkt in den ersten Monaten 2009 einen deutlichen Rückgang. Ziel der jetzt ergriffenen Maßnahmen war die Anpassung der Lagerbestände an die schwache Marktnachfrage. Auch unser Lkw-Reifenwerk in Luxemburg musste mittels Betriebsruhe die vorhandenen Überkapazitäten abbauen. Die langfristigen bisher kommunizierten Investitionszusagen für den weitern Ausbau unserer Werke in Deutschland haben nach wie vor Bestand und wurden zum Teil bereits im Jahr 2008 umgesetzt. Auf Grund der Weltmarkt- und Finanzkrise, die auch die Automobil- und damit die Zulieferindustrie betrifft, ist es erforderlich, den Zeitplan für die Umsetzung der Investitionen den aktuellen Marktbedingungen anzupassen. Dies bedeutet konkret, dass der weitere Ausbau und die damit verbundene Installation und Inbetriebnahme vorgesehener Anlagen zu einem späteren Zeitpunkt als bisher geplant erfolgen werden. Hinsichtlich Verfügbarkeit von Lkw-Reifen hatten wir in der Krise keine signifikanten Lieferschwierigkeiten. Die Krise zeichnete sich bereits Ende 2008 ab und wir konnten entsprechend unsere Planungen für 2009 anpassen. Dennoch haben wir unsere Lagerbestände auf Grund unserer Cash-is-king-Strategie deutlich reduziert. Für 2010 sollte der Handel frühzeitig planen, um für die spürbare Erholung im Bereich Ersatzgeschäft, die aber bei Weitem unter dem hohen Niveau von 2007 liegt, gut gerüstet zu sein. Im Bereich Lkw spielt der Reifenpreis sicherlich eine wichtige Rolle, doch hier zählt vor allem auch die Produktqualität. Bei Goodyear haben wir in den letzten Jahren verschiedene Produkte mit FuelMax- und KMax-Technologie eingeführt, mit denen Speditionen die Gesamtkosten reduzieren können. FuelMax-Reifen besitzen einen niedrigeren Rollwiderstand und führen so zu erheblichen Kraftstoffeinsparungen. KMax-Reifen hingegen besitzen eine deutlich gesteigerte Laufleistung, was zu niedrigeren Kosten pro Kilometer führt. Spätestens wenn sich die wirtschaftliche Lage verbessert und die Rohstoffpreise steigen, stehen Leistungsmerkmale wie Rollwiderstand und Wirtschaftlichkeit wieder verstärkt im Fokus der Verbraucher. Beim Thema Preiskampf verschafft uns unsere Multi-Marken-Organisation einen entscheidenden Vorteil. Wir müssen dank unserer unterschiedlichen Marken Goodyear, Dunlop, Fulda und Sava und deren klaren Positionierung keine Marke kannibalisieren. Im Gegensatz zu Wettbewerbern können wir dem Kunden die für ihn passenden Produkte von Goodyear, Dunlop, Fulda oder Sava anbieten. Es gibt also immer eine Alternative.
NEUE REIFENZEITUNG:
Wie hat Ihr Unternehmen auf diese Herausforderungen reagiert? Welche Entscheidungen mussten Sie treffen?
Rupert Kohaupt:
Wir haben einen noch größeren Fokus auf Produktinnovationen gelegt. Denn jeder Stillstand wäre hier ein gravierender Rückschritt. Wir haben dieses Jahr eine Vielzahl neuer Reifen auf den Markt gebracht, die uns positive Absatzimpulse gebracht haben. Vor allem mit den verbesserten Fulda- und Sava-Reifen hatten wir die richtigen Produkte zur richtigen Zeit im Markt und konnten in dem wachsenden Marktsegment der Budgetbrands Anteile gewinnen. Wir Gleichzeitig haben wir signifikante Kostensenkungen realisiert. Das beginnt bei den Reisekosten und macht nur Halt vor dem Entwicklungsbudget. Trotzdem haben wir in 2009 ein gutes Cash-Management sichergestellt, denn Cash is king gilt in diesen Zeiten einfach überall.
NEUE REIFENZEITUNG:
Wie hat sich seit Beginn der „Krise“ die Beziehung zu Ihren Kunden verändert?
Rupert Kohaupt:
Die Reifenkosten spielen für unsere Kunden immer eine Rolle – besonders in der Krise. Die Speditionen haben einen enormen Kostendruck und versuchen überall zu sparen. Doch die Zeiten, in denen nur der Preis eines Reifens ausschlaggebend für die Kaufentscheidung war, sind vorbei – auch in der Krise. Es geht um Wirtschaftlichkeit. Und wir helfen den Kunden mit unserem Vertriebsteam die wirtschaftlichste Entscheidung bei der der Reifenwahl zu treffen. Bevor wir einen Vorschlag machen, analysieren wir zusammen mit den Kunden genau die Einsatzbereiche und die Flotte. Dann erst beginnen wir damit, einen Vorschlag zu erarbeiten. Hinzu kommt unser großes Serviceangebot FleetFirst. Der Preis spielt, wie gesagt, immer eine Rolle, aber nicht mehr die Wichtigste. Reifen machen lediglich 1,5 Prozent der Gesamtkosten eines 40-Tonnen-Lkw aus, haben aber Einfluss auf rund 30 Prozent der Gesamtkosten: den Kraftstoff. Diese Tatsache wird den Kunden immer stärker bewusst. Auch das Einsparpotential durch ein professionelles Reifenmanagement. Und dazu gehört auch die Runderneuerung. Wir bieten seit Jahren mit NextTread und seit letztem Jahr mit TreadMax zwei qualitativ hochwertige, konzerneigene Heißrunderneuerungen an. Dank der Runderneuerung lassen sich die Reifenkosten weiter senken – vor allem in Kombination mit einem professionellen Flottenmanagement.
NEUE REIFENZEITUNG:
Gehen Sie davon aus, dass mit dem Ende des alten Jahres auch die „Krise“ auf dem Reifenmarkt in Deutschland beendet ist?
Rupert Kohaupt:
Eine Prognose ist selbst zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwierig, aber wir gehen davon aus, dass wir die Talsohle erreicht bzw. durchschritten haben. Wir beobachten den Markt sehr genau, um bestmöglich agieren zu können. Für das Jahr 2010 erwarten wir eine weitere Erholung im Bereich Nutzfahrzeuge, die aber auf weitaus niedrigerem Niveau als im Boomjahre 2007 liegen wird. Im Moment gehen wir von einem Wachstum im einstelligen Prozentbereich aus.
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