Neuer Lkw-Trailerreifen der Marke “Athos”
Weil der Reifengroßhändler Hämmerling (Paderborn), zu dessen Unternehmensgruppe auch Runderneuerungsaktivitäten, Transport & Logistik sowie branchennahe IT-Dienstleistungen gehören, einzelnen Trailerherstellern und unter anderem auch den Kögel Fahrzeugwerken in der Vergangenheit bereits bei Reifenknappheit recht unbürokratisch helfen konnte, entstand die Idee, einen eigenen Reifen zu entwickeln, der in der Erstausrüstung platziert und von Hämmerling auch im Ersatzmarkt (ab April dieses Jahres) angeboten werden soll. Von dem bei Boto Tyres (Donjing City, Provinz Shandong) entwickelten und hergestellten Reifen mit dem von Hämmerling kreierten und weltweit geschützten Namen „Athos“ in der populären Trailergröße 385/65 R22.5 sollen in diesem Jahr 50.000, im nächsten Jahr 70.000 und im darauffolgenden Jahr 100.000 Einheiten bei Kögel montiert werden, angeliefert von Hämmerling bereits als Kompletträder. Damit solle, so Stefan Oberdörfer vom Fahrzeughersteller, keiner der aktuellen Zulieferer verdrängt werden, vielmehr soll einer immer wiederkehrenden Reifenknappheit begegnet und zusätzlicher Bedarf aufgrund wachsender Zahlen im Fahrzeugbau befriedigt werden. Um etwa 30 Prozent dürfte die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage in der Erstausrüstung Trailerreifen im letzten Jahr geklafft haben, hat Ralf Hämmerling ermittelt.
Ralf Hämmerling, der über gut ein Vierteljahrhundert einen mittelständischen Betrieb von derzeit rund 80 Mitarbeitern aufgebaut und damit durchaus eine Erfolgsgeschichte geschrieben hat, räumt in aller Offenheit ein, angesichts des Einstieges in das für einen Reifenhändler ja durchaus für gewöhnlich fremde Erstausrüstungsmetier ein wenig nervös zu sein. Dass hier „die Uhren anders gehen“ als im Ersatzgeschäft hat er in den letzten Monaten schon gemerkt, andererseits könne man sehr viel über die Mechanismen der großen Neureifenhersteller lernen.
Er hat sich jedenfalls umfassend und mit entsprechend langer Vorlaufzeit auf das Projekt vorbereitet, das im Februar dann soweit war, der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. Dass der Markt da war, hatte Ralf Hämmerling erkannt: Die großen Reifenhersteller – das kam wohl hinzu – haben den Trailerbereich in der Lkw-Erstausrüstung stiefmütterlich behandelt. Das hat zwei Gründe: Zum einen haben sie es mit einem insgesamt noch sehr breit aufgestellten Mittelstand an Fahrzeugherstellern zu tun und die Pflege dieser Klientel bedarf eines recht großen Aufwandes – auch wenn sich etwa drei große Anbieter (neben Kögel sind dies Schmitz und Krone) den Löwenanteil des Marktes sichern und – so Kögel-Marketingleiter Oberdörfer – die Nachfrage nicht nur in seinem Unternehmen geradezu sprunghaft wächst. Kein Geheimnis ist auch der zweite Grund: Die Preise für Trailerreifen, ob im Ersatzgeschäft oder in der Erstausrüstung – sind kaum auskömmlich für die Reifenhersteller. Das führt gar dazu, dass sie – um ihre „erste Marke“ zu schützen – sich in ihrem Markenportfolio bei den Zweitmarken bedienen, beispielhaft seien Fulda oder Firestone genannt. Der Trailerreifenmarkt ist viel weniger vom Gedanken des Premiumproduktes bestimmt als die Bereifungen für die Zugmaschinen, wo Michelin, Bridgestone und Goodyear versuchen, ausschließlich ihre Erstmarke zu platzieren, ob auf der Lenk- oder der Traktionsachse.
