Nutzfahrzeug-Räder auf der Nutzfahrzeug-IAA
Unter den Zulieferern für Nutzfahrzeuge sind die Räderhersteller quantitativ eine Randgruppe. Das liegt einerseits daran, dass in dieser speziellen Nische in den letzten Jahren ein starker Konsolidierungsprozess stattgefunden hat, so dass gar nicht mehr so viele übrig geblieben sind bzw. sich andererseits in einer Größenordnung bei Lkw-Rädern (hier zum Beispiel Borbet), dass sich eine Teilnahme auch bei freundlichster Rechnung kaum rentiert. Und es ist auch immer einer dabei, der sagt, er gehe aus irgendwelchen Gründen nicht auf die Messe, so in diesem Falle die Firma Speedline, mit jährlich etwa 130.000 Lkw-Aluminiumgussrädern im Niederdruckverfahren (von 16 bis 22,5 Zoll) sogar einer der ganz Großen. Obendrein hätte Speedline auch noch eine Botschaft für die Klientel im Köcher gehabt: Inzwischen ist das Unternehmen mit einer Lkw-Räderfabrik im norditalienischen Bozen in der Lage, auch bei Lkw-Rädern das so genannte Flow-forming einzusetzen und damit einen Gewichtsvorteil zu realisieren, der ziemlich einmalig für Gussräder sein dürfte. Also sind von der Räderindustrie der Marktführer bei Aluminiumschmiederädern Alcoa, die in völlig neue Dimensionen gewachsene mefro-Gruppe und der klare Weltmarktführer bezogen auf Volumina Hayes Lemmerz in den Messehallen.
Und so wie mit Speedline einer der marktrelevanten europäischen Räderhersteller fehlt, nimmt – im Gegensatz zu vor zwei Jahren – auch die Goodyear-Dunlop-Gruppe nicht teil und überlässt das Feld den drei direkten großen Wettbewerbern Bridgestone, Continental und Michelin sowie dem eher kleineren im Bereich Lkw Yokohama. Natürlich sind auch Randbereiche, die zum Rädergeschäft gehören, vertreten: so eine Firma Wabco (Reifendruck-Kontrollsystem für Lkw) oder eine Firma RUD (Ketten). Und auch Spezialisten aus den Werkstätten werden abseits der gigantischen Trucks, Busse und sonstigen Nutzfahrzeuge ausstellen: Genannt seien beispielhaft BlitzRotary, Herkules Hebetechnik, MAHA oder Tip Top Automotive.
Räder aus Stahl oder Aluminium?
So wie bei Pkw auch, stellt sich bei Nutzfahrzeugen erst einmal die Frage nach dem Material der Räder. Da es um Kunststoff – dereinst bei einem holländischen Anbieter in der Entwicklung – inzwischen ganz ruhig ist, reduziert sich das Angebot auf die beiden Materialien Stahl und Aluminium. Mit etwa sechs Millionen Nutzfahrzeug-Stahlrädern, die in 2006 gefertigt werden, ist Hayes Lemmerz klar die Nummer Eins. Mit insgesamt fünf Stahlradwerken für Lkw ist das Unternehmen nicht nur bezogen auf die Kundenstruktur gut aufgestellt, sondern auch geographisch gut diversifiziert (in Klammern jeweils die aktuelle Kapazität, tatsächlich produziert wurde etwas weniger): Königswinter/Deutschland (1,6 Millionen Einheiten), Manisa/Türkei (1,5 Millionen Einheiten), Akron/USA (1,4 Millionen Einheiten), Guarulhos/Brasilien (1,2 Millionen Einheiten) und Pune (0,6 Mio. Einheiten). Außerdem stellt Hayes Lemmerz in Ostrau/Tschechien noch jährlich rund eine halbe Million Räder für Gabelstapler und ähnliche Geräte her.
