Japanische Automobilzulieferer entdecken Mittel- und Osteuropa
Japanische Automobilzulieferer wollen ihre Präsenz in Mittel- und Osteuropa (MOE) ausbauen. Denn die Autoteileproduktion in MOE wird sich bis zum Jahr 2015 verdoppeln und einen Wert von rund 40 Milliarden Euro erreichen. Gleichzeitig steigt der Anteil in MOE produzierter und in europäischen Fahrzeugen eingebauter Autoteile von 23 Prozent im Jahr 2005 auf 39 Prozent im Jahr 2015. So können japanische Zulieferer in MOE ihren Absatz in den Jahren 2005 bis 2015 von 1,9 Milliarden Euro auf 6,2 Milliarden Euro verdreifachen.
Verschiedene Faktoren machen den mittel- und osteuropäischen Markt attraktiv. Angesichts der unsicheren Gewinnentwicklung auf dem nordamerikanischen Markt, der bisher maßgeblich zu den Gewinnen japanischer Firmen beigetragen hat, ist der Markteintritt in MOE eine mögliche Alternative. Zudem fördern niedrige Arbeitskosten in MOE, die hohe Qualität dort produzierter Waren sowie ein günstiger Wechselkurs des Yen neue Markteintritte. Dies sind die Ergebnisse einer Roland Berger-Trendstudie über den Markteintritt japanischer Automobilzulieferer in MOE. Der Markteintritt in diese Länder, so die Erfahrungen der Berater, sollte in fünf Schritten erfolgen.
Ergänzt wurde die Untersuchung durch persönliche Interviews mit Verantwortlichen in elf Betrieben. Demnach steigt die Autoteileproduktion in MOE von 20 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 40 Milliarden Euro im Jahr 2015. Davon werden Teile im Wert von 20 Milliarden Euro nach Westeuropa exportiert und dort in Pkw eingebaut. Autoteile im Wert von 18 Milliarden Euro bleiben in MOE und werden dort von Automobilherstellern verwendet.
Es sei absehbar, dass die Arbeitskosten in MOE niedrig bleiben. Sie werden Schätzungen zufolge in diesen Ländern im Jahr 2010 etwa einem Drittel des deutschen Niveaus betragen. Damit japanische Unternehmen in MOE erfolgreich sein können, sollten sie fünf Faktoren berücksichtigen:
1. Auswahl der Region
Mittel- und Osteuropa gliedert sich aus wirtschaftlicher Sicht in zwei Teile, in die Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn sowie in einen südosteuropäischen Teil mit Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Serbien, Montenegro, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien. Die vier Visegrad-Staaten besitzen Vorteile in der kapitalintensiven Teileproduktion. Hier wurden im Jahr 2005 Autoteile im Wert von 18,4 Milliarden Euro produziert. Im Gegensatz dazu besitzen die südosteuropäischen Staaten Wettbewerbsvorteile bei arbeitsintensiver Produktion. Allein im Jahr 2005 hat die Produktion einen Wert von 1,6 Milliarden Euro erreicht. Die unterschiedliche Höhe ausländischer Direktinvestitionen erklärt die unterschiedliche Entwicklung dieser Regionen. Während im Jahr 2006 etwa 25 Milliarden US-Dollar ausländischer Direktinvestitionen in die kapitalintensive Teileproduktion der Visegrad-Staaten flossen, waren es in den südosteuropäischen Staaten etwa fünf Milliarden US-Dollar.
2. Balance zwischen verfügbaren Arbeitskräften und Industrieinfrastruktur bei der Standortwahl berücksichtigen
Die vier Visegrad-Staaten leiden unter starkem Arbeitskräftemangel. Firmen sollten daher Standorte in Regionen wählen, die eine gute Industrieinfrastruktur bieten und über viele gut ausgebildete Arbeitskräfte verfügen. So gibt es beispielsweise im Südosten Polens Gebiete, die zahlreiche Zulieferbetriebe beheimaten und zugleich noch über ein großes Arbeitskräftepotenzial verfügen.
3. Form des Markteintritts
Von den 44 untersuchten japanischen Zulieferern, die in den mittel- und osteuropäischen Markt eintraten, erschlossen ihn 26 in Alleingängen. So konnten sie schnelle und gewohnte Entscheidungsprozesse sicherstellen. Nur vier Unternehmen ging ein M&A dem Markteintritt voraus und 14 Firmen entschieden sich für ein Jointventure, um die Schwierigkeiten bei der Übernahme des japanischen Produktionssystems abzumildern.
4. Realisierung einer günstigen Produktion bei hoher Qualität
Wegen des Mangels an qualifiziertem Personal in den vier Visegrad-Staaten ist die Standortwahl genauso wichtig wie aus den Erfahrungen dort ansässiger Firmen zu lernen. Beispielsweise können Firmen Arbeitskräfte aus anderen Regionen anwerben. Dabei sollten sie Pendeldienste und/oder Arbeiterwohnheime einrichten, um die Zeiteffizienz zu erhöhen. Viele Firmen haben Bonuszahlungen eingeführt, die sich an Anwesenheitszeiten und Arbeitsleistung orientieren.
5. Ausbau des Geschäfts in Europa
Viele japanische Zulieferer, die ihr Geschäft in Mittel- und Osteuropa ausgebaut haben, konnten Aufträge westeuropäischer und nordamerikanischer Autohersteller hinzugewinnen. Dies gelang, weil sie deren Anforderungen berücksichtigten und japanische Firmen führend in Forschung und Entwicklung sind. Um weiter zu expandieren, empfiehlt die Studie, dass Unternehmen ihre Kundenzielgruppe und deren Bedürfnisse in jedem Land genau kennen und ihre europäischen Firmenzentralen in Prozessoptimierung einbinden sollten.
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