All dies dürfte Hämmerlings Entschluss, in diesen Markt einzusteigen, positiv beeinflusst haben. Das gesuchte Produkt musste keine hohe Markenbekanntheit haben, musste preisgünstig, aber auch – wie natürlich auch im Trailerbereich der Erstausrüstung – qualitativ untadelig sein. Und obendrein will Ralf Hämmerling ja mit dem Produkt auch Geld verdienen! Einen Hersteller solcher Reifen in Europa zu finden, der ihm Kapazitäten geben würde, dürfte angesichts der nun schon einige Jahre währenden Lkw-Reifenproduktion an den Kapazitätsgrenzen bei Michelin, Bridgestone, Goodyear und Continental schwer fallen.
Konsequent zu Ende gedacht hieß das: Es musste eine eigene, neue Marke kreiert werden. Die musste an einem Standort hergestellt werden, der technologisch in der Lage ist, hochwertige Radialreifen zu einem für die Hämmerling-Pläne adäquaten Preis darzustellen. Und es musste eine Instanz gefunden werden, die diese Qualitäten auch neutral testet, garantiert und auch die Einhaltung des Produktionsstandards überprüft. Weil Hämmerling seit Jahren „China-Erfahrung“ hat und er wenigstens drei der dortigen Hersteller und deren Qualitäten gut kennt, waren diese natürlich die ersten Kandidaten – und genügten den Ansprüchen nicht.
„Fündig“ wurde Ralf Hämmerling bei Boto Tyres, ein Unternehmen der Qingdao Feixiang Group Co., Ltd. (Qingdao), das – berichtet er – eine Jahreskapazität von etwa 1,2 Millionen Lkw-Reifen, hauptsächlich radialer Bauart und (bislang) ausschließlich für den chinesischen Ersatzmarkt hat. Hier ist er nicht nur auf die Bereitschaft gestoßen, für ihn einen Trailerreifen – der im Übrigen den Namen Athos tragen sollte – zu bauen, sondern ihn auch nach den vorgegebenen Qualitätsstandards zu entwickeln. Boto habe die einmalige Chance gesehen, die eigene Reputation zu polieren – und diese Chance genutzt!
Der erste Entwicklungs- und Produktionsauftrag Ralf Hämmerlings bezog sich auf die gängigste Trailergröße 385/65 R22.5. Weitere, auch anspruchsvollere Größen (so für Megatrailer) hat er durchaus im Hinterkopf und die Planung konkretisiert sich, aber er ist vorsichtig: Erst einmal soll dieses Projekt rund laufen. Wozu auch gehört, dass alle aus China angelieferten Reifen auch tatsächlich mit Namen Athos heißen, noch tragen nämlich einige – wie beim Gang durchs Lager zu entdecken – die Aufschrift „Boto“. Aber das soll nur eine Übergangslösung sein.
Wie auch das noch exklusive Abkommen mit Kögel in gewissem Sinne auch nur eine Übergangslösung ist: Denn Hämmerling beliefert die Kögel Fahrzeugwerke mit Athos in der Erstausrüstung für eine Laufzeit von zwei Jahren exklusiv, danach ist er frei, den Reifen auch anderen Trailerherstellern anzubieten. Im Ersatzgeschäft ist er ohnehin frei und will dem Reifenfachhandel das Produkt ab diesem Frühjahr zur Vermarktung anbieten. Wobei er sicher gehen will, dass das Produkt nicht auf die Billigschiene gezogen wird, und er hat daher von vornherein einen Mindestpreis fixiert, den er auch nennt: 250 Euro.
