Giti Tire richtet den Blick fest auf Europa
Für Giti Tire in Europa hat sich in den vergangenen Monaten einiges entwickelt. Und es wird sich in naher Zukunft noch mehr entwickeln, sodass die europäische Tochtergesellschaft des führenden chinesischen Reifenherstellers Ende des kommenden Jahres nicht nur mit einem veränderten Team und umfassenden Test- und Entwicklungskapazitäten in Europa und China aufwarten, sondern auch ein komplett erneuertes und auf europäische Bedürfnisse abgestimmtes Pkw-Reifenprogramm anbieten kann. Hinzu kommt: Giti Tire will in China sobald wie möglich mit den zum ersten eigenen Testgelände beginnen. Bei einem Ortstermin im neuen European Technical Center, das seit dem vergangenen Jahr auf dem renommierten MIRA-Testgelände bei Birmingham in Großbritannien untergebracht ist, erläuterte das Führungsteam die Pläne und das bisher Erreichte.
Mit all dem eingangs Illustrierten will Giti Tire vor allem eins, und zwar sich mit hochwertigen und auf die verschiedenen Märkte abgestimmten Produkten fest in der Gruppe der Top-10 der Reifenhersteller weltweit etablieren. Und Erfolg in der Welt kann nicht ohne den Erfolg in Europa stattfinden, „dem Zentrum der automobilen Entwicklung“, wie der neue Leiter des European Technical Centers (ETC) und Director R&D Europe, Eddie Young, weiß. Der Branchenveteran stand über 30 Jahre als Reifenentwickler, Designer und Leiter von Testgeländen in den Diensten führender Reifenhersteller, etwa bei Bridgestone, Pirelli, Goodyear. Nun hat der gebürtige Australier mit britischem Pass vor allem zwei Aufgaben, die aber für die Zukunft des Reifenherstellers Giti Tire von zentraler Bedeutung sein werden. Erstens fällt ihm und den Kollegen im ETC wie auch in den anderen artverwandten Abteilungen des Konzerns die Aufgabe zu, das Sortiment an Pkw- und Nutzfahrzeugreifen auf die Bedürfnisse der Kunden in Europa – Endverbraucher wie auch aus der Erstausrüstung – anzupassen. Die ersten Schritte sind diesbezüglich durch die Vorstellung und Einführung einiger neuer Produkte bereits geschafft; dazu unten mehr. Zweitens soll der gelernte Ingenieur in China ein Testgelände für Giti Tire bauen, das erste eigene Testgelände überhaupt für den chinesischen Reifenhersteller.
Für diese bereits auf dem Reißbrett existente Einrichtung wird derzeit ein passendes Grundstück in der Nähe des aktuell ebenfalls in seinen Kapazitäten deutlich aufgestockten F&E-Zentrums in Hefei (Provinz Anhui) gesucht. Da für ein vollausgestattetes Testgelände – egal wo auf der Welt – eine Investition im unteren neunstelligen Bereich erforderlich ist, lässt erahnen, welche Bedeutung diese Einrichtung für den Hersteller hat und in Zukunft haben wird. Der ursprüngliche Plan sah den Beginn der Bauarbeiten noch in diesem Jahr vor, doch der zuständige Eddie Young rechnet nun nicht vor dem kommenden Jahr damit; man wolle vernünftigerweise auf Nummer sicher gehen bei der Auswahl des Geländes. Man hoffe, das Testgelände in 2011 seiner Bestimmung übergeben zu können.
„Das Testgelände wird das größte und umfassendste in China sein und sogar die Dimensionen von MIRA in den Schatten stellen“, betont der F&E-Direktor im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. So soll es dort neben den üblichen Testeinrichtungen (Nass- und Trockenbremsen, Aquaplaning, Handling, Geräusch, Dynamikplatte, etliche Kurse und Fahrbahnbeläge) auch ein 4,3 Kilometer langes Hochgeschwindigkeitsoval geben, betont Young weiter, der bereits Testgelände für Bridgestone in den USA und in Brasilien sowie für Dunlop in den USA entworfen, eingerichtet und geleitet hat. Wie Eddie Young weiter betont, werde das neue Giti-Tire-Testgelände in China das Testgelände von MIRA Ltd. in Großbritannien an Ausstattung und Größe sogar noch übertreffen, wenn die aktuellen Pläne entsprechend umgesetzt werden sollten.
