BRV beschreibt Geschäftsentwicklung im Reifenfachhandel
Bedingt zufrieden zeigt sich der Reifenfachhandel mit der Entwicklung des Reifenersatzgeschäftes im Geschäftsjahr 2006: Im Produktsegment Pkw-Reifen konnte die verhalten optimistische Prognose von einem Prozent Zuwachs zwar nicht realisiert werden, dafür bertraf der Stückabsatz im Segment Lkw-Reifen den im Frühjahr vergangenen Jahres prognostizierten Zuwachs von 1,9 Prozent um 2,8 Prozentpunkte auf ein Absatzplus von 4,7 Prozent. Das meldet der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV, Bonn) als aktuelles Ergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres. „Es gibt keinen Grund zum Jammern, aber weder das Erreichte noch die Aussichten auf die Entwicklung im laufenden Jahr können zu großem Jubel veranlassen“, so wertet Peter Hülzer, geschäftsführender Vorsitzender des bundesweit tätigen Branchenfachverbandes, die Situation des Reifenfachhandels. Mit 1.600 Mitgliedsunternehmen und insgesamt über 3.000 Verkaufsstellen repräsentiert der BRV rund 80 Prozent der Betriebe in der Branche.
Anders als im Vorjahr resultierten die Wachstumsimpulse im Berichtsjahr hauptsächlich aus dem Absatz von Nutzfahrzeugreifen, der erstmals seit Jahren wieder ein positives Vorzeichen aufweist. In der Produktgruppe Pkw-Reifen stagnierte der Stückzahlabsatz insgesamt; ein nur leichter Zuwachs an verkauften Pkw-Winterreifen konnte lediglich das erwartete Absatzminus im Sommerreifensegment kompensieren.
Im Detail betrachtet entwickelten sich die einzelnen Produktsegmente wie folgt:
1. Pkw-Reifen
Mit 47,4 Millionen vom Handel an Verbraucher gelieferten Pkw-Reifen stagnierte der Mengenabsatz exakt auf dem Niveau des Vorjahres. Wie erwartet wurden dabei im zweiten Jahr in Folge wieder mehr Winter- als Sommerreifen abgesetzt. Mit 24,7 Millionen Winterreifen verkaufte der Reifenfachhandel in 2006 zwar zwei Prozent mehr als in 2005, blieb damit aber um gut zwei Drittel hinter der Prognose (+ 6,2 Prozent) zurück. Der Grund liegt auf der Hand: der viel zu warme Winter ließ den in Folge der StVO-Novelle (Stichwort: geeignete Bereifung) erwarteten Winterreifen-Boom ausbleiben. „Das Sicherheitsbewusstsein der Autofahrer ist offenbar weiter gestiegen, denn bezogen auf den Gesamtbestand an Pkw ist die Umrüstquote auf Winterreifen in der vergangenen Saison erneut um 3,7 Prozentpunkte gestiegen und hat damit den Höchststand von 57,4 Prozent erreicht. Und das trotz der überwiegend gar nicht winterlichen Klimaverhältnisse. Wahrscheinlich haben wir es größtenteils der StVO-Novelle zu verdanken, dass wir dank dem leichten Plus bei Winterreifen im Segment Pkw überhaupt mit einem blauen Auge davon gekommen sind“, analysiert BRV-Chef Hülzer.
Der Absatz im Segment Pkw-Sommerreifen sank im Schnitt um 2,2 Prozent, einen deutlichen Zuwachs um 100.000 Stück konnte hier lediglich die Produktgruppe Run flat-Reifen erreichen. Deren rasante Zuwachsquote von knapp 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahr relativiert sich allerdings stark dadurch, dass diese Produktgruppe lediglich einen Anteil von rund einem Prozent im Segment Pkw-Reifen hat.
