Dunkle Wolken am deutschen Oldtimer-Himmel
Eine Aussage über das Volumen des Reifenmarktes für Klassiker ist nur schwer zu treffen, vor allem ist eine Abgrenzung schwierig, da viele Fahrzeuge wie zum Beispiel die Mercedes-Benz S-Klasse oder der VW-Käfer noch über den konventionellen Reifenmarkt bedient werden können. Der Bedarf an Spezialgrößen, also Sonderproduktionen, dürfte in Deutschland pro Jahr etwa bei 20.000 Stück liegen, schätzt Valentin Schaal, Geschäftsführer der Münchner Oldtimer Reifen GmbH (MOR) mit Sitz in Holzkirchen/Oberbayern. Derzeit bildeten sich aufgrund der Feinstaubdiskussion allerdings „dunkle Wolken am Oldtimer-Himmel“. Es ist eine gewisse Verunsicherung unter den Oldtimer- und Klassikfans eingetreten, da derzeit noch in den Sternen steht, wie künftig mit dem „rollenden Kulturgut“, so Schaal weiter, umgegangen wird.
Valentin Schaal von der Münchner Oldtimer Reifen GmbH ist bereits seit den Anfängen des Oldtimerbooms, also seit über 20 Jahren, in diesem Segment tätig. Dabei habe er im Laufe der Jahre relative genau ausgemacht, warum es einen entsprechenden Boom gegeben hat bzw. immer noch gibt. „In meinen Augen sind zwei wesentliche Faktoren für die Entwicklung verantwortlich, zum einen die Sehnsucht nach der guten alten Zeit bzw. der Zeit des Wirtschaftsaufschwungs; Erinnerungen an die Kindheit, als die Familie erstmals mit einem VW-Käfer oder einer Ford-Badewanne über die Alpen in den Urlaub nach Rimini fuhr.“ Dies werde gesehen als eine Zeit, in der „die Welt noch in Ordnung war und man das Wort Globalisierung noch nicht kannte. Zum anderen die seit den 1990er Jahren einsetzende Uniformierung der Fahrzeuge. Die Konturen der Fahrzeuge haben sich weitgehend angeglichen und sind bei Dunkelheit kaum mehr zu unterscheiden; die Individualität – mit Ausnahme einiger Exoten – ging weitgehend verloren. Klassische Fahrzeuge haben eben noch Charakter“, stellt Schaal weiter fest.
Der Enthusiasmus werde zwar bleiben, denn wer ein Oldtimer-Liebhaber ist und einen Faible für die einfache aber faszinierende Technik wie auch den klassischen Karosserieformen hat, könne sich „mit elektroniküberladenen Fahrzeugen im modernen Einheitsdesign wenig anfangen“. Dennoch: Wie schon vorstehend erwähnt, dürfte die weitere Entwicklung stark von der Gesetzgebung abhängen. Ein großer Rückschlag sei da beispielsweise ab Ende Februar 2007 die Rücknahme der 07-Wechselkennzeichen für Youngtimer gewesen, das heißt für kommende Oldtimer mit einem Alter von 20 Jahren.
Den typischen Fan für Oldtimer und Klassiker kann der Geschäftsführer der Münchner Oldtimer Reifen nicht erkennen. Es sei denn man sagte, dass dies Leute sind, „die einen Faible für das Schöne und Besondere haben – diese Enthusiasten finden sich in allen Bevölkerungs- und Einkommensschichten“. Über die Jahre hinweg habe sich darüber hinaus eines verändert, und zwar dass die Fahrzeuge nicht mehr nur auf Rallyes bewegt werden, sondern ähnlich wie England mittlerweile zum Straßenbild gehören. Auffällig sei auch, „dass immer mehr junge Leute dem Oldtimerkult huldigen“.
Neben auch in Deutschland vertriebenen Eigenmarken wie Excelsior, Phoenix, Deka, Coker, Waymaster oder Universal-Lester seien Michelin, Dunlop, BFGoodrich und Firestone die klassischen Hersteller für Oldtimerreifen. „Wir vertreten alle vorstehenden Hersteller und beliefern sowohl Groß- wie auch Einzelhandel“. Neu auf dem Reifenmarkt für klassische Fahrzeuge versuche sich seit einigen Jahren Vredestein zu etablieren. All diese Produkte werden grundsätzlich mit Originalspezifikationen hergestellt, allerdings mit neuer bzw. verbesserter Gummimischung und moderneren Werkstoffen (z.B. Polyester statt Nylon). Dabei sind in der Regel alle Fahrzeuge bis etwa 1960 mit Felgen ausgerüstet, die nur Schlauchmontage zulassen. Die Entwicklung des so genannten Tubeless-Diagonalreifens, also eines schlauchlosen Reifens, bedingte eine andere Felgenkonstruktion, das heißt eine Felge mit einem Hump auf der Felgenaußenseite. Mit wenigen Ausnahme ist bei Radialreifen nur eine Montage von klassischen Schlauchlosreifen mit Doppel-Hump zulässig.
„In der Regel sind wir in der Lage, sämtliche Fahrzeug wieder auf die Räder zu stellen entweder mit der Originalgröße oder entsprechender Umrüstung. Die Standard-Oldtimerreifengrößen sind bei uns sofort ab Lager lieferbar“, so Valentin Schaal weiter. Sicherlich gebe es da oder dort Engpässe, da eine statische Vordisposition wie bei handelsüblichen Pkw-Reifen nicht möglich ist. Folglich sei im Klassik- und Oldtimerreifengeschäft eine umfangreiche Lagerhaltung unumgänglich, „da in der Regel von den Produzenten eine Reifengröße je nach Nachfrage maximal ein Mal pro Jahr aufgelegt wird“.
Die Münchner Oldtimer Reifen GmbH 1984 als Einmannbetrieb gegründet und verfügt heute über zwölf Mitarbeiter. Deren Werkstattausstattung besteht einerseits aus modernsten Maschinen fürs Montieren und Auswuchten, anderseits aus Adaptern und Zentriereinrichtungen, die mehr als 50 Jahre alt sind. Das Unternehmen vermarktet einerseits die Eigenmarken Excelsior, Phoenix, Deka und Peters-Union und andererseits die britischen Marken Dunlop und Waymaster exklusiv in Deutschland und Österreich ebenso wie die US-Marken Firestone, BFGoodrich, Coker, Lester-Universal und Coker. „Seit 2003 haben wir auch den Vertrieb für das Michelin-Klassikreifenprogramm für Deutschland und Österreich übernommen.“
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