Bedeutung der Automobilwirtschaft für den Arbeitsmarkt überbewertet?
Laut dem Wirtschaftsmagazin Capital hat die Automobilbranche für den deutschen Arbeitsmarkt eine weit geringere Bedeutung als bislang angenommen. Die Behauptung, jeder siebte Arbeitsplatz hänge von der Autobranche ab, beruhe – schreibt das Blatt in seiner am 20. Mai erschienenen Ausgabe – auf einem „Rechentrick“ des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Vielmehr sei nur etwa jeder 20. Arbeitsplatz autoabhängig, heißt es unter Berufung auf die offiziellen Angaben des statistischen Bundesamtes bzw. der Bundesagentur für Arbeit sowie ergänzende Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Dass rund 750.000 Menschen direkt in der Automobilindustrie beschäftigt sind, werde auch vom VDA nicht bestritten, und zusammen mit RWI-Berechnungen aus dem Jahr 2000, wonach ein Beschäftigter 1,4 Arbeitsplätze zusätzlich schafft, sind laut Michael Rothgang vom RWI hierzulande insgesamt knapp 1,8 Millionen Stellen und damit eben nur jeder 20. Arbeitsplatz vom Auto abhängig. Die Diskrepanz zu der VDA-Sicht bzw. die – wie es das Blatt formuliert – „Autolüge“ wird unter anderem damit erklärt, der Automobilverband gehe beispielsweise davon aus, dass ohne Autoindustrie in Deutschland niemand mehr Auto fahren würde (weder deutsche Wagen noch ausländische) und deshalb alle Jobs vom Straßenbauarbeiter bis zum Parkhauspförtner wegfielen, die irgendwie durch das Auto bedingt sind. Dabei sei es mit Blick etwa auf die Parkhauspförtner doch egal, ob bei ihnen ein deutsches oder ein importiertes Auto einfahre.
Weiterer Capital-Vorwurf: Die Berechnungen des VDA seien uralt und die dabei genutzte Methodik stamme aus dem Jahr 1980. Bei all dem wird zudem unterstellt, der Politik sei es recht, dass die Zahlen so selten hinterfragt werden, weil sich das Auto besonders gut zur „Rettung Deutschlands“ eigne, wie Henning Klodt, Leiter der Wirtschaftspolitik beim Kieler Institut für Weltwirtschaft, meint. „Es ist politisch und medial bestens vermittelbar, weil es jeder kennt – im Gegensatz zu deutscher Hochtechnologie in den Werkshallen“, kommt er in dem Capital-Beitrag zu Wort. Politik und Lobby würden auf diese Weise für die „falsche Vorstellung“ sorgen, jeder Siebte würde arbeitslos, wenn ein deutscher Autobauer bedroht sei. Den Vorwurf der Trickserei will sich der VDA freilich nicht unterschieben lassen. „Wir haben nie behauptet, dass fünf Millionen Arbeitsplätze von der deutschen Automobilindustrie abhängig sind“, so Verbandssprecher Eckehart Rotter gegenüber der Nachrichtenagentur Pressetext. „Zahlen werden von uns nicht schöngeredet. Selbstverständlich besteht jedoch etwa von den Gewerkschaften ein Interesse daran, dass die Industrie erhalten bleibt und stärker wird“, soll er darüber hinaus zu Protokoll gegeben haben
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