Der Rückgang im Sommerreifen-Absatz insgesamt fiel übrigens weit schwächer aus als der Verband mit minus 4,3 Prozent im vergangenen Frühjahr prognostiziert hatte. BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler führt auch das auf positive Impulse aus der StVO-Novelle zurück. Das mag auf den ersten Blick verwundern, ist aber schnell erklärt: „Statistisch gesehen werden Ganzjahresreifen zu den Sommerreifen gerechnet, obwohl sie die M+S-Kennung tragen und damit de facto als akzeptable Alternative zu reinen Winterreifen gesehen werden – von Verbrauchern, aber auch im Sinne der Forderung nach ‚geeigneter Bereifung‘“, so präzisiert Drechsler. Und die Nachfrage nach dieser Produktgruppe ist in Folge der StVO-Novelle tendenziell gestiegen.
Die aktuelle Distributionalyse zeigt, dass der Vertriebskanal der freien und markengebundenen Kfz-Werkst*tten in 2006 im Ersatzgeschäft mit Pkw-Reifen seinen Anteil zu Lasten der Reifenspezialisten um einen Prozentpunkt auf 29 Prozent steigern konnte. Der Grund hierfür wird hauptsächlich darin gesehen, dass die Betriebe des Kfz-Gewerbes wegen rückläufiger Tendenzen in ihrem Kerngeschäft Reparatur und Wartung besonders im vergangenen Jahr das Reifengeschäft als zusätzlichen Umsatzbringer forciert haben. Hinzu kam, dass das Umrüstgeschäft auf Winterreifen in der vergangenen Saison quasi in nur den drei bis vier Wochen stattfand, in denen sich der Winter kurzfristig tatsächlich einmal gezeigt hatte. In dieser Zeit war dann aber die Nachfrage so groß, dass es im Reifenfachhandel zu Kapazitätsengpässen kam und die Kunden zu anderen Anbietern abwanderten. Drechsler: „Winterreifenkäufer sind ungeduldige Kunden. Sie wollen nicht warten, sondern gehen dahin, wo sie ihren Wunsch nach Umbereifung am schnellsten erfüllt bekommen.“
Der Reifenfachhandel besetzt aber mit nunmehr 55 Prozent Distributionsanteil immer noch die Schlüsselposition im Absatz Handel an Verbraucher und hat mit dem leichten Minus von einem Prozent zum Vorjahr nur punktuell Marktanteile abgeben müssen. „In der Spitze lag das Verhältnis zwischen Reifenhandel und Kfz-Gewerbe im Jahr 2002 schon einmal bei 54 zu 33 Prozent“, so relativiert BRV-Geschäftsführer Drechsler die Entwicklung des vergangenen Jahres.
2. Nutzfahrzeugreifen
Wesentlich positiver als im Segment Pkw-Reifen sind die Absatzergebnisse des Geschäftsjahres 2006 im Produktbereich Nutzfahrzeugreifen. Erstmals seit Jahren lag der Absatz von Lkw-Reifen mit einem deutlichen Zuwachs von 4,7 Prozent wieder im Plus, dabei wurden 1,99 Millionen Neureifen (+ 4,7 Prozent) und 1,36 Millionen Runderneuerte (+ 4,6 Prozent) verkauft. Erfreulich auch die Entwicklung im Reifenersatzgeschäft für Leicht-Lkws (Llkw): mit 2,84 Millionen Neu- und 0,05 Millionen runderneuerten Reifen wurde ein Absatzplus von insgesamt 4,0 Prozent erreicht.
Die höchste Zuwachsrate im Segment Nutzfahrzeugreifen erzielte 2006 der Absatz von Reifen für Erdbewegungsmaschinen. In dieser Produktgruppe der so genannten EM-Reifen wurden gut 27.000 Neureifen und 11.600 Runderneuerte verkauft – das entspricht jeweils sowie im Gesamtdurchschnitt einem Plus von 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Nach langer Durststrecke ist jetzt endlich auch im Nutzfahrzeugreifensegment der Turnaround geschafft“, freut sich Verbandschef Peter Hülzer. Impulsgeber hierfür sind vor allem der deutliche Aufschwung in der Baukonjunktur 2006 und der Boom an Lkw-Neuzulassungen der Vorjahre, die nun mit entsprechender zeitlicher Verzögerung zu steigender Nachfrage im Lkw-Reifenersatzgeschäft geführt haben.
