Alles bleibt anders
Nun habe er die Marke Fulda das zweite Mal in seiner Karriere völlig auf den Kopf gestellt, sagt der Geschäftsführer der Fulda Reifen GmbH & Co. KG Michael K. Kuhn am Rande der diesjährigen und mittlerweile 24. Händlertagung in Dresden im März. Das Bestreben um Neuerungen im Tagungsprozedere war schon zu spüren und keineswegs nur „Kosmetik“. So mancher Baustein war auch tatsächlich völlig anders gestaltet als bei den vorherigen und schon traditionellen Händlertagungen. Aber einen radikalen Umbruch gab es freilich nicht, denn vieles ist ja gut und bewährt und wird von den Fulda-Partnern gerne angenommen. Vielmehr zeigen Kuhn und sein gegenüber den letzten Jahren teilweise neu aufgestelltes (und verjüngtes) Team Kontinuität einerseits, aber dokumentieren andererseits auch eindrücklich ihre Zukunftsorientierung, wie das Motto der Veranstaltung im Elbflorenz „Perspektiven. Veränderungen. Chancen.“ verheißt.
Ein Aspekt: Man verzichtet darauf, auch noch die letzte Nuance des deutschen Reifenmarktes zu beleuchten, durch das breite Fulda-Sortiment zu hetzen und auch die noch so pfiffigen oder wertvollen Merchandisingartikel bis ins letzte Detail zu präsentieren – getreu dem Motto „weniger ist mehr“. Kuhn hat seine Rolle gefunden, Fuldas im September 2006 zur Marketingleiterin beförderte Kerstin Völck führte souverän durchs Programm, und Verkaufsleiter Markus Schultheis kann zufrieden auf ein innerhalb der letzten zwei Jahre rundum erneuertes Pkw-Sommerreifensortiment mit dem aktuellen Neuling EcoControl blicken, sieht sich Fulda doch damit produktseitig „auf der Höhe der Zeit“. Dass sich das Tagungsthema „Die Neue Mitte“ als Glücksgriff erweisen sollte, weil es einerseits zur Marke Fulda passt und andererseits die Tagungsteilnehmer mitgenommen werden konnten zu einer überraschend lebhaften Diskussion, sei nicht unerwähnt.
Die deutsche Marke im Mittelpreissegment
Fulda gilt im deutschen Reifenfachhandel als typischer Vertreter des Mittelpreissegmentes. Das ist so neu nun wirklich nicht. Aber dennoch sei der Hinweis erlaubt, dass es einerseits Marken in den letzten zwei Jahrzehnten gab, die von oben aus dem Premiumsegment kamen und sich – zumindest in einigen Segmenten – auf Fulda-Niveau wiederfanden. Es gab und gibt allerdings auch Marken, die von unten aus dem Budget- oder Economy-Bereich kommen und die gute alte deutsche Marke Fulda angreifen. Das Mittelpreissegment ist das wohl wettbewerbsintensivste des Marktes überhaupt.
Hatte man sich noch in den 90er Jahren mit Begriffen wie „Verlust-der-Mitte-Phänomen“ anfreunden müssen, so spricht man heute von der „Neuen Mitte“ mit seit etwa zwei Jahren wieder aufblähendem Bauch. Der in der Reifenbranche von zahlreichen Vorträgen hinlänglich bekannte Saarbrücker Professor Dr. Joachim Zentes (Institut für Handel und Internationales Marketing an der Universität Saarbrücken) nennt dies etwas freundlicher die „neue Rundlichkeit“). Wobei darauf hinzuweisen ist, dass Verlust der Mitte ja nie bedeutet hat, dieses Segment würde verschwinden. Vielmehr musste es zwischen den beiden Trends hin zu Premium einerseits und hin zu Budget andererseits Federn lassen. Heute will so mancher Verbraucher gerne eine gute Marke zu einem annehmbaren Preis. Und die „Geiz ist geil“-Mentalität der partout nach dem günstigsten Schnäppchen lechzenden Konsumenten ebbt auch ab – so jedenfalls die Trendforscher. Fulda ist inmitten des Marktsegmentes, in dem „die Post abgeht“.
