Michelin Deutschland: Vom Vertrieb zum Entwicklungspartner
Als erster deutscher Hersteller setzte die Luxusmarke Maybach in den 1930er Jahren bei seinem Spitzenmodell „Zeppelin“ ausschließlich auf Michelin-Pneus und die -Felgen „Bibendum“. Das Unternehmen mit Zentrale in Frankreich und starker Dependance in Karlsruhe ist heute bei vielen namhaften Nutzfahrzeug- und Pkw-Herstellern in Deutschland ein gefragter Erstausrüstungspartner.
Ausschließlich auf Michelin: der NSU Ro 80
Den Einstieg in die Erstausrüstung mit größeren Stückzahlen ebnete im Pkw-Bereich NSU. Der Automobilhersteller aus Neckarsulm stattete bereits einige Exportfahrzeuge für Frankreich mit Michelin-Reifen aus. Die hohe Laufleistung und die Qualität der Pneus waren schließlich so überzeugend, dass der neue Ro 80 als erstes deutsches Serienfahrzeug 1967 ausschließlich auf Michelins XAS-Reifen der Dimension 175-14 vom Band lief. Das über 180 km/h schnelle Fahrzeug war seiner Zeit weit voraus und beeinflusste die Automobilindustrie nachhaltig. 1971 verkaufte Michelin an NSU bereits 246.000 Reifen.
Auch Volkswagen hatte die Qualität der Michelin-Pneus erkannt und orderte im gleichen Jahr bereits 810.000 Reifen. Bei Daimler-Benz, Ford und Opel öffnete der Autokäufer die Tür zur Erstausrüstung: Die meisten Taxiunternehmen bestellten ihre Fahrzeuge mit den langlebigen X-Stopp-Reifen – die hielten vier- bis fünfmal länger als die Produkte der Wettbewerber.
Kässbohrer Setra S8 als Pionier
Der schwäbische Anhänger- und Bushersteller Kässbohrer war der erste deutsche Erstausrüstungskunde von Michelin im Nutzfahrzeugbereich. Der 1951 präsentierte Reisebus „Setra S8“ rollte ab Werk ausschließlich auf Michelin-Reifen. Die Qualität der Pneus und die lange Laufleistung sprachen sich in der Branche schnell herum – das Erstausrüstungsgeschäft für Busse, Lkw und Anhänger entwickelte sich zum Selbstläufer. Namhafte deutsche Hersteller wie Daimler-Benz, Krupp, Hanomag, Henschel, Faun, Magirus-Deutz oder MAN bestückten ihre Fahrzeuge nach und nach ab Werk mit Michelin-Reifen.
Marktführer für Landmaschinen- und Baufahrzeugreifen
In den 1960er Jahren beschränkte sich Michelin in dem heutigen Segment „Landmaschinentechnik, Erdbewegungs- und Baumaschinen“ erst auf Bagger und Mobilkräne. 1968 revolutionierte das Unternehmen mit der Einführung der Radialreifentechnik auch für Ackerschlepper und Baufahrzeuge dann den Markt. Die Pneus ermöglichen bis heute wesentlich größere Lasten und höhere Geschwindigkeiten. Die Ölkrise Mitte der 1970er Jahre verhalf den Radialreifen – im Agrarsegment auch mit der zweiten hauseigenen Marke Kleber – endgültig zum Durchbruch, denn die Pneus sinken in weichen Böden weniger ein und helfen so, den Kraftstoffverbrauch deutlich zu reduzieren. Mit Kunden wie Liebherr, Kaelble, Fendt, Faun, Deutz oder Wabco schaffte es Michelin zum Top-Zulieferer für Bau- und Landmaschinenhersteller – bis zum heutigen Tag ist das Unternehmen Marktführer für Ackerschlepperreifen.
Der Status quo
Von Karlsruhe aus steuert der Reifenhersteller das weltweite Erstausrüstergeschäft der deutschen Fahrzeughersteller mit BMW, DaimlerChrysler, Porsche sowie dem Volkswagen-Konzern mit den fünf Marken VW, Audi, Seat, Škoda und Bugatti. Auf europäischer Ebene koordiniert Michelin in Karlsruhe die Beziehungen zu Ford, General Motors, Hyundai und Kia. Insgesamt wurde in den letzten Jahren europaweit etwa jedes vierte Fahrzeug in der Erstausrüstung mit Reifen von Michelin produziert.
Speziell abgestimmte Reifen für jedes Modell
Die Reifen aus der Erstausrüstung sind maßgeschneidert und in jahrelanger gemeinsamer Entwicklungsarbeit speziell auf jedes Fahrzeugmodell abgestimmt. Dabei arbeiten die Partner vom ersten Konzept bis zum fertigen Fahrzeug eng zusammen. Michelin verbindet beispielsweise mit dem Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche eine fast 40-jährige Zusammenarbeit. Heute hat Michelin mit dem Ultra-High-Performance-Pneu Pilot Sport PS2 als einziger Reifenhersteller weltweit sämtliche Freigaben für alle Porsche-Sportwagen – vom Boxster bis zum rennsporttauglichen 911 GT3 RS.
Auch bei Mercedes-Benz ist Michelin in die Reifenentwicklung sämtlicher Modelle eingebunden – ein Prozess, der oft schon drei bis vier Jahre vor der Serienproduktion beginnt. Ihren letzten Schliff erhalten die Pneus bei Tests mit getarnten Prototypen, um Fahrwerk und Reifen perfekt aufeinander abzustimmen. Über ein Drittel aller Mercedes-Benz-Personenwagen wurden in den letzten Jahren mit Michelin-Reifen ausgerüstet: Das Spektrum reicht von der A-Klasse über den 612 PS starken Supersportwagen SLR McLaren bis hin zu den Highend-Limousinen von Maybach.
Auch die Nutzfahrzeughersteller setzen auf Michelin-Reifen
Das Erstausrüstungsgeschäft mit den deutschen Nutzfahrzeugherstellern und mit namhaften Produzenten von Land- und Baumaschinen koordiniert Michelin ebenfalls von Karlsruhe aus. Insgesamt beschäftigt Michelin in Karlsruhe aktuell mehr als 50 Mitarbeiter in der Erstausrüstung. Neben der Koordination der Reifenentwicklung stellen sie die tägliche Belieferung von 66 Kundenwerken in ganz Europa mit insgesamt 344 Reifenspezifikationen sicher.
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