Fazit 2006, Prognose 2007
„Unter den gegebenen Marktbedingungen kann die Branche mit den Ergebnissen des Geschäftsjahres 2006 wohl insgesamt zufrieden sein – soweit man dies angesichts der Stagnation in einem der beiden Haupt-Produktsegmente, der Produktgruppe Pkw-Reifen, überhaupt so positiv formulieren kann“, resümiert BRV-Vorsitzender Hülzer. Fakt ist, dass die Reifenhandelsbranche in diesem Segment um einen Bestandsaufbau von 3,4 Millionen Stück Winterreifen nicht herum kam und sich der Handel daraus resultierend nun sowohl mit Liquiditäts- als auch mit Logistikproblemen (wohin mit den Winterreifen, um Platz für die Sommerware zu schaffen?) konfrontiert sieht. Kein optimaler Start in das Geschäftsjahr 2007, zumal alle Vorzeichen eher für bestenfalls moderate Zuwachspotenziale als für einen Absatzboom sprechen. Im Segment Pkw ist der in 2006 auf hohem Niveau nahezu stagnierende Fahrzeugbestand – das Kraftfahrt-Bundesamt weist ein nur leichtes Plus von einem Prozent im Vergleich zu 2005 aus, die Tendenz in diesem Jahr ist eher negativ – ein deutliches Indiz für einen stagnierenden Markt im Reifenersatzgeschäft. Hinzu kommt, dass laut Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT) die jährliche Fahrleistung aller Pkw und Kombi im Jahr 2006 gegenüber den beiden Vorjahren (Durchschnitt jeweils 16.500 km) um rund acht Prozent auf durchschnittlich 15.190 km gesunken ist. Steigende Autokosten – vor allem für Kraftstoffe und Versicherungsbeiträge – führen dazu, dass die Bundesbürger ihre persönliche Mobilität spürbar eingeschränkt haben. Auch hier ist keine Umkehr, sondern eher eine Verschärfung der Entwicklung zu erwarten, zumal die aktuelle Klimadiskussion einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor in die Prognose bringt. Selbst ein strenger Winter 2007/2008 kann nur noch begrenzte Zuwächse im M+S-Reifensegment – dem Wachstumsträger der vergangenen Jahre bei Pkw-Reifen – bringen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Umrüstquote im Bundesdurchschnitt bereits bei fast 60 Prozent liegt. BRV-Geschäftsführer Drechsler: „Das bedeutet, dass der Anteil der mit Winterreifen ausgerüsteten Pkws in den traditionell stärker von winterlichen Wetterbedingungen betroffenen Regionen Deutschlands wesentlich höher liegt und die Sättigungsgrenze nahezu erreicht haben dürfte. Lediglich Händler in den Regionen, in denen die Umrüstquote noch deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts ist, können mit nennenswerten Zuwächsen in dieser Produktgruppe rechnen.“
Wachstumsimpulse erhofft der Verband für die Branche insbesondere im Segment Nutzfahrzeugreifen aus einer weiterhin positiven Entwicklung im Bau- und Transportgewerbe.
Konkret prognostiziert der BRV für das Geschäftsjahr 2007 eher moderate Zuwächse der Absatzzahlen von einem Prozent im Ersatzgeschäft mit Pkw-, 2,1 Prozent bei Llkw- und 3,6 Prozent bei Lkw-Reifen. Für EM-Reifen wird ein Zuwachspotenzial von 5 Prozent erwartet, Motorradreifen – in 2006 noch um knapp vier Prozent rückläufig – werden tendenziell auf dem erreichten Absatzniveau von 1,2 Millionen Stück stagnieren, ebenso AS-Triebrad-Reifen, die in 2006 mit knapp 90.000 verkauften Einheiten ein Absatzminus von 6,6 Prozent verbuchten. Damit sind die Aussichten eher verhalten optimitisch, orientieren sich aber – so betont BRV-Chef Hülzer – „strikt an einer von Realismus geprägten Betrachtung, die die aktuell beobachteten Einflussfaktoren und ihre voraussichtliche Entwicklung in eine mittelfristige Prognose der Branchensituation extrapoliert.“
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