Von dem neuen Testgelände und dem stark erweiterten F&E-Zentrum in Hefei, das parallel zur F&E-Einrichtung des Schwesterunternehmens PT Gajah Tunggal in Indonesien betrieben wird und im kommenden Jahr mit dann über 500 Ingenieuren und Technikern (derzeit 275) komplett eingerichtet und betriebsbereit sein wird, kann und wird natürlich auch der europäische Markt profitieren. Dies wird zuallererst durch die auch in Hefei installierte moderne Ausstattung zu bewerkstelligen sein, etwa durch die neue 3D-Designsoftware oder das State-of-the-Art-Testequipment. „Der Vorteil davon ist, dass wir mehr Kapazitäten haben werden, um computergestützte Voraussagen über das zu entwerfende Design und die zu erwartenden Testverläufe treffen können. Dadurch wird sich die Gesamtentwicklungszeit neuer Produkte bei uns um 50 Prozent verringern“, so Eddie Young weiter. Dies sei auf den Ersatzmärkten heute genauso wichtig wie in der auch für Giti Tire zunehmend bedeutender werdenden Erstausrüstung, wo die Entwicklungszyklen ebenfalls immer kürzer werden und die Vorgaben eines Lastenheftes am Liebsten bereits ‚gestern’ erfüllt sein sollten.
Wovon der europäische Markt aber vermutlich noch mehr profitieren wird, ist das seit vergangenem Jahr betriebene „European Technical Center“ auf dem MIRA-Gelände. Das ETC wird durch Eddie Young geleitet und hat weitreichende Aufgaben und Pflichten aber auch Kompetenzen und offenbart somit den Fokus, den Giti Tire auf die zunehmende Bedeutung des europäischen Marktes und der europäischen Vertriebspartner legt und ist gleichzeitig Ausdruck einer deutlich veränderten Marktstrategie: Nähe zum Kunden wird immer wichtiger.
Ein Hersteller, der sich auf dem europäischen Markt in großem Stil etablieren will, muss vor Ort einen technischen Service bieten, gegebenenfalls Trainings und Promotion-Events anbieten und umfassende Analysen über die Bedürfnisse der Kunden auf dem entsprechenden Markt anstellen, Daten sammeln und diese in die F&E-Einrichtungen des Unternehmens übermitteln. Mit anderen Worten: Eine Einrichtung wie das European Technical Center von Giti Tire soll die Produkte des Konzerns europäischer machen und als ‚Nachrichtendienst’ in beide Richtungen fungieren.
Dies trifft im Übrigen nicht nur auf Pkw-Reifen des Unternehmens zu, sondern natürlich auch auf die Nutzfahrzeugreifen. „Giti Tire wird seine Aktivitäten, seine Produkte nach den Bedürfnissen des jeweiligen lokalen Marktes auszurichten, ausbauen und verstärken. Dadurch, dass wir in europäische Reifentest- und Entwicklungskapazitäten investieren, unterstreicht Giti Tire die Verpflichtung, die Präsenz auf dem europäischen Ersatz- und Erstausrüstungsmarkt zu halten und weiter auszubauen“, so Eddie Young.
Die ersten Ergebnisse, mit denen das European Technical Center aufwarten kann, scheinen für sich zu sprechen. Im vergangenen halben Jahr hat Giti Tire bereits einige neue Produkte auf die Weg gebracht, die sich speziell an den europäischen Bedürfnissen orientieren und durch die „sich unsere Anstrengungen endlich materialisieren“. Und, so erläutert Michael Andre, Marketing Director Passenger Car – Europe, im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG, innerhalb des kommenden Jahres werde das Pkw-/LLkw-Reifensortiment der Marke „GT Radial“ komplett überholt und kein Produkt älter als 18 Monate sein. Damit dürfte Giti Tire eines der modernsten Pkw-Reifensortimente in der Branche aufweisen.
Eines dieser Produkte ist etwa der neue asymmetrische UHP-Reifen „Champiro HPY“, der zunächst in 16 Dimensionen zwischen 17 und 20 Zoll auf den Markt kommen soll, allesamt bis 300 km/h zugelassen und mit einer Voll-Silica-Mischung in der Lauffläche versehen. Dieses neue Vorzeigeprodukt von Giti Tire sei im Laufe der vergangenen drei Jahre entwickelt worden und habe durch das Zutun des European Technical Centers seit dessen Bestehen den Feinschliff im Vergleich mit „führenden europäischen und koreanischen Wettbewerbern“ erhalten. Ebenso neu im Sortiment ist der „Champiro 228“ für das mittlere Marktsegment mit zunächst 32 Dimensionen zwischen 14 und 18 Zoll und den Speed-Indizes H und V. Der Champiro 228 ist „unser neuer umweltfreundlicher Reifen“, der aufgrund eines verringerten Rollwiderstands eine hohe Kraftstoffeffizienz und einen geringeren Schadstoffausstoß bietet. Darüber hinaus kommt der Champiro 228 komplett ohne hocharomatische Öle aus. Beide Sommerreifen sind ab dieser Saison auch in Deutschland über den Importeur und Exklusivpartner Reifen Gundlach erhältlich.