Wer heute sagt, man bevorzuge eine deutsche Marke, gerät nicht mehr in Chauvinismusverdacht. Fulda hat seine Marktpositionierung im deutschen Reifenhandel in den letzten gut zwei Jahrzehnten gehalten und galt den Händlern als ideales Produkt zwischen den großen Premiummarken und den allzu leicht austauschbaren Vertretern des preisaggressiven Segmentes, in dem schon die Verwendung des Begriffes „Marke“ schwer fällt. Fulda ist grundsolide, das Produkt bereitet keine Probleme, und Fulda besitzt – das ist ein Phänomen – eine ganz erstaunliche Bekanntheit beim Verbraucher nur ganz unwesentlich unter den großen Premiummarken. Und das alles, obwohl Fulda seit vielen Jahren – auch aus Budgetgründen – auf die Bausteine der klassischen Werbung verzichten muss. Zu verdanken ist das einem Fulda-Marketing, das entweder spektakulär war oder wenigstens so ausgesehen hat. Trotz alledem ist es immer gelungen, den Markenwert „Verlässlichkeit“, der nur auf den ersten Blick unvereinbar mit vielen Showeffekten erscheint, zu pflegen.
Fulda steht dort im Reifenmarkt, wo das größte Volumen bewegt wird. Die Marke ist aber nicht nur „Volumenbringer“ für den großen Goodyear-Konzern, zu dem sie gehört. Sie soll auch das Bollwerk nach unten sein vor allem gegen neue und in die Mitte drängende Spieler (so aus Korea). Die Marke Fulda steht nicht nur im Markt in der Mitte, sondern auch im Konzern unterhalb der Premiummarken Goodyear und Dunlop und oberhalb von Sava und Debica sowie Pneumant.
Ohne eine allzeit gewährleistete Qualität würde auch eine gute Marke mit der Zeit verfallen, erinnert Kuhn daran, dass Markenpflege nicht alles ist. Gerade in jüngerer Zeit beweisen diverse Testergebnisse, dass Fulda durchaus vom technologischen Konzern-Know-how profitieren kann. Eine Marke Fulda wird es in der Summe aller Kriterien bei diesen Reifentests nur schwerlich auf den obersten Podestplatz schaffen, wohl aber in einzelnen Disziplinen wie Laufleistung, die zur Marke passen. Aber es ist auch kaum zu befürchten, dass eine Marke Fulda bei einem Reifentest ein Fiasko erlebt, auch in diesem Bereich wird sie traditionell einen Mittelfeldplatz einnehmen, bevorzugt freilich im oberen Mittelfeld.
Nicht alles, war bei Fulda neu ist, bekommt der Außenstehende oder auch der Tagungsteilnehmer zu Gesichte oder mit. Man habe Prozesse und Kosten optimiert, erklärt Michael Kuhn und meint damit, was in der Branche allseits bekannt ist: Aus dem Vollen schöpfen können er und seine Mannschaft nicht, „Wohltaten“ sind nicht zu verteilen. Kuhn wirbt um Vertrauen für das (intern neu aufgestellte) Team und persönlich für die Preisgestaltung im Markt, für die er gerade stehe und auf die er auch stolz sei. Denn: „Preispolitik ist in hohem Maße Vertrauenssache.“ Die Konzentration auf wenige große Händler im Markt, die es gegeben haben mag, sei zurückgefahren worden. Kuhns Ziel: „Wir wollen eine verlässliche und offene Marke sein.“
Die Produktoffensive hat schon stattgefunden
Mit Carat Exelero und 4×4 Road in 2005 sowie Carat Progresso, Kristall 4×4 und Montero 2 in 2006 hat Fulda Reifen das Pkw-Programm in den letzten beiden Jahren intensiv renoviert und rundet das jetzt mit dem Standardreifen EcoControl ab. Damit sei man „auf der Höhe der Zeit“, so Verkaufsleiter Markus Schultheis und erinnert an einen erfolgreichen Werbeslogan aus einer anderen Branche, den er für Fulda abwandelt: „mein Haus – mein Auto – mein Reifen“.