Das Athos-Geschäft mit Kögel verspricht für Hämmerling noch in einer anderen Hinsicht interessant zu werden: Weil Kögel (wie alle anderen) ausschließlich Neureifen montiert, fallen bei Ersatzbedarf Altreifen, für den Runderneuerer Hämmerling die im Markt oftmals so knappen Karkassen an. Diese Athos-Karkassen hat sich Hämmerling im Rahmen eines so genannten „Athos-Plus-Paketes“ gesichert, das den Rückkauf der Karkasse – so sie denn runderneuerungsfähig ist – zu einem garantierten Preis von 15 Euro regelt. Alternativ ist auch eine Runderneuerung im Tausch gegen Athos-Karkasse zu einem Festpreis von 115 Euro pro Reifen möglich. Die Karkassqualität ist also für Hämmerling von enormer Bedeutung, die von Boto Tyres bislang gelieferten Athos-Reifen wurden denn auch in der hauseigenen Shearographie immer wieder bis ins Detail seziert. Der Runderneuerer Hämmerling ist sich absolut sicher, dass die Karkassqualität durchaus auf dem Niveau europäischer Premiumprodukte ist. Praktische Runderneuerungserfahrung und repräsentative Daten kann er freilich noch nicht haben, das Produkt rollt ja gerade erst als Neureifen in den Markt und wird dann obendrein ein Verschleißverhalten haben, das besser ist als bei üblichen Markenreifen im Mittelpreissegment, berichtet Andreas Elsenheimer vom TÜV Nord über konkrete Testergebnisse.
Der Kauf eines „Kögel MAXX“ mit Athos-Bereifung bringt dem Kunden im Zusammenhang mit dem „Athos-Plus-Paket“ ferner den Zugriff auf einen Vorzugspreis beim Athos-Neureifenkauf, eine 4-Jahres-Reifengarantie und eine spezielle Hotline, die eine Bestellung rund um die Uhr an 365 Tagen ermöglicht und eine frachtfreie Auslieferung innerhalb von 24 Stunden an Werktagen innerhalb Deutschlands und von ca. 72 Stunden europaweit beinhaltet.
Natürlich kauft Kögel nicht gewissermaßen „die Katze im Sack“ und hat daher im November letzten Jahres umfangreiche eigene Tests des Athos vom Typ „BT668“ auf einem eigens angemieteten Flugzeugareal durchgeführt. Als Prüffahrzeug diente ein Sattelzug bestehend aus einem Iveco Stralis und einem dreiachsigen Auflieger. Zu Vergleichszwecken wurden auch ein Premiumreifen und ein Produkt des mittelpreisigen Segmentes montiert. „Ausreißer“ gab es bei den Tests nicht, außer in einer Hinsicht: Beim Verschleiß war der Athos dem Vergleichsprobanden aus dem mittleren Segment, der im Übrigen nach einiger Zeit auch platzte, durchaus überlegen.
Über eine Bauartgenehmigung zu verfügen, die ja so etwas wie eine Betriebsgenehmigung ist, ist noch kein Qualitätssiegel an sich, berichtet der TÜV-Verantwortliche der Tests Andreas Elsenheimer. Vielmehr habe sich der TÜV Nord bei den Athos-Reifen an den Anforderungen orientiert, die die Fahrzeughersteller stellen – inklusive aller erdenklicher „Reserven“ wie hinsichtlich der Tragfähigkeit und den Geschwindigkeitsanforderungen, die deutlich über den auf der Seitenwand nachzulesenden Kennzeichnungen liegen sollten. Und Elsenheimer ließ nicht unerwähnt, dass es selbstverständlich nicht bei diesen Vorabtests bleibt, sondern permanent Stichproben von den Lieferungen gezogen werden und auch für eine Überwachung des Herstellprozesses gesorgt sei. Und das gilt auch für die zu montierenden Stahlräder.