Darüber hinaus plant Giti Tire für die kommende Wintersaison die Einführung des „Champiro Winter Pro“ und des „Champiro Ice Pro“, einem Spikereifen für den nordischen und den russischen Markt. Des Weiteren sollen auch Produktneuerungen bei LLkw-Reifen folgen mit dem „Kargomax ST4000“, dem „Kargomax ST6000“ sowie dem „Maxmiler EX“. Zu guter Letzt erwartet die Kunden in Deutschland und Europa demnächst auch Neues aus dem Produktsegment Lkw-Reifen, das allerdings nicht – anders als bei Pkw-/LLkw-Reifen – innerhalb von knapp zwei Jahren komplett erneuert wird.
Neue Giti-Tire-Europe-Organisation
Diese sowie die anderen Produkte der Giti-Tire-Marken „GT Radial“, „Primewell“ und „Runway“ werden in Europa durch die exklusiven Vertriebspartner vermarktet. In Deutschland ist dies Reifen Gundlach, in Frankreich Doumerc Pneus International, in Großbritannien HD Romney International/Compass Group (nur Pkw-Reifen); es bestehen noch weitere Vertriebspartner. Mit dem intensivierten Marktansatz für Europa hat sich auch die Organisationsstruktur von Giti Tire (Europe) B.V. mit Sitz im holländischen Hilversum geändert. Während das Unternehmen bisher von einem General Manager (Wim Reijmerink) geführt wurde, verteilen sich die Führungsaufgaben und Funktionen nun auf drei Direktoren. Für Pkw-Reifen ist der Deutsche Michael Andre als Marketing Director zuständig, für Lkw-Reifen der Brite Richard Lyons und als Technischer Marketingdirektor komplettiert der Schwede Lennart Lindström das Führungstrio, das im Übrigen eng mit dem European Technical Center unter Eddie Young zusammenarbeitet. Alle drei – Andre, Lyons und Lindström – berichten direkt an den International Sales & Marketing Director Hervé Richert, der für die Holdinggesellschaft Giti Tire Pte. Ltd. mit Sitz in Singapur tätig ist.
Auf der operativen Ebene hat Giti Tire (Europe) Marktverantwortliche für die sechs wichtigsten europäischen Reifenmärkte benannt, „auf denen wir den Schwerpunkt legen wollen“, so Michael Andre. Gemeinsam mit den nationalen Partnern entwickeln und durchführen die Marktverantwortlichen „individuelle Sell-out-Strategien“. Zuständig für den deutschen Markt ist ebenfalls Michael Andre, der dabei durch Franz Kruse (Pkw-Reifen) und Heinz Deidenbach (Lkw-Reifen) unterstützt wird. Natürlich findet in Deutschland ein enger Austausch mit Reifen Gundlach statt, über die Giti Tire im vergangenen Jahr rund eine Million Reifen (Pkw- und Lkw-Reifen) in Deutschland vermarkten konnte.
In Großbritannien vermarktet Giti Tire seit einigen Wochen übrigens Lkw-Reifen durch die neugegründete Vertriebsgesellschaft „Giti Tire (UK) Ltd.“ direkt. Die Gründung dieser Gesellschaft sei in enger Abstimmung mit dem britischen Importeur für Pkw-Reifen geschehen und sei nicht als Blaupause für die Etablierung weiterer Vertriebsgesellschaft zu verstehen – weder in anderen Ländern noch für Pkw-Reifen. In Großbritannien habe es sich um einen Sonderfall gehandelt, so erklärt Michael Andre. Die Zusammenarbeit mit den bestehenden Partnern und der Ausbau der Beziehungen zu diesen sei oberstes Gebot.
Die Unternehmensgruppe, also Giti Tire (China) mit ihren sechs Reifenwerken sowie PT Gajah Tunggal mit einem weiteren Reifenwerk, hat im vergangenen Jahr rund 70 Millionen Reifen gefertigt und weltweit vermarktet, heißt es während einer Präsentation zum Unternehmen. Allein aus chinesischer Fertigung wurden 17 Millionen Reifen exportiert. Der gemeinsame Umsatz beider Gruppenteile belief sich im Jahr 2007 auf über 2,4 Milliarden US-Dollar (1,64 Milliarden Euro), so das Unternehmen weiter. Im Durchschnitt der acht Jahre davor sei dieser Umsatz jährlich um rund 35 Prozent gewachsen. Giti Tire gehört damit heute wohl unter die Top-10 der internationalen Reifenhersteller und sollte – angenommen, das gigantische Durchschnittswachstum hält auch in Zeiten der Krise an – noch den einen oder anderen Marktteilnehmer in der Liste überholen.
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