22. BRV-Mitgliederversammlung: Bedingt positive Branchenbilanz
Am Vortag der Eröffnung zur Jubiläumsmesse – die REIFEN fand das 25. Mal in Essen statt – veranstaltete der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) seine 22. ordentliche Mitgliederversammlung. Die Begrüßung und die die Branche betreffenden Hauptpunkte oblagen erneut dem geschäftsführenden Vorsitzenden Peter Hülzer (53), denn der Branche ist es bislang nicht gelungen, aus dem Kreise der deutschen Reifenfachhändler einen Kandidaten zu finden, der dieses Amt bekleiden will. Dass Hülzer mit 140 Stimmen (bei nur einer Enthaltung) in seinem Amt bestätigt wurde, zeigt das hohe Maß an Anerkennung, welches er im Kreise der BRV-Mitglieder genießt.
Hülzer dürfte in seiner mehr als zwanzigjährigen Tätigkeit für Reifenhandel und -handwerk selbst zu einem Reifenexperten geworden sein, schließlich beklagt er mit Recht im Rahmen seiner Begrüßung, dass der Reifen nach wie vor lediglich als „rund und schwarz“ wahrgenommen wird, obwohl er doch „ein wahres Hightech-Produkt mit beeindruckenden Produkteigenschaften“ ist. Und so wie sich die Produktinnovationen immer mehr am Benchmark Hochleistung orientieren, müsse auch der Reifenfachhandel permanent nach bestmöglicher Performance streben. Dem wird kein „gelernter Reifenexperte“ widersprechen.
Eine positive Branchenbilanz sei nur bedingt möglich, klagt Hülzer, weil der Mengenabsatz Handel an Verbraucher in 2007 ein Minus bei Pkw-Reifen von 5,9 Millionen Einheiten auf 45,5 Millionen Stück einbrach und das (überproportional ertragreichere) Winterreifensegment sogar um 17,3 Prozent rückläufig war. Schuld daran seien mangelnde Kaufkraft und nur unzureichende Wahrnehmung der zum 1. Mai 2006 erfolgten StVO-Novellierung, Abschwung am Automarkt, verdeckte Rabatte von Automobilherstellern in Form von kostenlosen Reifensätzen, das Erreichen der Sättigungsgrenze bei der Umrüstquote sowie möglichweise sogar die Klimadebatte. Dass mehr als sieben Millionen Pkw-Reifen – ganz überwiegend mit Wintereignung – beim Groß- und Einzelhandel auf Lager liegen, lässt für die nächste Saison keinen Optimismus zu, es droht eine „margenvernichtende Absatzschlacht“, der nur mit Verantwortungsbewusstsein der hiesigen Hersteller hinsichtlich der Produktions- und und der Importeure hinsichtlich der Importvolumina begegnet werden kann.
Erfreulicher verliefen im letzten Jahr eigentlich alle anderen Reifensegmente und verleiteten den BRV zu vorsichtig optimistischen Prognosen für 2008. Während im Pkw-Segment ein starker Mai Verluste aus den ersten vier Monaten ganz oder teilweise kompensieren konnte, zeichnet sich ab, dass im Lkw-Reifensegment die Rallye vorbei ist. Hülzer bezog es in seiner Rede zwar auf das Pkw-Segment, aber statt „Reifenwachstum“ müssen wir uns eher an eine neue „Stückzahlrealität“ (also Stagnation) gewöhnen. Und das – der oberste BRV-Lenker weist darauf hin – bei anhaltender preislicher Erosion.
Der BRV fahndet nach Ideen, um „von Dellen im Pkw-Reifenersatzgeschäft unabhängiger“ zu werden und das Profil des Reifenfachhandels zu schärfen. Hülzers Credo gebührt der Qualität, dem Service und der Werkstattkompetenz und er erinnert an positive Entwicklungen bei Hochleistungs-, Notlauf- und Offroad-Reifen – anspruchsvolle und sicherheitsrelevante Produkte, die geradezu nach einer Meisterpflicht verlangen. Gleichwohl: Die diesbezüglich angestrengten Gerichtsverfahren gingen nicht im Sinne des Branchenverbandes aus. Die Mitglieder ermächtigten die BRV-Spitze, hier auf juristischem Wege doch noch zum angestrebten Ziel, die „Meisterqualifikation als Gewerbezulassungsvoraussetzung in unserer Branche zu etablieren“, zu gelangen.
Abschließend fehlte – wie in all diesen Reden der letzten Jahre – auch der Punkt „Verhältnis Industrie zum Reifenfachhandel“ nicht, „deutliche Blessuren“ hat Hülzer da ausgemacht und konstatiert auf Seiten der Industrie „ein Maß an Arroganz und Rücksichtslosigkeit“, das für die Zukunft nichts Gutes erahnen lasse. Das Menschliche im Geschäft miteinander sei verloren gegangen, das Vertrauen weg. Und ein Beispiel: „Wenn ein Vertriebsdirektor auch gleichzeitig die Funktion des Geschäftsführers des Handelskettenkonkurrenten in Personalunion übernimmt“. Gemeint ist die entsprechende Personalie aus dem Hause Michelin zum Jahreswechsel 2007/2008.
Das Geschäftsjahr 2007 wurde abgeschlossen, der Haushaltsplan 2008 genehmigt, Wahlen abgehalten, die BRV-BBE-Studie „Reifenfachhandel als Managementaufgabe: Zukunft sichern und gestalten“ präsentiert, BRV-Awards verliehen (siehe an anderer Stelle in dieser Ausgabe) und zwei Gastreferate gehalten: Dr. Matthias Bellmann (Mitglied des Vorstandes der Arcandor AG, vormals Karstadt Quelle) sprach über die „Sanierung von Handelsunternehmen in schwieriger wirtschaftlicher Branchenlage“ und Frank Lehmann (vormals Chefredakteur Wirtschaft beim Hessischen Rundfunk und bekannt als ehemaliger und stets humoriger Moderator von „Börse im Ersten“) zum Thema „Wie stehen die Aktien? Wirtschaft – Worauf es wirklich ankommt!“ Nach der Verleihung eines von der Gummibereifung, Hankook und vom BRV ausgeschriebenen Marketing-Awards wurden abschließend Paul Rösler sen., das langjährige BRV-Vorstandsmitglied Rudolf Schäfer und Messedirektor Klaus Reich für ihre Verdienste um den deutschen Reifenfachhandel geehrt.
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