Da habe man in China „den Mercedes unter den Räderherstellern“ als Partner gewinnen können, schwärmt Ralf Hämmerling. Das Produkt trägt den Namen „Talas“ und wurde ebenfalls vom TÜV nach allen erdenklichen Normen getestet, einschließlich der Produktion vor Ort, und für gut befunden. Dennoch ist der Kaufmann Hämmerling noch nicht ganz zufrieden: Reifen und Räder werden in separaten Containern nach Deutschland verschifft, eine Komplettradmontage würde beträchtlich Stauraum und damit Kosten einsparen. Aber in der Hinsicht hat er noch nicht das Vertrauen wie in die Produktion von Rad und Reifen, weiß er doch, dass es auch hier um höchste Qualität geht und Rad und Reifen Sicherheitsprodukte sind, die keinerlei Nachlässigkeiten zulassen. Langfristig mag er also eine Komplettradmontage im fernen China nicht ausschließen, erst einmal aber hat er fünf seiner erfahrensten Mitarbeiter aus anderen Bereichen der Firma abgezogen und mit denen eine Komplettradmontage vor Ort am Stammsitz Hämmerlings aufgebaut. Womit er durchaus neue Arbeitsplätze geschaffen hat, denn die jetzt verwaisten ehemaligen Arbeitsplätze der fünf „versetzten“ Mitarbeiter mussten ja wieder neu besetzt werden.
Lkw-Komplettradcenter bei Hämmerling
Die Hämmerling-Gruppe hat also ein Komplettradcenter für den Bereich Lkw in Betrieb genommen und baut es derzeit auf eine Jahreskapazität von bis zu 200.000 Einheiten aus, eine Kapazitätssteigerung auf 300.000 Räder ist möglich. Der Dienstleister montiert alle angelieferten Markenreifen und Größen sowie Felgen für Fremdkunden und den Bedarf in der eigenen Unternehmensgruppe. Aktuell werden aber natürlich noch mehrheitlich die Trailerreifen der Eigenmarke „Athos“ vom Typ BT668 der Größe 385/65 R22.5 und Stahlfelgen mit Namen „Talas“ montiert, die bei den Kögel Fahrzeugwerken in die Erstausrüstung gehen. Das mit Kögel vereinbarte Jahresvolumen von 50.000 Rädern entspricht 6.000 bis 7.000 Fahrzeugen bzw. einem Anteil bei Kögel von um die 20 Prozent.
Ob sich die Komplettradmontage für den Lkw-Bereich über den Nischenbereich hinaus weiter entwickeln wird – wie das ja einst im Pkw-Segment des Ersatzgeschäftes auch passierte –, weiß Ralf Hämmerling nicht, es war auch nicht die primäre Zielsetzung. Dass der Großhändler Hämmerling die von ihm selbst vertriebenen Produkte – Lkw-Reifen auch aller gängigen Markenfabrikate und Stahl- und Aluminiumräder von wem auch immer – bei Bedarf in der neuen Servicestation montieren lässt, versteht sich von selbst.
Wobei die Montagestätte noch ausgebaut und über entsprechend leistungsfähige Förderbänder nachgedacht wird, die es ja nicht von der Stange zu kaufen gibt. Überraschung übrigens beim Blick auf die drei derzeitigen Montagestationen: Die beiden mit Equipment chinesischer Herkunft werden von den Mitarbeitern bevorzugt benutzt, weil die durchaus hochmoderne Montagemaschine eines bekannten europäischen Werkstattausrüsters zu anfällig ist und schon öfter mal „zickt“. Von den derzeit fünf Kräften in dieser Abteilung, die in einer Schicht um die 250 Räder bewältigen, ist einer nur damit beschäftigt, Daten wie Felgen- und Reifennummer, Name des jeweiligen Monteurs, Zeit der Montage und auch die Nummer der Container, in denen Reifen und Räder aus China gekommen sind, zu dokumentieren, um jedes Produkt und seine Entstehung jederzeit nachvollziehen und seinen Werdegang dokumentieren zu können. Bereits kurzfristig soll eine Verdoppelung der Kapazität mit diesem Mitarbeiterstand – entsprechend hundert Räder pro Schicht und Mitarbeiter – realisiert werden. Kögel erhält die Räder im „Sixpack“, das sind völlig neue Erfahrungen und der Lernprozess ist noch nicht abgeschlossen. Dass den Mitarbeitern allerdings für die Erledigung ihrer Aufgaben modernstes Equipment zur Verfügung gestellt wird, ist eine Selbstverständlichkeit.
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!