Natürlich – so etwas darf bei Reifenpräsentationen ja nie fehlen – wird der neue Reifen im Wettbewerbsvergleich beurteilt und es ist keine derartige Produkteinordnung bekannt, in der der eigene Reifen im Hintertreffen sei. Und so ist es auch hier – mit einem Unterschied: Schultheis vergleicht den EcoControl und dessen Leistungsvermögen nicht mit den Wettbewerbern im Premiumsegment, wo es schwer fällt und nicht unbedingt glaubwürdig wirkt, wenn das eigene Produkt alle anderen in den Schatten stellt. Er vergleicht den EcoControl auch nicht mit Vertretern des Budgetsegmentes, von denen man vielleicht ohnehin nicht die beste Performance erwarten kann. Er vergleicht den EcoControl mit anderen Spielern im mittleren Segment und gewinnt damit einen Bonuspunkt in Sachen Glaubwürdigkeit. Dass der EcoControl in diesem Segment gut aufgestellt ist, liegt natürlich auch daran, dass er ein völlig neues Produkt ist und über technische Features verfügt, die Wettbewerber bei einem vielleicht schon in die Jahre kommenden Produkt nicht haben können.
So etwa 4,5 Millionen Reifen der Marke Fulda werden in Deutschland verkauft, so Kuhn. Eine neuere Untersuchung der ABH Marketingservice GmbH (Köln) hat sich mit dem Winterreifensegment beschäftigt und ergeben, dass acht Prozent der sommers auf unseren Straßen rollenden Pkw-Reifen Winterreifen und sechs Prozent Ganzjahresreifen sind, dass 13 Prozent der Sommerreifen und 17 Prozent der Winterreifen gebraucht gekauft worden sind. Vor allem: Fulda kann detailliert ermitteln, welches Potenzial in jedem lokalen deutschen Markt vorhanden ist und sieht in diesem Baustein ein geradezu ideales Instrument, um dem Handel ganz konkret bei der Bedarfsplanung zu helfen. Ganz besonders bietet sich dabei übrigens gerade dies Wintersegment an, denn die Erhebungen haben auch ergeben, dass in der abgelaufenen Saison überwiegend die Reifen des Premium- und des Budgetsegmentes liegen geblieben sind, die Produkte des mittleren Segmentes aber kaum zum Lageraufbau beim Handel beigetragen haben. Will sagen: Die Chancen für die Marke Fulda stehen auch in 2007 bestens.
Dabei ist die Marke keineswegs nur auf das Pkw-Geschäft fokussiert, sondern gilt in Segmenten wie den leichten Lkw-Reifen und im Landwirtschaftsbereich sogar als einer der marktführenden Anbieter. Im Lkw-Geschäft (siehe Schaubild) ist Fulda sogar vor der traditionsreichen Lkw-Marke Dunlop aus dem eigenen Konzern positioniert.
Die „Neue Mitte“
Kerstin Völck nennt die drei Säulen, auf denen die Marktbedeutung Fuldas fußt: Qualität, Sicherheit und nicht zuletzt ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Dass eine ganze Menge Budgetreifen verkauft werden muss, um die gleiche Marge wie mit einem höherwertig positionierten Produkt zu erzielen, bringt Lothar Kerscher, Reifenhändler und in seiner Funktion als Verbandsehrenamtsträger auch Mitglied in einer Symposiumsrunde auf der Händlertagung, ein. Die akademische Diskussionsrunde um gesellschaftliche Trends wie die „Neue Mitte“ ist zwar ganz nett, aber davon wird noch kein Reifen mehr verkauft. Aber: Es gilt, die „richtigen Reifen“ zu verkaufen, Reifen die qualitativ untadelig sind, die dem Verbraucher Sicherheit geben – und an denen der Reifenhändler etwas verdienen kann. Wer nur über den Preis verkauft, spielt ein riskantes Spiel. Und – vielleicht lässt sich auch diese Botschaft aus Dresden mitnehmen: ein völlig unnötiges. Denn die Verbraucher sind wieder stärker als in den letzten Jahren bereit, etwas tiefer in die Taschen zu greifen. Sie bedienen sich bevorzugt bei Produkten aus dem Mittelpreissegment. Fulda liegt – wenn man so will – derzeit voll im Trend.