Man wolle auf der Nutzfahrzeug-IAA hauptsächlich zeigen, welch eine Größe und Kompetenz das Unternehmen Hayes Lemmerz repräsentiert, sagt auf telefonische Nachfrage Pieter Klinkers, Vice President Verkauf und Marketing der „Global Wheel Group“, dem Herzstück des Konzerns. Bis 24,5 Zoll, die immer stärker nachgefragten Supersingles – Hayes Lemmerz lässt auch Nischen nicht aus, aber aktuell geht das Bestreben dahin, die Marktnachfrage angemessen zu befriedigen. Und da hat Hayes Lemmerz vielleicht auch ein wenig Glück gehabt, meint Klinkers. Allgemein war nämlich erwartet worden, dass der Lkw- und damit auch der Lkw-Rädermarkt in 2006 eher schrumpfen würde, tatsächlich aber steht er in voller Blüte und korrespondiert damit prächtig mit den Expansionsprojekten, von denen aktuell jenes in Indien herausragt: Am Standort Pune (ca. 200 Kilometer südlich von Mumbai) fertigt Hayes Lemmerz Lkw-Stahlräder und baut diese Produktionskapazitäten jetzt signifikant aus. Jointventure-Partner bei dieser Fabrik ist die Kalyani-Gruppe, einer der größten indischen Lieferanten von Automotive-Komponenten (vor allem Gussteile), Hayes Lemmerz hält 85, Kalyani 15 Prozent. In direkter Nachbarschaft des bestehenden Werkes Kalyani Lemmerz Ltd. entstehen neue Anlagen, die die aktuelle Kapazität von 600.000 Rädern jährlich auf 850.000 erhöhen und gegebenenfalls Erweiterungen auf eine Million Einheiten zulassen. Die Kundenstruktur setzt sich aus lokalem Bedarf und Export zusammen, womit überwiegend Länder in der Region gemeint sind (Korea, Taiwan, Hongkong, Malaysia usw.), aber auch Exporte nach Europa wie für z.B. DaimlerChrysler, Iveco und den deutschen Anhängermarkt. Die neuen Anlagen sollen im Dezember eingeweiht werden.
Der weltgrößte Räderhersteller Hayes Lemmerz (über alle Segmente ca. 60 Millionen Einheiten jährlich) erweitert sein Produktspektrum auch um Lkw-Räder aus Aluminium. Hergestellt werden die Räder mit dem Produktnamen „CentruStyle“, die über die bestehende Verkaufsmannschaft sowohl in die Erstausrüstung wie an Flotten und in den Ersatzmarkt vermarktet werden sollen, bei der Aluwheel W.L.L. in Manama (Bahrain) im Niederdruck-Kokillenguss. Die Produzenten nutzen dabei Equipment, das sie vom vormaligen Eigner Tunaverken (Schweden), der Anfang des Jahres Konkurs angemeldet hatte, übernommen haben. Hayes Lemmerz und der Partner in Bahrain beginnen mit der Größe 8.25×22.5 und wollen den Produktionsumfang je nach Kundeninteresse sukzessive steigern. Man habe bei diesem Projekt überhaupt keinen Mengendruck, sagte Marc Hendrickx, bei Hayes Lemmerz Vice President Aluminumfelgen aus Anlass der Einweihung eines neuen Werkes vor einigen Wochen in der Türkei. Dass das Projekt realisiert wird und die Produktion sogar bereits gestartet ist, erzählt Klinkers: Die Räder sollen in Nordamerika und Europa vermarktet werden, noch unklar ist allerdings, wie man die Kooperation genau aussehen lässt, ob ein Jointventure gegründet wird mit den Bahrainis um Vice Chairman Hamid Rashid Al Zayani und Geschäftsführer Jassim S. Al Shaikh: Abschließende Verhandlungen zu diesem Thema wird es auf der IAA geben, wenn sich das Management von Hayes Lemmerz um COO und Präsident Fred Bentley mit dem Management aus Manama, der Hauptstadt Bahrains, trifft.
Ob eines Tages auch die Frage „Stahl oder Aluminium?“ auch auf die mefro-Gruppe zukommen mag, wird das Management um die Gesellschafter Fischbacher wohl im Moment nicht auf der Tagesordnung haben. Denn aktuell geht es darum, mal wieder ein Unternehmen zu integrieren: Nachdem die mefro-Gruppe (MEtallwarenfabrik Fischbacher ROhrdorf) 1991 das VEB Räderwerk Ronneburg (unter anderem ehemals Exklusivausrüster für den Trabant und den Wartburg) übernommen hatte, das nach der Wiedervereinigung eine neue Heimat gesucht hatte, konnte im Jahre 2000 die damals insolvente Südrad eingegliedert werden und folgte zum 1. Januar 2005 die Übernahme der Räderaktivitäten der Firma Michelin. Und letztere beinhaltete ein Paket, in dem gleich drei Reifenwerke enthalten sind: eine Fabrik in Troyes/Frankreich, eine in Bilecik/Türkei (bekannt unter dem Namen Tekersan) und eine in Solingen – das traditionsreiche Räderwerk der ehemaligen Firma Mannesmann. Vom Pkw-Stahl- bei zum Stahlrad für landwirtschaftliche Fahrzeuge ist somit neue Produktionskapazität in die mefro-Gruppe gekommen, die es sinnvoll zu integrieren gilt. Wahrlich eine Herkulesaufgabe, der Restrukturierungsprozess ist im vollen Gange, am Schluss soll eine in sich stimmige Organisation stehen, die sich einem Produkt verpflichtet fühlt: dem Fahrzeugrad. Weil da soviel in Bewegung ist, möchte Dr. Roland Schmelzle (Vice President mefro wheels Marketing und Verkauf) nicht so gerne über „ungelegte Eier“ sprechen. Immerhin: Im Rahmen der IAA werden vielleicht die Strukturen des so unglaublich schnell gewachsenen Unternehmens sichtbar. Die aktuelle Fertigungskapazität der mefro-Gruppe liegt im Bereich der Nutzfahrzeuge bei etwa 2,5 Millionen Einheiten für Lkw und Anhänger plus einer Million für Traktoren, Land- und Baumaschinen.
