Wissmann: Mit innovativen Produkten fahren wir aus der Krise
„Der Weg aus der Krise wird nur über innovative und attraktive Produkte möglich sein. Wer die Krise zum Anlass nehmen würde, nun auf „billig, billig, billig“ zu setzen, würde einen fatalen Fehler begehen. Die Kunden haben weiterhin hohe Ansprüche an das Automobil – und die Umweltstandards der EU bleiben auch künftig anspruchsvoll. Gleiches gilt für die Sicherheitsstandards, bei denen gerade die deutschen Hersteller weltweit den Maßstab setzen“, betont Matthias Wissmann (60), Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf dem 20. Automobil-Forum in Stuttgart.
Die Herausforderungen, die die Automobilindustrie zu stemmen habe, seien immens: „Wir müssen die Investitionen in Forschung und Entwicklung auf hohem Niveau halten, während die Absatzzahlen in diesem und wohl auch noch im kommenden Jahr schwach bleiben werden. Das führt tendenziell zu höheren Stückkosten. Die Unternehmen müssen daher nicht nur ihre Innovationsführerschaft weiter verteidigen, sondern gleichzeitig auch ihre Kostenstrukturen optimieren, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Dadurch nimmt der Druck in der Industrie weiter zu“, unterstreicht Wissmann.
„Die Antwort darauf heißt in Produktion und Entwicklung: Standardisierung, Modularisierung und Baukastensystem. Dies gilt für den gesamten Antriebsstrang ebenso wie für viele andere Bereiche im Automobil. Intelligente Lösungen sind gefragt, die sowohl den Kundennutzen erhöhen als auch die Kosten reduzieren. So geht es bei der Standardisierung vor allem um Bauteile und Systeme, die keine Relevanz bei der Markendifferenzierung beim Kunden haben. Die Entwicklungsleiter der Hersteller und Zulieferer ziehen beim Thema Standardisierung im Rahmen von Arbeitskreisen im VDA an einem Strang“, erläutert der VDA-Präsident. Eine weitere Auffächerung der Modellpalette – wie von vielen Herstellern geplant – werde verknüpft durch modulare Komponenten, die den Aufwand deutlich unterproportional gegenüber der höheren Zahl der Modelle steigen lassen.
Der entscheidende Schwerpunkt der Innovationsanstrengungen deutscher Automobilunternehmen und -zulieferer sei das Ziel der nachhaltigen Mobilität. Wissmann: „Wir haben bereits in den vergangenen Jahren die Emissionen der „klassischen Schadstoffe“ so reduziert, dass man heute nur noch von „homöopathischen Dosen“ sprechen kann, die den Abgasstrang des Fahrzeugs verlassen.“ Und wie ernst die deutsche Automobilindustrie den Klimaschutz nehme, werde an den enormen Fortschritten deutlich, die bei der Reduzierung der Kohlendioxidemissionen bereits erreicht wurden. Schon heute bieten deutsche Marken rund 90 Modelle an, die weniger als 5 liter pro hundert Kilometer Kraftstoff benötigen. Und die Unternehmen kommen bei der Reduzierung der CO2-Emissionen immer schneller voran: Nachdem 2007 der durchschnittliche CO2-Wert aller neu zugelassenen Pkw in Deutschland bereits um 1,7 Prozent zurückging, konnten die Kohlendioxidwerte im vergangenen Jahr insgesamt um 2,9 Prozent gesenkt werden. Im ersten Quartal 2009 lag die Reduktion bereits bei 5,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der durchschnittliche CO2-Wert der in Deutschland neu zugelassenen Fahrzeuge lag damit mit 154,9 g/km deutlich unter 160 g/km CO2. Wissmann betont: „Hierzu leisten die deutschen Marken einen entscheidenden Anteil. Trotz ihres Schwerpunktes auf Mittelklasse- und Premium-Fahrzeuge liegen sie nur noch 2,5 Prozentpunkte über dem Durchschnittswert.“
Der VDA-Präsident weist auf die gesamtwirtschaftlich positiven Wirkungen hin, die mit der Neuordnung der Kfz-Steuer und der Umweltprämie ausgelöst wurden: „Diese Strategie ist wirtschaftspolitisch ein Erfolg, der nicht nur den Beschäftigten in der Automobilindustrie, sondern auch den Tausenden von Mitarbeitern in all den Branchen zugute kommt, die mit ihren Vorprodukten unsere Industrie beliefern. Sie stabilisiert den Inlandsmarkt, was angesichts der weiterhin schwachen Exportmärkte besonders wichtig ist. Sie zieht Kunden in die Schauräume, die bislang keine Neuwagen gekauft haben. Auch das Geschäft mit Jahreswagen wird dadurch erheblich angekurbelt. Zudem ist die ökologische Wirkung unverkennbar, wie die rückläufigen CO2-Emissionen bei den Neuzulassungen zeigen.“
„Jeder, der die Marktentwicklung in den europäischen Nachbarstaaten verfolgt, kann sich unschwer vorstellen, wie kritisch die Lage am Inlandsmarkt – und damit zusätzlich auch am Arbeitsmarkt – wäre, wenn die Politik sich nicht schnell und entschlossen für diese wirkungsvollen Instrumente der Nachfragebelebung entschieden hätte, so Wissmann.