Und so diskutieren denn unter der Leitung des erfahrenen Moderators Lars Brandau der Professor Joachim Zentes, Marketingspezialist und Motivator Alexander Christiani, ADAC-Chefredakteur Michael Ramstetter, Bernhard Taubenberger (Unternehmenssprecher bei der erfolgreichen Handelsmarke Media-Saturn) und Lothar Kerscher, was viele Reifenhändler längst wissen und die professionellen von ihnen auch aktiv praktizieren: die Produkte zu verkaufen, bei denen etwas „hängen bleibt“ und bei denen man sicher sein kann, dass der Kunde nicht wiederkommt, weil er unzufrieden ist, sondern weil er sich fair behandelt fühlt. Dass das Verbraucherverhalten einen übergeordneten gesellschaftlichen Trend widerspiegelt, der einer Marke wie Fulda zugute kommt, ist für die Verantwortlichen des Reifenherstellers um so besser. Für Zentes und die Marketinggurus neu ist die Erfahrung, dass nicht nur Premiummarken und solche aus dem Budgetbereich das Zeug zu „Power Brands“ haben, sondern auch Marken aus dem mittleren Segment. Viele Händler sind nie auf den Gedanken gekommen, Fulda könne „eine vor sich hin schlummernde Marke“ sein, sondern steht auch für einen Begriff wie „Livestyle“ und hat das Potenzial einer attraktiven und modernen Marke – auch ohne Erstausrüstungsengagement (im Pkw-Bereich) oder als Sport- bzw. gar Formel-1-Marke.
„Neuer Wein in alten Schläuchen“? Gewiss, wenn man sieht, dass Fulda schon über viele Jahre ein Marke der Mitte ist. Früher war das Umfeld für die Marke vielleicht schlechter als heute, wo die Chancen bei dieser Positionierung mit den Trends in der Bevölkerung trefflich korrespondieren. Insofern können auch Reifenhändler einer akademischen Diskussion über die „Neue Mitte“ vielleicht nicht so dramatisch viel abgewinnen. Wenn denn also ein Trend, vielleicht sogar ein „Megatrend“ hin zu dieser Mitte festzustellen ist und dies perfekt zur Fulda-Positionierung passt, dann ist das fein, aber erscheint kaum einem als revolutionäre Erkenntnis. Reifenhändler haben den Vorteil des „gefühlten Marktes“ aus ihrer täglichen Arbeit.
Etwas zum Mitnehmen
Die Gäste der Tagung sollten „etwas mitnehmen können“, verriet Michael Kuhn gleich zu Beginn der Veranstaltung sein heimliches Untermotto „Impulse, Anregungen, Ideen“. Wer darunter nicht nur das – bei der Stadt Dresden naheliegende – Rahmenprogramm begreift und sich von den Beiträgen der Referenten inspirieren lässt, ohne dabei deren Äußerungen unbedingt zu adaptieren, der konnte Nützliches für sein Tagesgeschäft mitnehmen. Und wenn damit gemeint ist, das jeweilige Markenportfolio selbstkritisch zu hinterfragen, um so besser. Wo Fulda sich sieht und viele Händlerkollegen Fulda auch sehen ist offenkundig: in der Mitte, mag man sie neu nennen oder nicht.
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