Bei Lkw-Aluminiumgussrädern fehlt also in Hannover die Firma Speedline, bei Lkw-Stahlrädern fehlt die Nummer 3 in Europa Magnetto (Italien). Wenn allerdings von Lkw-Rädern die Räder ist, dann gilt als „Benchmark“ zumeist Alcoa – Weltmarktführer im Bereich der geschmiedeten Aluminiumfelgen, der den Großteil der hierzulande vermarkteten Felgen in Ungarn schmieden lässt: Die Kapazität der Fabrik in Székesfehérvár liegt bei über einer halben Million Stück jährlich. Highlight auf dem Messestand Alcoas dürften die Dura-Bright-Räder sein, die geradezu revolutionär in Bezug auf die Optik sind, wobei sich das Wort Oberflächenbeschichtung verbietet, denn Dura-Bright ist überhaupt keine Beschichtung, sondern vielmehr eine Behandlung, die nach dem Anwenden ein integraler Bestandteil des Rades selbst wird. Mehr als acht Jahre hat Alcoa in die Entwicklung des Verfahrens gesteckt. Die Aufgabenstellung für die Ingenieure lautete, die Räder aus geschmiedetem Aluminium noch attraktiver für die Kunden zu machen, wohl wissend, dass es zwar einerseits Menschen gibt, die ihre Alluminiumräder polieren, bis sie glänzen wie neu, andererseits verfügt nicht jeder über die Zeit, dies zu tun. Bei Dura-Bright-Rädern gibt es weder Lackieren noch Polieren und auch keinen Bedarf and speziellen Chemikalien. Sie bieten keine Angriffsfläche für Schmutz, Bremstaub und Fett. Der Schmutz wird einfach weggewaschen – ohne Scheuern, ohne Schleifmittel oder spezielle Chemikalien; einfach abtrocknen, um Wasserspritzer zu vermeiden, und die Räder sehen aus wie neu, lautet Alcoas Produktversprechen: Und weiter heißt es: “Obwohl die Oberfläche eines Dura-Bright-Rades zerkratzt oder eingekebrt werden kann, bleibt der Schaden darauf beschränkt. Es gibt kein schleichendes Underwandern, das langsam die umliegenden Bereiche zerstört und die Brillanz des Rades beeinträchtigt. Und die Dura-Bright-Behandlung kann nicht aufbrechen oder abblättern. Korrosion und Oxidation haben ebenso keine Chance.“ Um eine Verwechslung mit den neuen einfach zu reinigenden Dura-Bright-Rädern zu vermeiden, hat sich Alcoa entschieden, den Namen der früheren „Diamond Brite“-Oberfläche in „Gebürstet“ oder in Englisch „Brushed“ zu verändern. Die drei Oberflächen für geschmiedete Aluminiumräder von Alcoa lauten jetzt Gebürstet (bzw. Brushed), Spiegelpoliert (Mirror Polished) und Dura-Bright.
Darüber hinaus dürfte das von Alcoa Wheel Products Europe und DaimlerChrysler für den „AXOR Bau“ entwickelte so genannte „WorkHorse“-Rad auf Interesse stoßen. Dieses neue Rad ist speziell für den Baustelleneinsatz konzipiert. Zum Schutz der Scheibenbremsen wird das geschmiedete Aluminiumrad ohne Lüftungslöcher hergestellt. Dadurch ist beim Abkippen von Sand und Kies die Bremse komplett geschützt. Das Rad kann auf der Vorderachse, als inneres Zwillingsrad der Antriebsachse sowie auf der Anhänger-/Aufliegerachse montiert werden. Die verfügbaren Größen lauten 22.5×8.25, 22.5×9.00 und 22.5×11.75 (Einpresstiefe 120 mm; Bolzenlöcher: 32 mm). Die Oberfläche ist „gebürstet“ oder „brushed“, womit die früher so genannte Version „Diamont Bride“ gemeint ist. Das neue Rad besitzt die gleichen Eigenschaften wie ein standardmäßiges Alcoa-Rad in den genannten Größen, zeichnet sich jedoch aufgrund des neuen und verstärkten Designs zusätzlich durch eine erhöhte Verschleißfestigkeit aus.
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!