Wenig Begeisterung für den Werbeslogan „Wechseln nervt!“
Selten war das Votum der Leser der NEUE REIFENZEITUNG so eindeutig wie bei unserer jüngsten Onlineumfrage zum Thema Umrüsten. Bei der wollten wir nämlich gerne wissen, was die Branche von dem in diesem Zusammenhang verwendeten Werbeslogan „Wechseln nervt!“ für Ganzjahresreifen hält: Erweisen Reifenhersteller sich selbst und dem Handel damit wirklich einen Dienst, wenn sie mit einer solchen Kampagne – unbenommen einer unzweifelhaft bestehenden Nachfrage nach Ganzjahresreifen – das Umrüsten von Sommer- auf Winterreifen und umgekehrt indirekt als eine unangenehme Angelegenheit darstellen?
„Wenn man sicherheitsrelevante Vorgänge als unangenehm vermittelt, wie soll der Kunde zum Wechseln kommen? Unangenehme Dinge verschiebt man bis zuletzt“, meint ein Umfrageteilnehmer. Wie 80,4 Prozent aller Teilnehmer an der Befragung auch ist er der Meinung, mit dieser Art Werbung werde der Branche kein Dienst erwiesen. „Die Reifenindustrie sägt an dem Ast, auf dem Sie sitzt“, wird zu bedenken gegeben, und ein weiterer Umfrageteilnehmer wünscht sich in allen Bereichen „generell mehr gutes Benehmen“ vonseiten der Reifenhersteller. „Der Verbraucher hat beim Reifenkauf schon kein gutes Kaufgefühl mehr – wie in den Möbelhäusern. Die Wurzeln liegen bei der Industrie: Preisschlachten machen den Verbraucher misstrauisch, und er hat schlicht keinen Spaß mehr dabei“, findet er. „Den Reifenherstellern ist der Handel sowieso egal. Irgendwer kauft deren Reifen: entweder der Reifenhandel, ein Jobber, das Autohaus oder ein Großhändler – die Reifen finden immer ihren Weg zum Verbraucher“, gibt ein weiterer Teilnehmer an der Umfrage seine Sicht der Dinge wieder, während andere Meinungsäußerungen („das sind doch kurzsichtige Deppen“) da teilweise nicht ganz so differenziert sind. „Schade, dass so manches Marketinghirn zum Blinddarm mutiert. Wirbt Lidl vielleicht mit: Essen macht dick!? Oder BMW, VW und Co. mit: Sie stinken, wir haben was (nichts) dagegen …“, fragt ein Umfrageteilnehmer angesichts der aus seiner Sicht offensichtlich missglückten „Wechseln-nervt“-Werbeaktion.
„Der Reifenwechsel ist genauso nervig wie ein Zahnarztbesuch, eine Steuererklärung und zahlreiche andere notwendige Dinge, die wir im Leben eben machen müssen. Gerade bei einer so wichtigen sicherheitsrelevanten Sache sollten Endverbraucher nicht durch eine aus marketingstrategischer Sicht gelungene Werbekampagne verunsichert werden bzw. den falschen Eindruck (bin auch sicher unterwegs ohne Winterreifen bzw. mit Allwetterreifen) bekommen“, warnt ein anderer. Ein so entstandener Eindruck bzw. eine auf diese Weise gebildete Meinung könne oft nur schwer wieder umgekehrt werden. Insofern scheint das Wechseln von Sommer- auf Winterreifen von so manchem schon in gewissem Sinne als nervig empfunden zu werden. Nur laut aussprechen sollte dies aus der Branche möglichst niemand. „Man sägt nicht am Ast, auf dem man sitzt“, ist da zum wiederholten Male zu hören, während andere das Umrüsten gar nicht erst als unangenehm empfinden. „Ich wechsle schon seit Jahren im Herbst auf Winter- und im Frühjahr auf Sommerreifen und habe das noch nie als ‚nervig’ empfunden. Ich sehe eigentlich nur Sicherheitsvorteile durch den Wechsel“, so ein aufgeklärter Autofahrer. Außerdem – findet zumindest ein Händler aus dem Ruhrgebiet – könne jeder Betrieb selbst viel dafür tun, dass die ganze Sache mit dem Umrüsten im Frühjahr bzw. Herbst (für beide Seiten) nicht nervig wird. „Nach meiner Erfahrung haben die Kunden definitiv Verständnis für etwaige Umstände, die hier und da zwangsläufig zu Wartezeiten etc. führen. Die Kunden wissen um die Notwendigkeit, mindestens aber um die Sicherheit, die eine Umrüstung auf Winterräder bietet. Mit etwas Einteilung und einer professionellen Einstellung sind die Arbeiten freundlich hinzukriegen“, ist er überzeugt.
Während der Anteil derjenigen, die zu der Thematik keine Meinung haben bzw. sich gar nicht erst dafür nicht interessieren mit 1,7 Prozent bei unserer Umfrage recht klein ausgefallen ist, können 17,9 Prozent der Befragten dem „Wechseln-nervt!“-Slogan sogar etwas Positives für die Branche abgewinnen. „Ich finde es gut, auch die unangenehme Seite des Reifenwechselns anzusprechen. Hieraus entstehen Gesprächsthemen, und potenzielle Reifenkunden werden sensibilisiert, was man auch als indirekte Werbung betrachten könnte. Für uns Reifenhändler ist es natürlich nicht unangenehm, jedoch könnte ich mir vorstellen, dass Kunden die selbst wechseln durch solche Kampagnen angeregt werden könnten, ihre Reifen doch vom Fachmann wechseln zu lassen“, wird diese Sichtweise von einem Antwortenden begründet. Kunden, die sich das Umrüsten sparen wollen und nur aus diesem Grund nach Ganzjahresreifen fragen, könne man zudem mit kompetenter Beratung aufklären, gibt ein anderer Reifenhändler zu bedenken. „Und das geht bei uns bisher mit allen“, fährt er bislang offensichtlich sehr erfolgreich mit dieser Strategie.
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!