Der VDA-Präsident erwartet, dass die nunmehr in vielen anderen europäischen Ländern aufgelegten Incentive-Programme ebenfalls greifen und eine weitere Abwärtsbewegung zumindest gebremst wird, „damit sich die Exportbedingungen wieder verbessern“. Eine nachhaltige Belebung des Weltautomobilmarktes werde allerdings erst dann eintreten, wenn der nach wie vor wichtige US-Markt wieder anziehe.
Wissmann hebt die Bedeutung des Premiumsegmentes für den Automobilstandort Deutschland – und insbesondere für Baden-Württemberg – hervor. Der Anteil der Premiummarken an der Inlandsproduktion sei in den letzten zehn Jahren von 40 auf 50 Prozent gestiegen, das Exportvolumen habe im gleichen Zeitraum ebenfalls um zehn Prozentpunkte auf 50 Prozent zugelegt. Wissmann: „Damit zählt jedes zweite Auto, das in Deutschland produziert oder exportiert ist, zum Premiumsegment.“ Der Umsatz mit Premiumprodukten habe sich in den letzten zehn Jahren sogar auf 90 Milliarden Euro verdoppelt. Knapp zwei Drittel des Umsatzes dieser Schlüsselindustrie entfalle damit auf Premium. Der Ausfuhrwert sei mit über 140 Prozent sogar noch stärker gestiegen.
Insbesondere für die Beschäftigung am Standort Deutschland sei das Premiumsegment von strategisch wichtiger Bedeutung. Während in den letzten zehn Jahren die Beschäftigung bei den Herstellern insgesamt leicht rückläufig war (minus 2 Prozent), legte der Premiumbereich um zwölf Prozent zu. Wissmann: „Sechs von zehn Mitarbeitern, die am Standort Deutschland bei den Herstellern beschäftigt sind, hängen direkt am Premium, vor zehn Jahren war es gut jeder zweite.“ Gerade bei Premiumprodukten seien in letzter Zeit die größten CO2-Einsparungen erzielt worden. So habe das neue Mercedes-Benz E-Klasse Coupé einen Verbrauch von lediglich 5,1 Liter pro hundert Kilometer – ein Wert, der bislang in diesem Segment nicht erreicht wurde. „Und wenn zudem die Leistung sogar noch gesteigert werden kann, obwohl man einen 4-Zylinder-Motor – mit geringerem Verbrauch – anstelle eines bisherigen 6-Zylinders einsetzt, so unterstreicht dies erneut die Innovationsstärke unserer Industrie“, sagt Wissmann. Der Fortschritt beschränke sich dabei nicht auf eine Marke oder einen Hersteller, entsprechende Beispiele gebe es auch bei Audi, BMW oder Porsche.
Ebenso wichtig sei Premium beim Thema Sicherheit. „Von ABS über Bremsassistent, Seitenairbag, Keramikbremse, Abstands-Tempomat, Knie-Airbag, Aktives Kurvenlicht und Infrarot-Nachtsichtsysteme – stets wurden diese Innovationen zunächst in Premiumfahrzeugen eingebaut, bevor sie ihren Weg in die Volumenmodelle fanden“, unterstreicht der VDA-Präsident.
Wissmann betont: „So schwierig die Zeiten auch sind, diese Industrie wird stärker als andere aus dieser Krise herausfahren. Davon bin ich überzeugt. Denn wir halten – trotz heftigen Gegenwinds – Kurs und verfolgen konsequent unsere Innovationsstrategie. Bei Forschung und Entwicklung wird es keine Abstriche geben. Und eines ist auch klar: Wenn die internationalen Märkte wieder anspringen, werden die deutschen Hersteller beim Aufschwung ganz vorn dabei sein, weil sie so global aufgestellt sind wie kein anderer.“
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