Wird 2009 ein „Schicksalsjahr“ für die Automobilindustrie?
Das Jahr 2009 könnte zu einem „Schicksalsjahr“ für die Weltautomobilindustrie werden. Die Rückgänge der Fahrzeugverkäufe in Nordamerika und Westeuropa könnten im kommenden Jahr so stark sein, dass sie durch die Zuwächse in den Schwellenländern nicht ausgeglichen werden, sodass erstmals seit fünf Jahren weltweit wieder mit einem Absatzrückgang von rund sechs Prozent auf 52,2 Millionen Einheiten gerechnet werden müsse. Die Folgen könnten weitere Produktionskürzungen bis hin zu Werkschließungen in Nordamerika und Westeuropa sein, so Professor Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA).
Nach der Auffassung von Diez wird der nordamerikanische Automobilmarkt als Folge der Finanzkrise auch im kommenden Jahr rückläufig bleiben, da der in den USA übliche Autokauf auf Pump immer schwieriger werde. So rechnet er mit einem weiteren Rückgang der Neuwagenverkäufe in den USA von 14,5 Millionen Einheiten in diesem Jahr auf 13,0 Millionen Einheiten im Jahr 2009. Aber auch in Westeuropa dürfte die Zahl der Neuwagenverkäufe im Jahr 2009 weiter sinken, glaubt Diez und rechnet mit einem Rückgang in einer Größenordnung von zehn Prozent auf 12,9 Millionen Einheiten. „Ein Rezessionsszenario ist in der Autobranche im kommenden Jahr sehr realistisch“, erklärt der IFA-Direktor, der zugleich eine Wachstumsabschwächung in den Schwellenländern prognostiziert. Insofern könne das weitere, sich allerdings ebenfalls abschwächende Wachstum in den sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) die Absatzrückgänge in den „reifen“ Automobilmärkten nicht mehr kompensieren. So rechnet Diez damit, dass der chinesische Markt im kommenden Jahr nur noch einstellig wachsen wird, nachdem in den letzten Jahren Zuwachsraten von mehr als 25 Prozent erzielt worden seien. Als Folge der absehbaren Entwicklung würden die weltweiten Überkapazitäten in der Branche dramatisch von heute 25 Prozent auf 30 Prozent ansteigen, was einem Volumen von 16 Millionen Einheiten entspräche. Diez hält daher weitere Produktionskürzungen für wahrscheinlich. Aber auch Werkschließungen seien nicht auszuschließen, insbesondere dann, wenn im Laufe des Jahres 2009 nicht deutliche Erholungstendenzen erkennbar würden.
Angesichts dieser „Autokrise“, die zumindest zum Teil offenbar als Folge der Finanzmarktschwäche gesehen wird, fordert Diez mit Blick nicht nur in Richtung der Autohersteller, sondern vor allem auch für den Automobilhandel in Deutschland ein Konjunkturprogramm. Wegen einer chronischen Unterfinanzierung sei der Automobilhandel nämlich von der restriktiveren Kreditvergabe der Banken besonders betroffen. Und wenn die Automobilverkäufe im kommenden Jahr wie erwartet weiter sinken, müsse mit einer „dramatischen Insolvenzwelle“ gerechnet werden, erklärt Diez. Nach dem die Umsatzrenditen im Automobilhandel aufgrund der schwierigen Marktsituation bereits seit Jahren unter einem Prozent lägen, sei auch die Eigenkapitalquote im Durchschnitt auf unter 15 Prozent gesunken. Dementsprechend sei die Abhängigkeit der Automobilhändler von den Kreditkonditionen der Geschäftsbanken besonders hoch. „Wenn jetzt auch noch absehbar ist, dass die Neuwagenverkäufe im Jahr 2009 nochmals sinken, dann werden die Banken vielen Händlern den Geldhahn endgültig zudrehen“, ist Diez überzeugt, der für Deutschland von einem weiteren Rückgang der Pkw-Neuzulassungszahlen auf knapp drei Millionen Einheiten im Jahr 2009 ausgeht, während für dieses Jahr eine Zahl von 3,15 Millionen Fahrzeugen erwartet wird. Laut Autohaus Online soll der IFA-Direktor die Zahl der Arbeitsplätze, die als Folge der Finanz- und Absatzkrise in den nächsten Monaten in der deutschen Autobranche gefährdet sind, mit bis zu 60.000 beziffert haben. Davon könnten – wenn sich die Situation nicht deutlich entschärfe – bis zu 50.000 der rund 760.000 Arbeitsplätze bei deutschen Autoherstellern und Zulieferern verloren gehen, während bei den Autohändlern bis zu 10.000 von alles in allem 470.000 Jobs bis zum Jahr 2010 auf der Kippe stünden.
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